Allgemeines. Die althochdeutschen Substantive werden, wie im
Neuhochdeutschen, nach den drei Kategorien Genus, Kasus und Numerus flektiert.
Es gibt drei Genera (Maskulinum, Neutrum, Femininum), vier Kasus (Nominativ,
Genitiv, Dativ und Akkusativ; ein weiterer Kasus, der Instrumental, ist im
Althochdeutschen nur in Resten vorhanden) und zwei Numeri (Singular und
Plural). Die Substantivflexion (auch Deklination genannt) wird in Klassen
eingeteilt, in denen die verschiedenen Genera vertreten sind und die sich durch
bestimmte Merkmale unterscheiden. Die genaue Einteilung der Klassen geht auf voralthochdeutsche
Verhältnisse zurück.
Die germanischen
Stammbildungselemente als Grundlage der althochdeutschen Einteilung der
Substantivflexion. Die althochdeutsche Einteilung
der Substantivflexion beruht auf germanischen Flexionsverhältnissen, wie
sie am Gotischen deutlich beobachtbar sind. Jede flektierte Form eines
Substantivs bestand aus drei Elementen, die in der Gegenüberstellung
gleicher Flexionsformen erkennbar werden:
Gen. Sing. |
Mask. |
han |
-in |
-s |
'des Hahnes' |
|
Neutr. |
hairt |
-in |
-s |
'des Herzens' |
Fem. |
tugg |
-ôn |
-s |
'der Zunge' |
|
Fem. |
gib |
-ô |
-s |
'der Gabe' |
|
Akk. Plur. |
Mask. |
dag |
-a |
-ns |
'die Tage' |
|
|
gast |
-i |
-ns |
'die Gäste' |
|
sun |
-u |
-ns |
'die Söhne' |
An erster Stelle steht in den Beispielen jeweils die
Wurzel, das die lexikalische Bedeutung tragende Grundmorphem, zum Beispiel dag-. Dieselbe Wurzel dag kann in verschiedenen Wörtern
auftreten; im Ahd. steht neben dem Substantiv tag zum Beispiel ein schwaches Verb tagen 'Tag werden'.
An letzter Stelle der gotischen Beispiele steht die
Flexionsendung: -s für den
Genitiv Singular, -ns für den
Akkusativ Plural.
Zwischen Wurzel und Flexionselement steht jeweils ein
wortbildendes Element, das in zahlreichen weiteren Wörtern vorkommt und so
klassenbildend wirkt: dag-a-ns,
stain-a-ns, wulf-a-ns.
Das an die Wurzel antretende Element heißt Stammbildungselement; die Kombination
aus Wurzel und Stammbildungselement wird Stamm genannt. Das germanische
Stammbildungselement a bildet
Substantive mit maskulinem und neutralem Genus, die als a-Stämme
bezeichnet werden. Schematisch lässt sich die morphologische Struktur von dagans wie folgt darstellen:
dag- Wurzel
-a- Stammbildungselement
-ns - Flexionselement
Für
die germanische Sprachstufe sind nach den verschiedenen Stammbildungselementen
verschiedene Klassen der Substantivflexion zu unterscheiden. Die
Stammbildungselemente kennzeichnen dabei die verschiedenen Klassen:
1. n-Stämme: man vergleiche zum Beispiel die
gotischen Formen Gen. Sing. han-in-s,
hairt-in-s, tugg-ôn-s. Von n-Stämmen kann deshalb
gesprochen werden, weil das Stammbildungselement auf n ausgeht. Die Klasse der n-Stämme
wird auch als schwache Deklination bezeichnet.
2. ô-Stämme: z.B. gotisch Gen. Sing. gib- ô-s.
3. a-Stämme: z.B. gotisch Akk. Plur. dag- a-ns.
4. i-Stamme: z.B. gotisch Akk. Plur. gast- i-ns.
5. u-Stämme: z.B. gotisch Akk. Plur.
sun- u-ns.
Die Klassen der ô-, a-, i- und u-Stämme gehören der sogenannten
starken Deklination an.
Daneben gibt es noch eine Gruppe von Substantiven, die
das Flexionselement gleich an die Wurzel anschließt, das heißt, die
kein Stammbildungselement aufweist. Diese Substantive heißen daher auch Wurzelnomina, z.B. got. Gen. Sing. Mask. mans:
man Wurzel
s Flexionselement.
Die althochdeutsche Substantivflexion wird nach den verschiedenen oben
genannten Klassen eingeteilt.
Deklinationsparadigmen im Althochdeutschen
Klasse |
Maskulinum |
Neutrum |
Femininum |
|||
Singular |
Plural |
Singular |
Plural |
Singular |
Plural |
|
1 -n |
der boto des boten |
dia boton |
daz herza |
diu herzen |
diu zunga |
dio zungûn |
2 -ô |
|
diu geba |
dio gebâ |
|||
3 -a |
der tag |
dia taga |
daz wort |
diu wort |
|
|
4 -i |
der gast |
dia gesti |
|
diu kraft |
dio krefti |
Hier zeigt sich, daß die Akzentfestlegung auf den
Wortanfang bereits für eine Verwischung und Vereinfachung sowie einen
Wegfall einzelner Formen gesorgt hat; der Artikel, der hier dazugesetzt ist,
brauchte im ahd. nicht verwendet zu werden, so daß eine isolierte Form
nicht immer eindeutig einem Kasus zugeordnet werden kann. Dennoch ist die
Kasuskennzeichnung relativ gut erkennbar, wohingegen eindeutige Numerus- und
Genuskennzeichnung nicht vorhanden sind.
Was die Pluralbildung anbetrifft, so traten mehrere
Sonderklassen auf, von denen eine für die weitere Entwicklung besonders
wichtig wurde:
Neutrum |
|
Singular |
Plural |
daz lamb |
diu lembir |
-ir- ist ein
Stammbildungselement, das im Singular weggefallen ist. Es löst im Pl. den
Umlaut aus, und wird so später Vorbild für eine neue Art der
Pluralbildung. Umlaut + (abgeschwächtes) -er wird im mhd. zu einem neuen Pluralkennzeichen in Wörtern,
die zuvor keinen Umlaut hatten (nhd. Sg - Pl. Wort - Wörter, Wald -
Wälder).
Adjektiv. Ahd. Adjektive haben
drei grammatische Kategorien, die an ihnen ausgedrückt werden: Kasus,
Numerus, Genus. Wenn man sich aber das Flexionsparadigma der ahd. Adjektive
ansieht, so gibt es für jede der 24 Positionen zwei Formen, eine
sogenannte nominale (schwache) und eine pronominale (starke)
Form. Die zwei Formen waren schon im Germ. vorhanden und hatten die Funktion,
die heute durch die Artikel wahrgenommen wird. Eine nominale Form war individualisierend,
eine pronominale Form generalisierend. Z.B. ahd.: kilaubu in kot fater almahticun „...den allmächtigen“ versus in hohan berg „(irgend)einen
hohen Berg“ oder nioman sentit niowan
wîn in alte belgi „niemand füllt jungen Wein in alte
Schläuche“.
Althochdeutsche Adjektivendungen
|
Maskulinum |
Neutrum |
Femininum |
|||
nominal |
pronominal |
nominal |
pronominal |
nominal |
pronominal |
|
Nom. Sg. |
-o |
-êr |
-a |
-az |
-a |
-iu |
Nom. Pl. |
-on |
-e |
-un |
-iu |
-ûn |
-o |
Wie die Tabelle zeigt, wirkte sich auch hier die Abschwächung
der Nebensilben auf die Morphologie aus: Formen wurden uneindeutig oder
fielen zusammen. Um die alte Unterscheidung individuell / generell weiter
ausdrücken zu können, mußten nun Umschreibungen mit
Demonstrativpronomen (indiv.) bzw. Zahlwort ein (gener.) verwendet werden.
Daraus entstanden später die Artikel.
Steigerung
der Adjektive
Regelmäßige Steigerung. Im Ahd. gibt es
zwei Möglichkeiten der Steigerung:
a) den
Komparativ mit der Endung -iro, den
Superlativ mit -isto;
b) den
Komparativ mit der Endung -ôro, den
Superlativ mit -ôsto.
Eine
genaue Unterscheidung dieser beiden Bildungsweisen nach ihrer Anwendung kann
nicht vorgenommen werden, jedoch sollen einige Beispiele angeführt werden.
Bei den einsilbigen Adjektiven bilden die ja/jo-Stämme
Komparativ und Superlativ fast durchweg mit den i-Formen, die a/ô-Stämme
dagegen sowohl mit den i- als auch
mit den ô-Formen. Es
heißt also:
suozi (ja-Stamm) - suoziro - suozisto aber: hêr (a-Stamm) - hêriro - hêristo oder - hêrôro – hêrôsto.
Die
mehrsilbigen Adjektive weisen überwiegend die Formen mit -ô- auf, z.B. managfalt - managfaltôro - managfaltôsto.
Komparativ und Superlativ werden im Ahd. im
Gegensatz zum Nhd. nur schwach dekliniert.
Unregelmäßige
Steigerung. Einige Adjektive weisen keine regelmäßigen
Komparativ- und Superlativformen auf. Diese Adjektive bilden den Komparativ und
den Superlativ von anderen Wortwurzeln, die ihrerseits keinen Positiv haben:
guot 'gut' - bezziro-
bezzisto
ubil 'schlecht' - wirsiro
– wirsisto
mihhil 'groß' -
mêro (mêriro, mêrdro) – meisto
luzzil 'klein' - minniro
- minnisto
Daneben
gibt es noch eine Reihe von Steigerungsformen, die nicht von Adjektiven,
sondern von Adverbien und Präpositionen gebildet worden sind. Sie werden
aber gesteigert als Adjektive verwendet. So gehören z.B. zum Adverb êr
'vorher' êriro '(der) frühere' und êristo '
(der) früheste, erste'
Die Entwicklung des Artikels. Die Kategorie
der Bestimmtheit und Unbestimmtheit. Die Entwicklung des Artikels beginnt im Ahd. Zuerst
entwickelt sich der bestimmte Artikel ther,
thiu, thaz, dem ein Demonstrativpronomen zugrunde liegt. Der bestimmte
Artikel ist in der ahd. Zeit erst im Werden. Er wird nur mit konkreten
Substantiven gebraucht, um einen einzelnen bestimmten Gegenstand zu
kennzeichnen:
Sum man habeta zuuene suni. Quad thô der iungôro fon then themo fater... „Ein Mann
hatte zwei Söhne. Da sagte der Jüngere von ihnen dem Vater...“
Wenn es
sich dagegen um einen unbekannten, unbestimmten Gegenstand oder eine unbekannte
Person handelt, wird das Substantiv ohne Artikel gebraucht:
Furfarenti gisah man blintan „Im
Vorbeigehen sah er (einen) blinden Mann“.
Die
Abstrakta haben in dieser Periode der Sprachentwicklung noch keinen Artikel,
z.B. forhta 'Furcht', maht 'Macht', guot 'das Gute'; artikellos sind auch die Stoffnamen, z.B.: silabar 'Silber', uuîn 'Wein' und die Unika, z.B. erda 'Erde', himil 'Himmel'
u. a.
Daß
der Artikel noch keine entwickelte grammatische Kategorie ist, geht daraus
hervor, daß es keine regelmäßige Opposition des bestimmten
Artikels dem unbestimmten gibt. Die artikellose Form des Substantivs ist noch
mehrdeutig; bei konkreten Substantiven dient sie als Ausdruck der
Unbestimmtheit, in allen anderen Fällen ist sie neutral gegenüber der
Bestimmtheit oder Unbestimmtheit des Substantivs. Erst gegen Ende der ahd.
Periode erweitert sich der Gebrauch des Artikels. In dieser Zeit ist bereits
der bestimmte Artikel vor Abstrakta, vor Stoffnamen und beim generalisierenden
Gebrauch des Substantivs anzutreffen sowie vor den Unika:
Uuir uuizzen, daz tia erda daz
uuazzer umbegât unde der fierdo teil nahôr obenân
erbarôt ist, an demo sizzent tie mennisken „Wir wissen,
daß die Erde von dem Wasser umgeben ist und daß etwa der vierte
Teil davon oben nicht bedeckt ist, dort leben die Menschen“.
Im Ahd.
kommen bereits vereinzelte Formen des unbestimmten Artikels vor:
Einan kuning uueiz ih, heizsit her
Hluduîg „lch weiß einen
König, er heißt Ludwig“.
Doch der
regelmäßige Gebrauch des unbestimmten Artikels entwikkelt sich erst
in der mhd. Zeit.
Personalpronomen. Die Personalpronomen gehören zur
ältesten Schicht des
indoeuropäischen Wortbestandes. Einen
ganz besonderen Deklinationstyp weisen die Personalpronomen der 1. und 2. Person auf. Ihre Kasusendungen kommen außer
bei ihnen nirgends mehr vor. Der Nominativ
und die obliquen Kasus sind von verschiedenen Stämmen gebildet.
1. P.
Sg. |
2. P.
Sg. |
|
|
N. ih |
du (dü) |
wir |
ir |
G. mîn |
dîn |
unser |
iuwer |
D. mir |
dir |
uns |
iu |
A. mih |
dih |
unsih |
iuwih |
Die Personalpronomen der 3. Person sind etymologisch sehr eng mit den
Demonstrativpronomen verbunden und haben mit ihnen eine gleiche Kasusbildung.
Das Pronomen er lautet im
Bairischen und im Alemannischen er, im
Altsächsischen he (vgl. e. he), im Fränkischen he,
her. Die literatursprachliche Form der Gegenwartssprache ist also süddeutscher Herkunft.
Possessivpronomen. Die Possessivpronomen sind vom Stamm der obliquen Kasus der Personalpronomen gebildet. Sie
lauten im Ahd. mîn 'mein', dîn 'dein', sîn 'sein' (m. und n.), iro
'ihr', unsêr 'unser', iuwêr 'euer', iro 'ihr' (Pl.).
Die Possessivpronomen werden nach dem Deklinationsschema der Demonstrativpronomen und anderer Pronomen sowie des bestimmten Artikels dekliniert.
Im N. Sg. m. und im N. A. Sg. n. haben sie aber die Nullflexion.
Singular
|
Plural
|
|||||
Mask. |
Neutr. |
Fem. |
Mask. |
Neutr. |
Fem. |
|
N. |
mîn(er) |
miniu |
mîniu |
mîne |
mîniu |
mîno |
G. |
mînes |
mînera |
mînero
|
|||
D. |
mînemu (-o) |
mîneru (o) |
mînem (en) |
|||
A. |
mînan |
mina (az) |
mîna
|
mîne |
mîniu |
mîno |
Reflexivpronomen. Das Reflexivpronomen sih ist eine Akkusativform, die mit der Zeit auch als ein
Dativ zu fungieren beginnt.
Demonstrativpronomen. Die Demonstrativpronomen sind ther, der 'der', desêr
'dieser', jenêr 'jener', der selbo 'derselbe', sulîhêr, solîhêr 'solcher'.
Da sich
aus dem Demonstrativpronomen ther, der der
bestimmte Artikel und das Relativpronomen
entwickeln, verbreitet sich neben dem einfachen ther immer mehr das Pronomen desêr,
das durch Zusammensetzung von ther,
der und der Verstärkungspartikel se gebildet ist.
Die Pronomen ther (der),
desêr, jenêr, solîhêr werden nach einem gemeinsamen Deklinationsschema flektiert:
Singular
|
Plural
|
|||||
Mask. |
Neutr. |
Fem. |
Mask. |
Neutr. |
Fem. |
|
N. |
der |
daz |
diu |
dê (dea, dia, die) |
diu |
deo, dio |
G. |
des |
dera (-u, -o) |
dero
|
|||
D. |
demu (-o) |
deru (-o) |
dêm (-n) |
|||
A. |
den |
daz |
dea (dia, die)
|
dê (dea, dia, die) |
diu |
deo, dio |
Das
Interrogativpronomen im Ahd. Das
Interrogativpronomen tritt nur im Singular, und da auch nur in den Formen des
Maskulinums und des Neutrums auf. Für das Femininum gelten die maskulinen
Formen:
Sing. |
Maskulinum/ Femininum |
Neutrum |
Nom. |
wer |
waz |
Gen. |
wes |
wes |
Dat. |
wemu, wemo |
wemu, wemo |
Akk. |
wenan, wen |
waz |
Im älteren Ahd. ist meist noch das dem w vorausgehende h bewahrt:
hwer, hwaz usw.
Grundzahlen. 1 - ein flektiert wie ein Adjektiv; 2 - zwêne (m.), zwei (n.), zwâ,
zwô (f.) - G. zweio, D. zweim (-n), A. = N.; 3 - drî (m.), driu (n.), drîo (f.)
- G. drîo, D. drim (-n), A.= N. Die Grundzahlen 4 - fior, 5 - fimf, 6 - sehs, 7
- sibun, 8 - ahto, 9 - niun, 10 - zehan, 11 - einlif, 12 - zwelif sind flexionslos. Die Grundzahlen
13 - 19 sind zusammengesetzte Wörter mit der zweiten Komponente zehan 'zehn': 13 - drîzehan, 14 – fiorzehan u.a.
Die Grundzahlen
20 - 90 sind etymologisch zusammengesetzte Wörter mit der zweiten
Komponente -zug- 'Zehner'; 20 - zweinzug,
30 - drîzug, 40 – fiorzug u.a.
Das
Hundert wird mit dem Substantiv hunt (d.
hundert) bezeichnet, daher: 200 - zwei hunt, 300 - driu hunt usw. Das Tausend wird mit dem Substantiv dûsunt, thûsunt bezeichnet.
Ordnungszahlen. Die
meisten Ordnungszahlen sind von den Grundzahlen durch Suffixe abgeleitet. Die
Ordnungszahlen 3 - 19 werden mit dem Suffix -t
abgeleitet: dritto 'dritter', fiorto 'vierter', finfto 'fünfter', sehsto
'sechster' usw.
Von den
Zehnern, Hunderten und Tausenden werden die Ordnungszahlen mit dem Suffix des
Superlativs -ôst abgeleitet: zweinzugôsto 'zwanzigster', drizugôsto 'dreißigster', fiorzugôsto 'vierzigster' usw.
Alle Ordnungszahlen werden im Ahd. wie schwache Adjektive dekliniert.
Infinitivkonstruktionen.
Im Ahd. gibt es wie im Nhd. den unflektierten
Infinitiv als Teil des Prädikats: her
fragen gistuont „er begann zu fragen“. Daneben tritt der Inf. auch
flektiert als Gen. und Dat. auf. Der Gen. des Infinitivs ist in der Verwendung
dem Nhd. ähnlich, z.B. in des
tihtonnes reini „in der Schönheit des Dichtens2, in thero zîti des rouhennes „zur Zeit des Räucherns“.
Der Dat. wird im Ahd. immer mit der Präposition zi gebraucht und hat meist finalen Sinn: quâmun zi besnîdanne thaz kind. Die Gruppe zi besnîdanne kann nicht
substantivisch übersetzt werden (falsch: zum Beschneiden), sondern nur
verbal: „sie kamen, um das Kind zu beschneiden“. Infinitivgruppen mit zi können auch Objekt sein: eno ni brâhta imo uuer zi ezzanna
„hat ihm etwa jemand zu essen gebracht“.
Partizipialkonstruktionen.
Häufiger als im Nhd. werden im Ahd.
Partizipien als Adverbialbestimmungen verwendet. Sie werden oft mit
Konjunktionalsätzen übersetzt: thanân
thô Zacharias uuard gitruobit thaz sehenti „da war Zacharias
verwirrt, als er das sah“. Aber auch Koordination oder relativischer
Anschluß ist möglich: inti al
thiu menigî uuas desfolkes ûzze, betônti in thero zîti
des rouhennes „und die ganze Menge des Volkes war draußen und betete
zur Zeit des Räucherns“; araugta sih
imo gotes engil, stantenti in zeso thes altares „es zeigte sich ihm Gottes
Engel, der zur Rechten des Altars stand“. Solche Konstruktionen sind besonders
häufig mit dem Part. Präs. Doch kommen sie auch mit dem Part.
Prät. vor: intigimanôt in
troume „und nachdem er im Traum gemahnt worden war“.
Satzgliedstellung. Subjekt, Objekte und Umstandsergänzungen sind im
Ahd. ebenso wie in der Gegenwartssprache beweglich; ihre Stellung im Satz ist
auch in jener Zeit durch den kommunikativen Inhalt des Satzes bedingt. Auf
diese Weise kann also die erste Stelle im Satz von den verschiedenen
Satzgliedern besetzt sein. Die Zweitstellung des finiten Verbs im
Aussagehauptsatz ist im Ahd. noch nicht fest, wenn auch sehr häufig: her uuas heroro man; ih heittu Hadubrant; einan kuning uueiz ih. Daneben ist aber
auch - im Gegensatz zum Nhd. - die Anfangsstellung des finiten Verbs
gebräuchlich: uuas liuto filu in
flize „es gab viele Völker mit Fleiß“, araugta sih imo thie engil „es zeigte sich ihm der Engel“. Im
Aufforderungssatz ist die Erststellung des finiten Verbs auch im Ahd. schon
fest: trôstet hiu gisellion „tröstet
euch, Gefährten“, gib mir trinkan.
Damit deutet sich bereits die Tendenz an, die Satzarten strukturell zu
differenzieren.
Satzgliedstellung im Gliedsatz. Die im Nhd. typische Endstellung des finiten Verbs bei eingeleiteten
Gliedsätzen ist auch ahd. schon häufig, aber noch nicht die Regel: thaz sie iro namon breittin „damit sie
ihre Namen verbreiteten“, aber: thaz sie
ni wesen eino thes selben adeilo „damit nicht sie allein dessen nicht
teilhaftig sind“.
Verknüpfung im
zusammengesetzten Satz. Im Ahd. gibt es
Satzverbindungen und Satzgefüge. Die Anzahl der Modelle beiordnender und
unterordnender zusammengesetzter Sätze ist natürlich viel geringer
als in der Gegenwartssprache; ihre Struktur ist weniger beständig.
Die Satzverbindung kann ohne und mit Konjunktion
gebildet sein. Ohne Konjunktion: Sang
uuas gisungan, uuîg uuas bigunnan, bluot skein in uuangôn:
spilôdun ther Vrankon.
Mit Konjunktion: Her
ist uuarlîhho mihhil fora truhtîne inti uuîn noh lîd ni
trinkit inti heilages geistes uuirdit gifullit „er wird wahrlich groß
vor dem Herrn sein und wird nicht Wein noch Obstwein trinken, und er wird
erfüllt vom heiligen Geist“.
Die gebräuchlichsten koordinierenden Konjunktionen
sind inti 'und', ioh 'und, auch', ouh 'auch',
doh 'doch', abur 'aber', odo 'oder'.
Im Gegensatz zum Nhd. ist ihre Zahl gering. Die koordinierenden Konjunktionen
im Ahd. haben überwiegend kopulativen und adversativen Sinn.
Es gibt im Ahd. für alle Satzglieder
Gliedsätze, also Subjekt-, Objekt-, Prädikativ-, Adverbial- und
Attributsätze. Ihrer Verknüpfung nach werden unverbundene Sätze,
Relativsätze und Konjunktionalsätze. Die Endstellung des
Prädikats im Gliedsatz, was die Gegenwartssprache prägt, gilt im Ahd.
noch nicht als Regel. Doch kam sie in den Gliedsätzen schon häufig
vor: Thu weist, thaz ih thih minnon „Du
weißt , daß ich dich liebe.“
Da die Endstellung
des Prädikats nur in Gliedsätzen vorkommt, wird sie allmählich
zum Prägemittel des Gliedsatzes.
Negation. Älteste
Negationspartikel im Deutschen ist ahd. ni, mhd. ne (mit den
Varianten en, in, n, ne), die unmittelbar vor dem Verb stand und mit ihm
verbunden werden konnte. Pleonastisch kann seit dem Spätalthochdeutschen niht
hinzutreten, seit dem 12. Jh. geschieht es fast regelmäßig. Eine
solche doppelte oder auch mehrfache Verneinung hat jedoch keine stilistische
Bedeutung, und keineswegs ist es eine Verstärkung; z.T. wird jedes
wichtige Satzglied verneint, ohne daß eine Verstärkung vorliegt: ich
wil iu geheizen unde sagen daz iu nieman niht entuot, „... daß Euch
niemand etwas tun wird“.
Das Verhältnis von ne und niht
verschiebt sich schon im 13. Jh., so daß als Negationspartikel ne
häufiger wegfällt und schließlich nur niht bleibt.
Die Zweite lateinische Welle (ca. 500 - 800 n.
Chr.). Dieser Kontakt ist geprägt durch die
angelsächsisch-fränkische Mission. Dementsprechend fallen die
Lehnwörter großteils in den liturgischen Bereich. z.B.: Priester,
Probst, Pfründe, Küster, Dom, Münster, Kapelle, Kloster, Abt,
Mönch, Nonne, Prälat (= Klosterwesen), Beichte < ahd. bi-jiht
(jehan 'sagen'; daher eine Lehnübersetzung aus lat. confessio),
Gewissen < lat. conscientia (Lehnübersetzung), Samstag
< gr. sábbton < hebr. sabbat= (andere Formen: Satertag < Lehnübersetzung von lat. Saturni
dies, Sonnabend < Lehnübersetzung).