From: <Сохранено Microsoft Internet Explorer 5> Subject: Worter aus der Fremde Date: Mon, 16 Dec 2002 11:28:31 +0300 MIME-Version: 1.0 Content-Type: multipart/related; boundary="----=_NextPart_000_01E4_01C2A4F6.43B76E00"; type="text/html" X-MimeOLE: Produced By Microsoft MimeOLE V5.50.4133.2400 This is a multi-part message in MIME format. ------=_NextPart_000_01E4_01C2A4F6.43B76E00 Content-Type: text/html; charset="windows-1251" Content-Transfer-Encoding: quoted-printable Content-Location: =?windows-1251?B?ZmlsZTovL0Q6XERvY3NcQU5EUkVXXMTL3yUyMNHS8ODt6Pfq6CUyMOIl?= =?windows-1251?B?MjDo7eXy5VzF+eUlMjDt4OTuJTIw8ODn7OXx8ujy/CFcRnJlbWRlJQ==?= =?windows-1251?B?MjBXb2VydGVyLmh0bQ==?=
Wörter aus=20
der Fremde
Inhalt
INHALT
ALLGEMEINES UND=20
LITERATUR
A. THEMEN DER=20
LEHRVERANSTALTUNG
B.=20
BIBLIOGRAPHIE
C.=20
FREMDWÖRTERBÜCHER
1.=20
Allgemeine FWB=20
2.=20
Wörterbücher zu Neologismen
EINLEITUNG
A. FREMDWÖRTER =
EINER=20
WERBEAUSSENDUNG - FREMDWÖRTER IM ALLTAG
B. GLOBALISIERUNG DER =
SPRACHE VS.=20
SPRACHPURISMUS
I.=20
BEGRIFFLICHES
A. DIACHRONE, =
ETYMOLOGISCHE=20
TYPOLOGIE NACH WERNER BETZ
B. SYNCHRONE =
EINTEILUNG NACH=20
PETER V. POLENZ: FREMDWORT UND LEHNWORT SPRACHWISSENSCHAFTLICH=20
BETRACHTET
II. LAUF DURCH DIE =
GESCHICHTE=20
DES FREMDWORTS
A. EXKURS: STADIEN =
DER DEUTSCHEN=20
SPRACHE
1.=20
Einteilung der Entwicklung des Deutschen
2.=20
Das Indogermanische=20
B. WIEN UND DER =
WEIN ODER:=20
DAS "ÄLTESTE" FREMDWORT
C. SUBSTRATE UND=20
ADSTRATE
1.=20
Was ist ein Substrat?=20
2.=20
Exkurs: Substratforschung=20
3.=20
Entlehnungen aus dem Keltischen - Adstrate
D. LATEINISCHE =
EINFLÜSSE - ERSTE=20
UND ZWEITE LATEINISCHE WELLE
1.=20
Die "Erste lateinische Welle" (ca. 50 v. Chr. - 500 n. =
Chr.)
2.=20
Die "Zweite lateinische Welle (ca. 500 - 800 n. Chr.)
E. FRANZÖSISCHE =
EINFLÜSSE WÄHREND=20
DER HÖFISCHEN ZEIT (1150 - 1250)
F. =
FRÜHBÜRGERLICHE=20
ZEIT
G. HUMANISMUS - =
"DRITTE=20
LATEINISCHE WELLE"
1.=20
Latein (und Griechisch)=20
2.=20
Französisch (und Italienisch)
H. WEITERE =
ENTLEHNUNGEN IM 15.,=20
16. UND 17. JH.
I. ABSOLUTISMUS,=20
BILDUNGSBÜRGERLICHE SPRACHKULTIVIERUNG (17., 18. =
JH.)
1.=20
Funktionale Felder der französischen =
Lehnwörter
2.=20
Bedeutungsveränderungen bei der Entlehnung
3.=20
Aussprache - Grad der Integration von Fremdwörtern,=20
Betonungsverhältnisse=20
4.=20
Sprachpuristische Haltung zu den frz. Einflüssen
5.=20
Exkurs: Integration von Fremdwörtern
J. ENTLEHNUNGEN AUS =
DEM=20
ENGLISCHEN
III.=20
SPRACHPURISMUS
A. BEWEGUNGEN ZUR =
SPRACHE=20
HISTORISCH BETRACHTET
1.=20
17. Jahrhundert=20
2.=20
Johann Heinrich Campe, sein Verdeutschungswörterbuch und warum =
bestimmte=20
Verdeutschungen nicht angenommen wurden (nach Daniels)
B. SPRACHPURISMUS =
HEUTE -=20
GEGENWART UND ZUKUNFT
1.=20
Einige Beispiele aus Vorschlägen der Zs. =
Muttersprache
2.=20
Wörterbuch überflüssiger Anglizismen von =
Pogarell/Schröder
C. SPRACHPURISMUS IM =
19.=20
JAHRHUNDERT
D. ALLGEMEINER =
DEUTSCHER=20
SPRACHVEREIN
IV. DIE =
GEGENWÄRTIGE=20
SITUATION
V. =
FREMDWÖRTER IN FACH- UND=20
SONDERSPRACHEN
A.=20
LITERATUR
B.=20
PROBLEMSTELLUNG
C. NETZSPRACHE - =
"E-MAILEN" UND=20
"CHATTEN"
D. COMPUTERJARGON UND =
EINDEUTSCHUNGSVERSUCHE DAZU
E. IN WELCHEN =
BEREICHEN KÖNNEN=20
WIRKLICHE PROBLEME AUFTRETEN?
F. ANGLIZISMEN IN =
MODE UND=20
WERBUNG
VI. ANGLIZISMEN IN =
ZEITSCHRIFTENWERBUNG UND ZEITUNG
VII. =
FREMDWÖRTER IN DER=20
LITERATUR
A.=20
"DESIGNERMINERALWASSER"
B. FREMDWÖRTER =
IM WERK=20
Schillers
VIII. =
FREMDWÖRTER ALS=20
NEOLOGISMEN
A.=20
"EVENT"
1.=20
Vorkommen des Wortes, verschiedene Kontexte und =
Bedeutungen
2.=20
Warum Event?=20
B.=20
"BODY"
#1, Mi., 08.03.2000, Hörsaal =
30 des Instituts=20
für Germanistik
Allgemeines=20
und Literatur
A. Themen der=20
Lehrveranstaltung
=95 Problematik heute
=95 Begriffliches/Fachtermini etc. und=20
Fachliteratur
=95 Geschichte des Fremdwortes, bes. ab=20
mhd.
=95 Fremdwörter im 20. =
Jhdt.
=95 Neologismen - neueste=20
Fremdwörter
=95 Fremdwörter in Fachsprachen. bes.=20
Computer-Sprache, Jugendjargon, Jargonisierung.
=95 Fremdwörter in der =
Dichtung
B.=20
Bibliographie
Eine umfassende =
Bibliographie ist=20
im Internet (Homepage Richard Schrodt) zu finden sein. Für den=20
Sprachpuristischen Standpunkt empfielt Schrodt die Homepage des =
Vereins zur=20
Wahrung der deutschen Sprache: http://www.vwds.de/index.html. Dieser =
Verein=20
betreibt keine abstrakte Fremdwort-Hatz, sondern setzt sich argumentativ =
und=20
vernünftig auf seiner 'Leitseite'(!) mit der Problematik Fremdwort=20
auseinander.
Im Rahmen einer =
Tagung hat Hr.=20
Schrodt eine große Anzahl von Artikeln, Web-Adressen usf. =
erhalten. Das Material=20
liegt in der Fachbibliothek auf. Behandelt werden viele aktuelle Themen =
im=20
Bereicht des Fremdworts. Weitere Literatur: Klaus Heller: Das Fremdwort =
in der=20
deutschen Sprache der Gegenwart. Untersuchungen im Bereich der =
Gebrauchssprache.=20
- Leipzig: VEB Bibliographisches Institut 1966.
C.=20
Fremdwörterbücher
Schrodt unterscheidet =
in=20
konventionelle, erschwingbare FWB und wissenschaftliche, =
mehrbändige und=20
ausführliche, demnach teure Varianten. Letztere bespricht er nun =
kurz. Er=20
verlangt, dass man sich in der Bibliothek selbst einen Überblick zu =
den=20
verschiedenen FWBn verschafft.
Eine Bemerkung am =
Rande: In=20
anderen Sprachen gibt es zumeist keine eigenen =
Fremdwörterbücher. Nur die=20
deutsche Sprache bzw. Wörterbücher der dt.en Sprache evozieren =
diese=20
Merkwürdigkeit. Der neue zehnbändige Duden versucht, die =
Fremdwörter im Rahmen=20
des 'normalen' dt.en Wörterbuchs zu =
behandeln.
1. Allgemeine=20
FWB
=B7 Schulz/Basler: Deutsches =
Fremdwörterbuch,=20
Straßburg 1913: hoffnungslos veraltet; aber: Der Neudruck der =
1970er Jahre ist=20
ab dem 3. Bd. (1977) nicht ein fotomechanischer Abdruck, sondern eine=20
überarbeitete Fassung. Ab dem Buchstaben Q/R gibt das FWB daher =
gediegene,=20
wissenschaftliche Auskunft.
=B7 Neubearbeitung von Schulz/Basler, 2. =
Aufl.: Das=20
Fremdwörterbuch, de Gruyter. Bisher sind 4 Bd.e erschienen (bis =
Buchstabe D);=20
ein hervorragendes Buch.
=B7 Anglizismenwörterbuch, de Gruyter: =
sehr=20
brauchbar.
2. =
Wörterbücher zu=20
Neologismen
Es gibt hier =
eigentlich kein=20
wirklich empfehlenswertes Buch. Schrodt erwähnt als =
Zwangslösungen zwei=20
Varianten:
=B7 Duden: Trendwörterbuch: kein gutes =
Produkt
=B7 Horx: Trendwörterbuch: besser als =
Duden. Die=20
pragmatische Gebrauchsbestimmung der Wörter wird erläutert. Es =
eignet sich noch=20
am ehesten als Neologismen-WB.
Einleitung
A. =
Fremdwörter einer=20
Werbeaussendung - Fremdwörter im Alltag
Als Einstieg in die =
Thematik=20
bespricht Schrodt die Wörter, die in einer Werbeaussendung eines =
Kaufhauses=20
verwendet werden. Er zählt (Zahlen und Eigennamen ausgenommen) 201 =
Wörter,=20
darunter 116 deutsche und 85 Fremdwörter.
Die Ergebnisse =
dieser=20
exemplarischen Behandlung von Fremdwörtern sind folgende: =
Fremdwörter sind=20
Formen der Lebenspraxis und werden von bestimmten Sprachkulturen und =
-schichten=20
unterschiedlich eingesetzt (z. Bsp. =91Kultur des Shoppings=92 bei =
Beispielen). Sie=20
können dabei morphologische oder semantische Lücken =
("gebookmarkt", "cool")=20
ausfüllen, können aber auch parallel zu einem deutschen Wort =
eingesetzt werden=20
ohne nennenswerte Unterschiede auf der Denotatebene ("Cushion" statt =
Polster).=20
Dies führt dazu, dass neueste Fremdwörter (oft Anglizismen) =
nicht in=20
Fremdwörterbüchern enthalten bzw. dort sehr umständlich =
und oft beinahe=20
lächerlich erklärt werden. Die von den FWBn vorgeschlagenen =
deutschen=20
Entsprechungen wirken ungewohnt und unpassend (Bsp.: Kaufhaus ist die=20
Destination - Kaufhaus ist die Bestimmung, der Bestimmungsort, der =
Endzweck >=20
Sinnänderung).
B. Globalisierung =
der Sprache=20
vs. Sprachpurismus
Zwei Texte deutscher=20
Wissenschaftler zum Thema: =91sollen in Frankfurt ausländische =
Studenten ohne=20
Deutschkenntnisse studieren dürfen/können=92 werden =
vorgelesen. Der=20
Literaturwissenschaftler wehrt sich gegen den immer stärker =
werdenden Einfluss=20
des Englischen, der Wirtschaftswissenschaftler begrüßt die =
fortschrittliche=20
Tendenz zur sprachlichen Globalisierung, die eine umfassendere =
Kommunikation=20
zwischen Völkern ermöglicht. Diese beiden Extreme können =
beispielhaft für die=20
beiden Standpunkte stehen: Globalisierung der Sprache =3D =
=91stürzen, was im=20
Einsturz begriffen ist=92 vs. Purismus =3D =91bewahren, was in Gefahr =
ist=92.=20
Verschiedenste Problematiken ergeben sich aus dieser Thematik (etwa=20
Sprachbewusstsein, Wissenschaftssprache ...), werden jedoch eher im =
Bereich der=20
Alltagskultur diskutiert.
Im Bereich der=20
Wissenschaftsliteratur hat das Englische beinahe alle anderen Sprachen=20
verdrängt. Während zur Mitte des Jahrhunderts englische =
Forschungsliteratur in=20
Österreich nur übersetzt veröffentlicht wurde, wird =
ursprünglich=20
deutschsprachige Literatur im Forschungsbereich nur beachtet, wenn sie =
ins=20
Englische übertragen wird.
#2, Mi., 22.03.2000, Hörsaal =
30 des Instituts=20
für Germanistik
I.=20
Begriffliches
Die Termini =
Fremdwort und=20
Lehnwort werden in der Alltagssprache wie auch in der =
Wissenschaft=20
verwendet. Letztere versucht, klare Definitionen für diese =
Wörter zu=20
geben.
Die resultierende =
Problematik sei=20
an folgendem Satz demonstriert: "Am vergangenen Freitag nahm der =
Großvater=20
des Herzogs mit Rücksicht auf die Beschwerden der Untertanen an =
einer Sitzung in=20
der Hauptstadt teil." Nur die Präpositionen und Artikel sind =
deutsche=20
Wörter. Alle übrigen Wörter haben ihren Ursprung oder =
ihre Motivation in einer=20
anderen Sprache. Man bezeichnet sie als=20
Lehnprägungen:
=B7 vergangen ist eine Lehnübertragung aus dem lat. 'praeteritus'.=20
=B7 Freitag=20
ist eine Lehnübersetzung von 'veneris dies' (Freya statt Venus)=20
=B7 Großvater ist eine Lehnübertragung aus frz. 'grand-pêre'=20
=B7 Herzog=20
ist eine Lehnübersetzung von griech. 'stratelates' =
=B7 Rücksicht ist eine Lehnübersetzung von lat. 'respectus' =
(re>Rück,=20
spectus>Sicht)
=B7 Beschwerden hat seine übertragene Bedeutung nach 'gravamina'=20
=B7 Untertan ist eine Lehnübertragung von lat. =
?=20
=B7 Sitzung=20
ist eine Lehnprägung nach frz. 'session' =
=B7 Hauptstadt ist eine Lehnübertragung von 'capitale' =
=B7 teilnehmen ist eine Lehnübertragung von lat. 'participere'=20
Die Fremdwörter =
sind also so alt,=20
dass sie bereits vollständig ins Dt.e integriert sind, die =
grammatischen=20
Flexionen des Dt.en übernommen haben usf. Zur Ordnung in Gruppen=20
dient:
A. Diachrone, =
etymologische=20
Typologie nach Werner Betz
Die Ordnung kann in =
einem=20
Stammbaum dargestellt werden. Die Ordnungsprinzipien sind diachron und =
liegen in=20
der Etymologie der Wörter begründet. Vorrangig unterscheidet=20
man:
Lehnwörter > =
Fremdwörter und=20
assimilierte Lehnwörter
Lehnwörter ist der Oberbegriff für =
alle nicht=20
ursprünglich deutschen Worte. Fremdwörter sind Worte, =
die als Ganzes und=20
ohne gestaltliche Veränderungen aus einer anderen Sprache =
übernommen worden=20
sind. Assimilierte Lehnwörter sind fremde Wörter, die =
dem deutschen=20
Gebrauch, der deutschen Lautgestalt (Flexion etc.) angepasst sind. Es =
sind die=20
Lehnwörter im eigentlichen, engeren Sinn. Lehnprägungen sind =
in Anlehnung an=20
Fremdwörter gebildete Wörter:
Lehnprägungen =
> Lehnbildung=20
und Lehnbedeutung
Lehnbildung > =
Lehnformung und=20
Lehnschöpfung
Lehnformung > =
Lehnübersetzung=20
und Lehnübertragung
Bei der =
Lehnbedeutung=20
bekommt ein deutsches Wort eine neue Bedeutung nach Vorbild eines =
fremden=20
Wortes. Lehnbedeutungen treten oftmals bei Wörtern mit =
mythologischen=20
Bedeutungen auf, die durch das Christentum semantisch überformt =
wurden. Bsp.:=20
[Kluge (23)1995, S. XXII] lesen - urspr. auflesen, durch Kontakt =
mit lat.=20
legere > zusätzliche Bedeutung '(Schrift) lesen'; Gott - =
urspr.=20
Opfern, Gießen, später: aus Neutrum wird Masculinum > =
christlicher Gott;=20
Geist - urspr. außer sich sein (idg. gähnen); =
früher meinte man:=20
See - früher Zusammenhang mit See; Bindeglied zu neuer =
Bedeutung:=20
Wassergeister. aber: etymologisch nicht geklärt; Gnade - =
urspr.=20
Wohlwollen, später: christlicher Sinn.
Lehnbildungen scheidet man in Lehnformung =
und=20
Lehnschöpfung. Die Lehnschöpfung ist ein Wort, das nur =
durch das=20
Vorhandensein eines gegebenen fremdsprachigen Wortes entstehen kann. Ein =
neues=20
Lexem wird gebildet; allerdings nicht (wie bei Lehnformung) durch =
Übersetzung.=20
Beispielsweise ist Freistaat nicht ohne das Vorbild Republik =
denkbar.=20
Bsp.: Gesichtskreis für Horizont, Hochschule für =
Universität=20
[Universität bedeutet urspr. die Gesamtheit und Einheit der =
Lehrenden und=20
Studierenden], Kraftwagen für Auto, Morgenrock =
für Negligé,=20
Automobil als Kunstwort in Anlehnung an griech.-lat. Begriffe,=20
Fahrkarte für billet [heute: Ticket. Der Unterschied =
zwischen Ticket und=20
Eintrittskarte bzw. Fahrkarte scheint in der sozialen Sprachschicht zu =
liegen.]=20
Diese Wörter gäbe es nicht ohne die fremdsprachige=20
Vorlage.
Lehnformungen gliedern sich in =
Lehnübersetzungen und=20
Lehnübertragungen. Lehnübersetzungen sind Wörter, =
die durch ein=20
wörtliches Übersetzen eines fremden Wortes zustande kommen. =
Bsp.:=20
Jungfernrede von engl. maidenspeech =3D erste Rede eines =
Parlamentariers im=20
Parlament; Montag aus lat. dies lunae > vorahd. *mänin =
daga > ahd.=20
mana daga > mhd. mantag > nhd. Montag; Himmelreich - lat. =
regnum=20
coelorum; Fernsehen - engl. television; Freimaurer - ne. =
free=20
mason. Lehnübertragung meint, dass eine freiere=20
Teilübertragung/-übersetzung als bei der Lehnübersetzung =
vorliegt. Bsp.:=20
Halbinsel von lat. paeninsula (paen =3D 'fast', wird aber =
trotzdem mit=20
'halb' wiedergegeben); ahd. bücherfass aus lat. bibliotheka; =
Wolkenkratzer aus ne. sky scraper (eigentl.=20
Himmelskratzer).
Abschließend =
lässt sich=20
feststellen, dass diese diachrone Typologie sehr mühsam ist, weil =
sie genaueste=20
Kenntnisse der Sprachgeschichte des Deutschen, sprich v. a. der ahd. =
Texte=20
erfordert. Sie stammt bezeichnenderweise aus einer Zeit, während =
der sich die=20
Wissenschaft bes. mit diesen Texten auseinandergesetzt hat. Werner Betz =
stellt=20
sie ein einem Buch vor, worin er sich mit der ahd. =
Benediktinerregel=20
befasst. Interessanterweise wurde die Typologie vom Deutschen ins =
Englische=20
übernommen; eine wissenschaftliche =
Seltenheit.
B. Synchrone =
Einteilung nach=20
Peter v. Polenz: Fremdwort und Lehnwort sprachwissenschaftlich=20
betrachtet
Polenz stellt fest, =
dass die=20
häufig verwendete Einteilung in Fremdwort und Lehnwort nach der =
Anpassung oder=20
Nichtanpassung der Wörter an die deutsche Grammatik zu sehr =
ungewöhnlichen=20
Ergebnissen führen kann. Beispielsweise gelten Lexikon und =
Atlas=20
so gesehen als Fremdwörter, während Foliant als =
Lehnwort zu=20
klassifizieren wäre.
Er schlägt daher =
vor, folgende=20
(soziologische) Kriterien zu verwenden: Sprecher, Rezipient, =
Situation,=20
Sachbezug, Kontext, Stilfärbung und Bedeutung (im Verhältnis =
zu den anderen=20
Wörtern desselben Wortfelds). Bsp.: Im Vorwort zu Coseriu: =
Einführung in die=20
allgemeine Sprachwissenschaft (ähnliche Entstehungsgeschichte =
wie der=20
Cours de linguistique générale) betont der =
Redaktor, dass das Buch eine=20
Vereinfachung, aber keine Simplifizierung darstellt.=20
Simplifizierung wird abwertend gebraucht, was der lat. Herkunft des =
Wortes -=20
Latein gilt eher als Prestigesprache - entgegensteht. =
Möglicherweise resultiert=20
das negative Konnotat aus dem gebräuchlichen, lautlich und =
inhaltlich verwandten=20
Wort simpel. Entscheidend ist, dass der Unterschied im Bereich =
der=20
Konnotation(en) liegt, und dass praktisch alle Kriterien, die Polenz =
formuliert,=20
Relevanz besitzen. Der soziologische Fremdwortbegriff von Polenz =
erscheint somit=20
wesentlich brauchbarer als die diachrone Typologie nach=20
Betz.
#3, Mi., 29.03.2000, Hörsaal =
30 des Instituts=20
für Germanistik
[FORTSETZUNG VON =
I.=20
Begriffliches, B. Synchrone Einteilung]
Als Wiederholung der =
letzten=20
Stunde meint Schrodt, dass der diachrone Zugang wenig sinnvoll =
erscheint, da=20
dazu umfassende Kenntnisse der historischen Sprachwissenschaft und der=20
Etymologie notwendig sind und außerdem die Klassifikation eine =
sehr=20
ungewöhnliche sein kann, die nicht zwangsweise der =
tatsächlichen Verwendung der=20
Wörter entspricht. Daher noch einmal die wichtigsten Absätze =
aus Peter von=20
Polenz: Fremdwort und Lehnwort sprachwissenschaftlich betrachtet, =
die=20
Schrodt in der LV vorliest (Fettdruck nicht im =
Original):
"Die=20
herkömmliche Definition des Unterschiedes zwischen 'Fremdwort' und =
'Lehnwort'=20
nach dem formalgrammatischen Prinzip der graphischen, phonetischen und=20
flexivischen Angleichung ist unbefriedigend: Danach wären z. B. =
allgemein=20
gebräuchliche Wörter wie Lexikon und Atlas wegen =
ihrer besonderen=20
Pluralbildung 'Fremdwörter' und seltene Fachwörter wie =
Enzyklopädie oder=20
Foliant wegen ihrer normalen deutschen Pluralbildung =
'Lehnwörter'. Das=20
Fremdwort/Lehnwortproblem kann mit solchen äußerlichen =
Kriterien des Wortkörpers=20
nicht gelöst werden. Es kommt im gegenwärtigen Zustand einer =
Sprache vielmehr=20
darauf an, von wem ein Wort benutzt wird, gegenüber welchem anderen =
Sprachteilhaber, in welcher Sprech- oder Schreibsituation, mit welchem=20
Sachbezug, in welchem Kontext, mit welcher Stilfärbung und vor =
allem mit welcher=20
Bedeutung im Verhältnis zu den Bedeutungen der anderen Wörter =
des Wortfeldes, in=20
dem das entlehnte Wort seinen Platz gefunden hat. =
Der=20
ganze Fremd- und Lehnwortschatz bedarf in der Sprachwissenschaft ebenso =
wie in=20
der Sprachpflege einer neuen Gruppierung: einer synchronischen Zuordnung =
zur=20
Wortschatzstruktur des heutigen Deutsch. Einen solchen =
Gruppierungsversuch hat=20
im Jahre 1960 Leo Weisgerber in der Zeitschrift "Muttersprache" =
vorgelegt. Er=20
war damit der erste Fachwissenschaftler, der nach dem blamablen =
Niedergang des=20
deutschen Sprachpurismus, nach der hierauf eingetretenen Stille und nach =
der=20
Neugründung der Gesellschaft für deutsche Sprache in ihrer =
Zeitschrift zum=20
Fremdwortproblem grundsätzlich Stellung nahm. Er ging aber mit =
keinem Wort auf=20
die Gründe dafür ein, warum man in Deutschland und in der =
Sprachgesellschaft=20
seit 1937 in der Fremdwortfrage so zurückhaltend geworden war. So =
bleiben auch=20
seine methodologischen Folgerungen unbefriedigend, zumal er den Begriff=20
'Lehnwort' bewusst meidet. Zwar ist seine Wertungsskala von =
'schädlich' über=20
'hinderlich', 'fragwürdig', 'überflüssig', und 'neutral' =
bis zu 'nützlich',=20
'notwendig' und 'echte Bereicherung' eine erfreulich differenzierende =
Antwort=20
auf die nie verstummte Wertungsfrage der Sprachpfleger und =
'Sprachfreunde'; und=20
auf der positiven Seite seiner Skala sind seine semantischen Vergleiche =
zwischen=20
entlehntem Wort und seinen möglichen Entsprechungen im =
Erbwortschatz hilfreiche=20
Hinweise für eine angemessene Beurteilung des Lehnwortschatzes vom =
Inhalt her.=20
Das sind synchronische Antworten auf die synchronische Fragestellung.=20
Bei den=20
wichtigen Kategorien 'schädlich' und 'hinderlich' vermischt =
Weisgerber=20
jedoch Synchronie mit Diachronie und gibt fragwürdige Beispiele, =
die geeignet=20
sind, die Sprachpflege wieder auf die alten Irrwege zu locken. Nach =
allem, was=20
wir von der verführerischen Wirkung bestimmter Fremdwörter im =
politischen Leben=20
erfahren haben, und im Rückblick auf jene Diskussion über =
Propaganda,=20
Organisation, Garant, arisieren, Konzentrationslager, Sterilisation, =
die in=20
den ersten Nazijahren in der "Muttersprache" geführt und zum =
Schweigen gebracht=20
worden ist, sollte man erwarten, daß in die Kategorie =
'schädlich' Wörter=20
eingeordnet würden, die in der Kommunikationswirklichkeit Schaden =
angerichtet=20
haben oder noch heute anrichten können: =
vulgärwissenschaftliche Schlagwörter und=20
Tarnwörter, die vom größten Teil der Sprachgemeinschaft =
nicht oder nicht richtig=20
verstanden werden und die die begriffliche Klarheit in der =
öffentlichen Meinung=20
behindern. Statt dessen gibt Weisgerber Beispiele für eine recht=20
wirklichkeitsferne diachronische Schädlichkeit, indem er sich auf =
den alten=20
Grammatiker Schottel beruft, der gesagt habe, "daß eine einmal =
aufgegebene=20
Sprachwurzel für kein Gold der Erde wiedererworben werden kann". =
Und so hält=20
Weisgerber 'Fremdwörter' wie Onkel und Tante für =
'schädlich' :=20
"Wurzeln wie die von Oheim, Base haben unter der Wirkung fremder =
Wörter=20
(Onkel, Tante) ihre Lebenskraft verloren und werden nicht mehr =
aufgeweckt=20
werden." Wenn man aber bedenkt, daß die uralten Bezeichnungen =
für die=20
Elterngeschwister (Vetter und Base väterlicherseits, =
Oheim=20
und Muhme mütterlicherseits) zur Zeit des =
französischen=20
Spracheinflusses innerhalb des deutschen Wortschatzes längst =
etymologisch=20
isoliert, also in der Wortschatzstruktur genauso unmotivierte Lexeme =
waren wie=20
die entlehnten Onkel und Tante, und wenn man bedenkt, =
daß die alte=20
rechtliche Unterscheidung zwischen Verwandtschaft väterlicher- und=20
mütterlicherseits längst verfallen und jene altdeutschen =
Wörter seitdem in den=20
Mundarten in sehr unterschiedlicher, unklarer Bedeutung für mehrere =
Verwandtschaftsgrade verschiedener Generationen verwendet wurden, dann =
muß man=20
sich fragen, wer denn durch die Entlehnung von Onkel, Tante (und=20
Cousine) einen Schaden erlitten haben soll: Sicher nur die =
Sprache als=20
methodologische oder ideologische Abstraktion des diachronisch denkenden =
Sprachbetrachters, nicht aber die Sprachstruktur und die =
Sprachgemeinschaft. Man=20
könnte hier sogar von einem semantisch-sprachsoziologischen Nutzen =
der=20
Entlehnung sprechen: Man hatte wieder eine klare begriffliche Ordnung in =
diesem=20
Wortfeld: Statt der verfallenen Opposition=20
'väterlicherseits'/'mütterlicherseits' die neue Opposition =
'ältere'/'jüngere=20
Generation' (Onkel, Tante/Vetter, Cousine), und man hatte =
zudem=20
durch die Obernahme der höfisch-französischen Wörter ein =
sprachliches Mittel zum=20
gesellschaftlichen Aufstieg, ähnlich wie bei dem durchaus nicht =
'schädlichen'=20
Lehnwort Dame. Sehr viele alte Wortwurzeln sind im Laufe der=20
Sprachentwicklung untergegangen, und zwar aus bestimmten Ursachen; aber =
die=20
deutsche Sprache ist dadurch nicht ärmer geworden. Im Gegenteil: =
Sie hat dafür=20
Tausende neuer Wortstämme gewonnen, die sie zu einer =
leistungsfähigen, feiner=20
differenzierenden modernen Kultursprache gemacht haben. - Mit welchem =
Recht also=20
darf der Sprachpfleger der Sprachgemeinschaft die 'Schädlichkeit' =
von=20
Lehnwörtern wie Onkel und Tante glaubhaft machen?=20
Für=20
'hinderlich' hält Weisgerber Fremdwörter, die "dem Entstehen =
einer einheimischen=20
Bildung im Wege stehen". Er hält es für nicht unbillig zu =
verlangen, dass die=20
ständig neu entstehenden Industrieerzeugnisse "wenigstens in ihrem =
Ursprungsland=20
auch mit einheimischem Sprachgut vorgestellt würden. Nicht nur =
wegen der=20
Echtheit des geschichtlichen Bildes, sondern auch um die Aufgabe der =
Prägung=20
neuer Wörter auf viele Sprachen zu verteilen, dort wo man jetzt zu =
pseudoantikem=20
Gut oder zum Abkürzungswort greift". Diese Forderung mag ihre =
Berechtigung haben=20
gegenüber Warenbezeichnungen mit Wörtern aus modernen =
Fremdsprachen. Aber die=20
"Echtheit des geschichtlichen Bildes" sollte man hier lieber ganz =
beiseite=20
lassen, denn Sprache ist nicht für die Geschichte da, sondern =
für die legitimen=20
Bedürfnisse der Sprecher, beispielsweise für die Benennung =
des Produkts mit=20
den sprachlichen Mitteln, die dem Produzenten die =
größtmögliche Werbewirkung und=20
dem Käufer die größtmögliche sprachsoziologische =
Kommunikationsbreite über=20
Sprachgrenzen hinweg bieten. Es ist eher eine Verfälschung des =
geschichtlichen=20
Bildes, wenn man als Sprachwissenschaftler Tausende neuer =
Wortstämme und=20
Wortbildungsmittel, die sich Wissenschaftler, Techniker und andere =
Fachleute in=20
vielen Kulturländern seit zwei Jahrhunderten für die =
sprachliche Erschließung=20
ihrer vielfältigen neuen Sachwelt zu eigen gemacht haben und die =
nun einen=20
wesentlichen Bestandteil des einzelsprachlichen und großenteils =
internationalen=20
Fach- und Sachwortschatzes darstellen, noch heute mit dem =
etymologisierenden=20
Begriff "pseudoantikes Gut" abwertet. Die Entlehnung und produktive =
Anwendung=20
von Wortstämmen aus antiken Sprachen ist eine kulturgeschichtliche =
Leistung der=20
europäischen Völker, die weder der Antike noch der Moderne =
Unrecht tut."=20
Ein Beispiel für =
die legitimen=20
Bedürfnisse wäre die Geschäftsbezeichnung "casual =
wear". Sie signalisiert=20
den Sprachteilnehmern, dass der Laden für ein bestimmtes Publikum, =
nämlich=20
junge, jugendliche Leute, bestimmt ist. Das heißt für =
Personen fortgeschrittenen=20
Alters: "Ich darf nicht hinein".
Nach Habermas' =
Theorie der=20
idealen Sprechsituation verstößt diese Ausgrenzung =
natürlich gegen die Regeln=20
des gleichberechtigten Diskurses. Doch ob gut oder schlecht, =
Nicht-Kommunikation=20
gehört nun einmal zum Alltag und kann nicht von der Wissenschaft =
ignoriert oder=20
geleugnet werden. Ein Paradebeispiel für gewollte =
Nicht-Kommunikation wäre das=20
Nicht-Übernehmen und Nicht-Annehmen von bestimmten politischen=20
Kommunikationsformen. Die Abgrenzung im sprachlichen Bereich der Politik =
erfolgt=20
durch andere Begriffe usf. Zurück zu Polenz:
"Mit=20
solcher historistischen und unsoziologischen Sprachbetrachtung, wie sie=20
Weisgerber hier - entgegen seiner sonstigen Methodik - passiert ist, =
können der=20
Sprachpflege jedenfalls keine neuen, besseren Wege gezeigt werden. Die=20
synchronische Frage nach Wert oder Unwert bestimmter Wörter in =
einem gegebenen=20
Sprachzustand erfordert - bevor man Wertungen wagen kann - eine =
synchronische=20
Gruppierung des Wortschatzes dieses Sprachzustands. Man sollte dabei =
nicht=20
gleich damit beginnen, die entlehnten Wörter in die semantische =
Struktur des=20
Gesamtwortschatzes einzuordnen, denn diese semantische Struktur =
existiert nur in=20
der summierenden Abstraktion des Wörterbuchs. Im Sprachleben =
handelt es sich=20
vielmehr um verschiedenartige semantische Teilsysteme im Sprachbesitz =
bestimmter=20
sprachsoziologischer Gruppen und im Sprachgebrauch bestimmter Arten von=20
sprachstilistischen Situationen. Es ist ja gerade ein wesentliches =
Merkmal=20
vieler aus fremden Sprachen entlehnter Wörter, dass sie von =
bestimmten=20
Sprachteilhabern und in bestimmten Redesituationen nicht oder nicht =
richtig=20
verstanden werden. Die Ursache dafür ist aber nicht so sehr die =
fremdsprachliche=20
Herkunft dieser Wörter oder ihrer Bestandteile, sondern ihre =
sprachsoziologisch=20
und stilistisch gebundene Geltung; solche Geltungsmerkmale teilen diese=20
sogenannten 'Fremdwörter' mit vielen sogenannten 'Erbwörtern', =
so dass das=20
Herkunftskriterium gegenstandslos wird."
Also geht es um =
semantische=20
Teilsysteme. Interessant ist nicht die Herkunft des Fremdworts, =
sondern die=20
Kausalkette, die zum Gebrauch des Fremdworts =
führt.
II. Lauf durch die =
Geschichte=20
des Fremdworts
A. Exkurs: Stadien =
der=20
deutschen Sprache
1. Einteilung der =
Entwicklung=20
des Deutschen
Die Modelle, die die=20
Sprachwissenschaft anbietet, sind oft unterschiedlich oder sogar=20
widersprüchlich. Schrodt präsentiert folgende Möglichkeit =
einer=20
Periodisierung:
Am Anfang steht das=20
Indogermanische - als Einzelsprache oder als Ansammlung von Dialekten. =
Zeitlich=20
kann es nicht fixiert werden. Ein paar Jahrtausende auf oder ab spielen =
keine=20
Rolle. Um 500 v. Chr. spricht man von Germanischen Stammessprache(n), =
darunter=20
das Westgermanische. Dieses unterteilt sich wieder in Friesisch, =
Englisch,=20
Niederländisch, Niederdeutsch. Von dem Modell eines einheitlichen =
Westgermanisch=20
hat man Abstand genommen, da es sich vermutlich eher um einzelne =
Dialekte=20
gehandelt hat. Als Vorläufer der deutschen Stammessprachen =
können das Bairische=20
und das Alemannische gelten.
Ab ca. 500 n. Chr. =
finden sich=20
die ältesten Zeugnisse der deutschen Sprache. Sie wird weiters =
unterteilt in das=20
Frühalthochdeutsche (600-750; vorschriftliche Denkmäler =3D =
Namen, einzelne Wörter=20
in lat. Texten), das Althochdeutsche (750-1050); dieses wird durch die=20
Abschwächung der Nebensilben (Bsp.: haban > haben) =
- ein=20
beliebiges Kriterium - in einer Übergangszeit (1050-1150) ohne =
wesentliche=20
schriftliche Zeugnisse zum Mittelhochdeutschen (1150-1350; früher =
meinte man:=20
bis 1500); dem folgt 1350-1650 das Frühneuhochdeutsche, das sich =
vom Mhd. durch=20
Monophthongierung und Diphthongierung abgrenzt (hûs > =
haus),=20
woran endlich das Neuhochdeutsche anschließt. Um 1900 setzt man =
eine weitere=20
Teilung an, die sich in der Normierung der Rechtschreibung =
begründet, die=20
natürlich eine Normierung der Aussprache (Siebs), der Grammatik =
usf. nach sich=20
zog.
Schrodt bemerkt noch, =
dass solche=20
systemimmanente Kriterien, die Entwicklungsstufen trennen, durch=20
außersprachliche, systemtranszendente Kriterien bedingt sind. =
Letztere sind als=20
Erklärungen von Interesse für die Sprachgeschichte. Bsp.: 19. =
Jh.: von feudalem=20
System zu Zentralismus > Normierung der Sprache in=20
Wörterbüchern.
2. Das=20
Indogermanische
Zu den Indogermanen =
bzw. deren=20
Urheimat gibt es verschiedenste Theorien. Meist wird angenommen, dass =
ihre=20
Heimat in den Steppen Asiens lag. Rückschlüsse auf die =
Örtlichkeit des=20
vielleicht sogar imaginären Urvolks beziehen sich nur auf die =
konstruierten=20
idg.en Wörter. Daraus ergibt sich ein bestimmtes Kontingent an =
Werkzeugen etc.,=20
das die Lebenssituation erahnen lässt. So kannten die Indogermanen =
Ausdrücke=20
für: Viehzucht, Pferd (als Reittier), Großfamilie; [jedoch =
kein Wort für Baum].=20
Heute wird manchmal vermutet, die Indogermanen wären aus Litauen. =
Auch der=20
Ursprungstheorie des Indogermanischen als Ursprache stehen viele=20
Forschermeinungen entgegen. Möglicherweise gab es nur einen =
Sprachbund von=20
verschiedenen Dialekten/Sprachen. Ein Indiz, welches diese These =
bestärkt, ist=20
das Hethitische. Diese Sprache scheint wesentlich älter zu sein als =
die übrigen=20
vom Indogermanischen abstammenden Sprachen. Es ist eher dem =
Indogermanischen als=20
gleichwertig anzusehen. (Diese Überlegungen begründen sich im =
komplexen=20
Vokalsystem des Hetitischen.)
Außerdem gab es =
vermutlich=20
bereits im 2. Jt. v. Chr. alteuropäische Sprachformen, z. Bsp. im =
italienischen=20
Raum. Ob bzw. wie zu dieser Zeit die Sprachen einander beeinflussten, =
kann auf=20
Grund mangelnder Zeugnisse nicht erschlossen =
werden.
B. Wien und der =
Wein=20
oder: Das "älteste" Fremdwort
Natürlich kann =
nicht von=20
dem ältesten Fremdwort die Rede sein, doch die Etymologie =
von Wein=20
sollte zumindest eine sehr alte Variante einer Entlehnung zeigen. =
Schrodt holt=20
weit aus und startet einen geschichtlichen Exkurs zur Stadt=20
Wien:
Um 2000 v. Chr. gab =
es diese=20
Stadt freilich noch nicht, doch es lebten bereits Menschen in diesem =
Raum. Die=20
Population ist schon für die letzte Eiszeit (endet ca. 8000-10000 =
v. Chr.)=20
"belegt" durch die Funde von Mammutknochen, die Spuren eines durch =
Jäger=20
herbeigeführten, gewaltsamen Todes aufweisen. In Ausgrabungen in =
Döbling (am=20
Hungerberg) fand man Werkzeuge aus der Jungsteinzeit (ab 9000 v. Chr.). =
Man=20
spricht von der Donauländischen Kultur.
Gegen Ende des 3. Jt. =
v. Chr.=20
dringen wehrhafte Bauern aus dem Norden in den Wiener Raum ein. Sie =
bringen die=20
Streitaxt mit, was durch Grabfunde (Zieräxte) belegt ist. Man geht =
davon aus,=20
dass dieses Volk die Indogermanen waren. Nach der gängigen =
Fachmeinung haben=20
sich diese beiden Völker friedlich vermischt, da auch die =
Grabbeigaben=20
kulturelle Artifakte beider Volksgruppen enthalten. Eine weitere =
bedeutende=20
archäologische Fundstelle befindet sich in Ober St. Veit. Die =
Hügelgräber=20
erinnern aber bereits an die beginnende Hallstätter=20
Kultur.
Während des 3. =
Jh.s v. Chr.=20
besiedeln die Kelten das Gebiet, die ca. um Christi Geburt von den =
Römern=20
verdrängt werden. Unter den Römern entsteht nun Wien als =
Vindobona;=20
Schrodt ist sich bzgl. der Aussprache des Namens nicht sicher, denn der =
Name=20
stammt eigentlich aus dem Keltischen, wurde allerdings von den =
Römern in ein=20
lateinisches Gewand gesteckt.
Doch nun zum =
Wein.=20
Die Etymologie scheint auf den ersten Blick klar zu sein: Aus lat. =
vinum=20
und ahd. win lässt sich auf idg. *nei =
schließen, was der Wurzel=20
für 'drehen' entspricht; die Weinranke dreht sich um einen Stamm o. =
Ä. als=20
Erklärung. Doch diese Erklärung ist falsch, denn in Europa gab =
es zu dieser Zeit=20
gar keinen Wein. Der Ursprung des Wortes muss in einer anderen Sprache =
(weil in=20
einem anderen Gebiet) liegen. Da zu dieser Zeit der Weinbau =
wahrscheinlich im=20
südlichen Kaukasus und in den Mittelmeerländern betrieben =
worden ist, bietet=20
sich ein georgisches Wort als Erklärung der Etymologie von =
Wein an:=20
georg. gwino wird als Fremdwort übernommen. Doch auch diese =
Theorie ist=20
nicht gesichert.
So kann man freilich =
nicht vom=20
absolut ältesten, aber sicherlich von einem der ersten =
Fremdwörter sprechen, das=20
mit gewisser Sicherheit als solches erkannt werden =
kann.
#4, Mi., 05.04.2000, Hörsaal =
30 des Instituts=20
für Germanistik
Eine tschechische =
Dozentin aus=20
Olmütz, die in der Ausbildung von Pädagogen tätig ist =
und linguistische=20
Forschungen auf dem Gebiet der Jugendsprache und Pädagogik =
betreibt, hält einen=20
Vortrag über das Fremdwort im Tschechischen. Sehr häufig =
schweift sie vom=20
eigentlichen Thema ab und verfällt in das Berichten von ihren =
eigenen=20
Forschungen. Kaum etwas Wesentliches wird gebracht, keine =
Erklärungsversuche=20
oder detaillierte Beschreibungen zur Fremdwortproblematik werden =
unternommen.=20
Zwei Handouts.
#5, Mi., 12.04.2000, Hörsaal =
30 des Instituts=20
für Germanistik
[Fortsetzung von: =
II.=20
Geschichte des FW, B. WIEN UND DER WEIN]
Als Überleitung =
fasst Schrodt=20
zusammen: Das Indogermanische ist um 2000 oder noch länger v. Chr. =
anzusetzen.=20
Das Wort Wein ist vermutlich eine Entlehnung aus dem Georgischen. =
Der=20
Stadtname vindobona ist die römische Version eines =
keltischen Wortes:=20
kelt. vindo- 'weiß', bo& n- vermutlich (lt. Birkhan) eine keltische =
Wurzel=20
für Lichtung/Abholzung; vgl. idg. *bhen; vgl. die deutsche =
Stadt Bonn.=20
Vgl. andere Ortsnamen mit -reut, das Rodung=20
bedeutet.
C. SUBSTRATE und=20
Adstrate
1. Was ist ein=20
Substrat?
Vor dem =
Indogermanischen dürfte=20
es in Europa eine andere Sprache gegeben haben. Beim Kontakt mit dem=20
Indogermanischen sind diese Sprachen größtenteils =
verdrängt worden. Nur geringe=20
Teile dieser Substrat-Sprachen scheinen in die Superstrat-Sprache =
Indogermanisch=20
Eingang gefunden zu haben. Vermutlich waren diese Sprachen: Ligurisch,=20
Etruskisch usf. Ob das tatsächlich so stimmt, ist völlig =
unklar und sehr=20
umstritten.
In naher Zukunft wird =
im Internet=20
eine Liste mit den wichtigsten Beispielen abrufbar sein. (Dies =
gilt auch=20
für die weiteren Kapitel.) Hier werden daher nur einige Wörter =
aufgezählt:=20
Gämse, Lawine, Brente (=3D ein Gefäß zum =
Milchtransport, verwendet in den=20
Alpen; eines der am wenigsten umstrittenen Substrate), Senner und =
Sennerin, Spanferkel, Fön. Die Quintessenz der Beispiele =
ist: (1)=20
Substrate sind Wörter, die sich nicht ohne Probleme auf idg. =
Wurzeln=20
zurückführen lassen, weshalb man ihre Herkunft anderwertig zu =
erklären versucht.=20
(2) Im Lauf der Jahrhunderte und Jahrtausende haben sich verschiedenste=20
Sprachschichten überlagert (Keltisch, Etruskisch, Urgermanisch=20
etc.).
Die =
Substratwörter lassen sich=20
verschiedenen, abgegrenzten Lebensbereichen zuordnen. Es sind =
dies=20
Bezeichnungen für Tiere und Pflanzen, Termini der alpinen =
Wirtschaft, der=20
Seefahrt usf. Doch auch manche Ortsnamen sind offenbar unter =
Substrat-Einfluss=20
entstanden. Bsp.: Tauern, Zirl und Tirol (selbe =
Etymologie;=20
Unterschied nur dadurch, dass Zirl von der zweiten =
Lautverschiebung=20
verändert worden ist.)
2. Exkurs:=20
Substratforschung
Die Substratforschung =
ist=20
wissenschaftlich nur wenig angesehen. Die Gründe dafür sind =
vor dem Zweiten=20
Weltkrieg zu suchen: Substratforscher waren zumeist jüdischer =
Abstammung und=20
mussten zur Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft den =
deutschsprachigen=20
Raum verlassen. Nach dem Krieg hat sich die Substratforschung nicht =
wieder=20
erholt.
Momentan erlebt diese =
Disziplin=20
wieder einen gewissen Aufschwung, u. a. durch den Münchner =
Sprachwissenschaftler=20
Vennemann. Er versucht, Substrate auf Kontakte mit dem Baskischen (die =
isolierte=20
Sprache Europas, die keine Ähnlichkeiten zu irgendwelchen anderen =
Sprachen=20
aufweist) zurückzuführen. Seine Artikel finden sich meistens =
in der von ihm=20
mitherausgegebenen Zs. Sprachwissenschaft.
Ein weiterer, bereits =
verstorbener Wissenschaftler, der sich intensiver mit Substratforschung=20
beschäftigt hat, war Hans Kuhn. Er vermutete, dass sprachliche =
Reste einer=20
idg.en Sprache, die in NW-Deutschland (Westfalen) anzusiedeln wäre, =
als=20
Substrate die heutigen europäischen Sprachen beeinflusst =
hätten. Diese Einflüsse=20
sollten gewisse Ungereimtheiten der Sprachgeschichte erklären =
helfen.=20
Beispielsweise dürfte es im Idg.en kaum Wörter mit b- =
als anlautendem=20
Konsonanten gegeben haben. Also dürfte es also im Germanischen =
keine oder nur=20
wenige Wörter mit p- im Anlaut geben. Dem ist aber nicht so =
(Pflug,=20
Pflicht, pflegen, ne. play). Diese Wörter stammen daher =
mit großer=20
Sicherheit nicht aus dem Germanischen. Ebensowenig dürften sie dem =
Keltischen=20
entlehnt sein, da im Keltischen das p- ohnehin komplett =
verschwunden ist.=20
Weitere Beispiele: siehe Internet; lat. palma 'flache Hand', mne. =
pors 'Gargelstrauch', ndd. prüsten, furzen =
<=20
purten, Penis < pesel, Fut < =
put,=20
paderborn < Pader (Fluss Po), Federsee (in =
Schwaben).=20
Diese Auffassung wird gerne als NW-Block bezeichnet und von einigen=20
Sprachwissenschaftlern strikt abgelehnt.
3. Entlehnungen =
aus dem=20
Keltischen - Adstrate
Die Entlehnungen aus =
der=20
keltischen Sprache werden nicht als Substrate, sondern als Adstrate =
bezeichnet,=20
weil sie als Sprachgut einer eigentlich (kulturell, sozial) =
überlegenen=20
Volksgruppe in die Sprache eines weniger weit entwickelten Volkes =
eindrangen.=20
Beispiele (siehe wieder Internet) wären: kelt. *dunos =
'Burg', 'Stadt'=20
> ne. town, kelt. *riks > Reich, Amt =
<=20
kelt. amb-aktos 'Krummgeschickter', 'Diener' (idg. Wurzel =
vorhanden;=20
aber: Lautform vom Keltischen beeinflusst). Weiters stammen viele =
Wörter aus dem=20
Hüttenwesen aus dem Keltischen: Eisen < vgl. air. =
iarann,=20
Brünne 'Harnisch für Hals und Brust' - vgl. air. =
bruinne,=20
Lot 'fließendes Metall' < vgl. mir.=20
lúaide.
D. Lateinische =
Einflüsse -=20
ERSTE UND ZWEITE LATEINISCHE Welle
Die lateinischen =
Einflüsse auf=20
die germanischen Sprachen vollzogen sich in erster Linie in drei sog.=20
"lateinischen Wellen". Die Erste lateinische Welle wird in etwa mit dem =
Zeitraum=20
der Zweiten Lautverschiebung gleichgesetzt (50 v. Chr. - 500 n. Chr.); =
die=20
Zweite lateinische Welle kann ungefähr mit 500 - 800 n. Chr. =
umschrieben werden;=20
die Dritte lateinische Welle bezeichnet die spätlateinischen =
Einflüsse in der=20
Zeit des Humanismus.
1. Die "Erste =
lateinische=20
Welle" (ca. 50 v. Chr. - 500 n. Chr.)
Der Kontakt zwischen =
Römern und=20
Germanen findet hauptsächlich durch die Romanisierung Galliens am =
Niederrhein,=20
an den Flüssen Mosel und Maas, statt. Kultur- und =
Verwaltungszentrum ist die=20
Stadt Trier. Weitere Kontakte passieren an der Donau, am Oberrhein und =
im=20
Alpengebiet. Die Verbindungen im Alpengebiet sind jedoch sehr =
spärlich, weil die=20
Alpen-Barriere auch den Sprachkontakt und -austausch be- oder sogar =
gänzlich=20
verhindert. Der Kontakt bewirkt einen immensen Kulturumbruch bei den=20
germanischen Völkern. Aus dem neuen Vokabular geht hervor, dass =
auch vielerlei=20
Tätigkeiten von den Römern auf die Germanen übergingen. =
Z. Bsp. ausgeklügelterer=20
Hausbau, besser strukturierte Verwaltung usf. (s. u.). Die Entlehnungen =
der=20
ersten lateinischen Welle werden noch von der Zweiten Lautverschiebung =
und dem=20
i-Umlaut verändert. Sie geschehen daher noch in gemeingermanischer =
Zeit. Die=20
übernommenen Wörter lassen sich wieder bestimmten Bereichen =
zuordnen. Diese=20
sind: Hausbau (mit Stein), Gemüse und Obst, Weinbau, Handel, =
Zeiteinteilung,=20
Kochkunst, Küche, Tiere, Verwaltung und Recht und christlicher=20
Glauben.
Beispiele (siehe =
Internet):=20
Hausbau: Die Häuser der Germanen waren aus Holz und Lehm =
(Pflöcke in Erde=20
geschlagen > Holzgeflecht > mit Lehm verschmiert). Sie erlernen =
die Kunst=20
des Hausbaus mit Steinen von den Römern und übernehmen etliche =
Wörter wie=20
Wand, Fenster, Ziegel < ahd. ziagal, lat. =
tegula, Kalk, Mauer, Keller < lat. cellarium,=20
Pfeiler < lat. pillarium. Obst und Gemüse: =
Kirsche,=20
Pflaume, Pfirsich, Kohl, Rettich, Kürbis, Senf, Minze. =
Weinbau:=20
Wein, Winzer, Kelter, Trichter, Kelch, Most; besonderes Interesse =
verdienen folgende vier Begriffe: Kelter < lat. calcare =
'mit=20
der Ferse treten', lat. calcatura 'das Keltern', Trotte =
'Kelter' -=20
Lehnübersetzung aus lat. calcatura zu lat. calcare, =
Torkel=20
< mlat. torcula zu lat. torcular, torculum 'Presse' zu=20
torquere 'drehen', Presse < mlat. pressa zu lat. =
premere 'drücken, pressen'; NB: verschiedene =
Entlehnungsschichten bei=20
Kelter und Trotte. Handel: Markt, Kiste, Sach, =
Zins,=20
Zoll, Münze, Pfund. Tiere: Esel, Maultier, =
Saumtier.=20
Kochen: Küche, Koch, Kessel, Schüssel, Pfanne, =
Becken.=20
Verwaltung und Recht: Kaiser < lat. Caesar, Kerker,=20
Kette. christliche Mission: Schreiber < =
scriban <=20
scribare, Tinte < tincta.
Zu dieser Zeit findet =
auch ein=20
Sprachkontakt im süddeutschen Raum mit dem Gotischen statt=20
(Wulfila-Bibel). Wörter sind beispielsweise Pfaffe, =
Pfarre, Engel,=20
Teufel. Der Ursprung der gotischen Wörter liegt im =
Griechischen. Bsp.:=20
Pfaffe < gr. páppas 'ehrwürdiger Vater, =
Papst'. Weitere=20
Beispiele: bair. Ergetag 'Dienstag', Pfinstag =
'Donnerstag',=20
Kirche, Bischof. Vermutlich gelangten diese frühen =
christlichen=20
Lehnwörter von den Goten (dem ersten germanischen Stamm, der zum =
Christentum=20
konvertierte) über die Bayern in das Rheingebiet. Der Kontakt =
könnte jedoch auch=20
durch die Römer erfolgt sein.
2. Die "Zweite =
lateinische=20
Welle (ca. 500 - 800 n. Chr.)
Dieser Kontakt ist =
geprägt durch=20
die angelsächsisch-fränkische Mission. Dementsprechend fallen =
die Lehnwörter=20
großteils in den liturgischen Bereich. Bsp.: Priester, Probst, =
Pfründe,=20
Küster, Dom, Münster, Kapelle, Kloster, Abt, Mönch, =
Nonne, Prälat (=3D=20
Klosterwesen), Beichte < ahd. bi-jiht (jehan =
'sagen';=20
daher eine Lehnübersetzung aus lat. confessio), =
Gewissen < lat.=20
conscientia (Lehnübersetzung), Samstag < ntl-gr. =
sábbton=20
< hebr. sabbat=3D (andere Formen: Satertag <=20
Lehnübersetzung von lat. Saturni dies, Sonnabend < =
Lehnübersetzung).
E. =
Französische Einflüsse=20
während der höfischen Zeit (1150 - 1250)
Das ständige =
Bestreben der=20
deutschen Höfe, dem französischen Ideal zu entsprechen, =
evoziert auch viele=20
sprachliche Entlehnungen. Das ideale Rittertum bzw. die Idee vom idealen =
Rittertum wird zuerst im altprovenzalischen Minnesang betont. Über =
das nördliche=20
Altfranzösisch gelangt die neue Vorstellung von Gesellschaft in den =
deutschsprachigen Raum. Der rege Kulturaustausch passiert durch Reisen,=20
Festlichkeiten etc.
Wieder lassen sich =
verschiedene=20
Bereiche unterscheiden, denen besonders viele Entlehnungen zugeordnet =
werden=20
können (siehe wieder Internet): Geselligkeit: amies, =
amie=20
'Geliebte(r)', prisant 'Geschenk', Tanz, Reigen, joie =
'Freude',=20
Schalmei, Posaune. Kampf und Ritterspiel: Turnier, =
Jost=20
'Zweikampf', Lanze, gabilôt 'kleiner Wurfspieß', =
turnzûne=20
'abgebrochenes Speerstück', Prinz, Baron, chevalier =
'Ritter'.=20
Kleidung: Collier. Wohnung: Kastell, Kastellan,=20
Erker 'Schießscharte'. Handel: Juwelen, Rosine, =
Safran.=20
Verben: logieren, regieren, parlieren (später zu =
Polier!),=20
turnen, feien. Adjektiva: fein, rund. =
Suffixe:=20
-ie > ei (Bsp.: Fischerei, Zauberei), -lei =
(Bsp.:=20
Vielerlei, Allerlei). deutsche Wortbildungen: z. Bsp. =
Amourschaft.=20
Lehnbedeutung: höfisch < courtois, =
knappe (NB:=20
unverschobene Verschlusslaute). Roß < mhd. =
ros, ors < ahd. (h)ros, as. hros aus g. *hrussa- =
n. auch:=20
afr. hors, hars, hers.
Als Abschluss der VO =
liest=20
Schrodt einen Auszug aus dem Meier Helmbrecht vor (V. 599-648 in =
der=20
Ausgabe: Wernher der Gärtner: Meier Helmbrecht. Versnovelle =
aus der Zeit=20
des niedergehenden Rittertums. Übertragen von Johannes Ninck. - =
Stuttgart:=20
Reclam 1952. (=3D RUB. 1188.)). Darin wird der heimkehrende Sohn von =
Vater,=20
Mutter, Schwester und Knecht nicht erkannt, weil er eine andere Sprache =
spricht.=20
In späterer Folge des Werkes wird diese Szene ein triftiger Grund =
sein, warum=20
Helmbrecht nicht wieder zu Hause aufgenommen wird. Daher: Meier=20
Helmbrecht, "das erste sprachpuristische Werk"=20
(Schrodt).
#6, Mi., 03.05.2000, Hörsaal =
30 des Instituts=20
für Germanistik
[Fortsetzung von =
II. Lauf=20
durch die Geschichte des Fremdworts]
F. =
Frühbürgerliche=20
Zeit
Ab Mitte 13. Jh. ist =
ein Rückgang=20
des Rittertums und der damit verbundenen Kultur festzustellen. =
Gleichzeitig=20
verliert sich auch der französische Einfluss auf den dt. =
Sprachraum, die=20
Entlehnungen nehmen ab und die zuvor übernommenen Fremdwörter =
verschwinden z. T.=20
wieder aus dem dt. Sprachgebrauch bzw. aus der dt. Dichtung. Wenn es zu=20
Neuentlehnungen kommt, so sind diese keine frz. Wörter mehr. Es =
zeigt sich sogar=20
eine Tendenz zur Verspottung und Geringachtung des im Rittertum =
verehrten=20
Französisch.
Die Bezeichnung =
dieses Abschnitts=20
der dt. (Sprach)Geschichte als Frühbürgerliche Zeit =
geht auf Peter von=20
Polenz zurück. Er begründet sie mit dem steigenden Einfluss =
des Bürgertums, das=20
zur kulturtragenden Schicht emporsteigt. Weiters kommt es zu einer=20
Osterweiterung des dt. Sprachgebiets, größere Städte =
entstehen, Handel und=20
Verkehr nehmen zu. Damit einher geht eine verstärkte =
Schriftlichkeit: Während=20
sie zuvor von der Geistlichkeit und dem Adel (meist als Gönner o. =
Ä.) dominiert=20
worden ist, bedienen sich nun auch Bürger (also Kaufleute, =
Handwerker usf.) des=20
Mediums Schrift. Bildung und literarische Tätigkeit sind nicht mehr =
Vorrecht des=20
Adels und der Kirche. In den Dichtungen des Bürgertums treten =
verstärkt=20
mundartliche Merkmale hervor, weshalb diese Texte teils schwieriger zu =
lesen=20
sind als mhd. Texte aus der Zeit des Rittertums. Denn die Dichter des =
Rittertums=20
versuchten, mundartliche Elemente möglichst auszuklammern und =
entwickelten in=20
ihren Werken übermundartliche Züge. (Die frühere =
Forschung sprach von einer mhd.=20
Dichtersprache.)
Auch die Rezeption =
der Literatur=20
wandelt sich: Der mündliche Vortrag wird tendenziell von dem Lesen =
verdrängt.=20
Bzgl. des Wortschatzes werden mhd. Wörter teilweise durch neue =
ersetzt; so etwa=20
dicke > oft, michel > groß, =
höfesch=20
> hübsch. Neue (meist volkstümliche) Literaturformen =
entstehen:=20
Volksschauspiel, Volksbühnen, Historien, Schwänke, Legenden u. =
a.
Im liturgischen =
Bereich dominiert=20
jedoch nach wie vor das Latein als amtliche Sprache der Kirche. Bis =
heute=20
erhalten haben sich daher die biblischen Termini Absolution, Diakon, =
Chor,=20
Sakristei, Talar, Testament usf. In der zweiten Hälfte des 15. =
Jh. untersagt=20
der Mainzer Erzbischof die Bibelübersetzung, da die dt. =
Übersetzung nie die=20
gesamte Tragweite des Werkes transportieren könne. Damit =
bestärkt er sowohl die=20
Vormachtstellung des Lateinischen als auch die der des Lateins=20
mächtigen.
G. Humanismus - =
"Dritte=20
lateinische Welle"
Die frühesten =
humanistischen=20
Tendenzen machen sich in Italien bemerkbar. Der eigentliche =
Frühhumanismus=20
beginnt jedoch in Wien. Als bedeutende Persönlichkeit ist Enea =
Silvio=20
Piccolomini zu nennen, der 1437 im Dienst des Kaisers nach Wien kommt. =
Er wird=20
später als Pius II. Papst werden. Zentren des Humanismus in der =
zweiten Hälfte=20
des 15. Jh. sind Straßburg, Basel und v. a. Heidelberg. =
Während des Humanismus=20
wird das Deutsche vielfältig durch andere Sprachen beeinflusst und=20
modifiziert:
1. Latein (und=20
Griechisch)
Das Latein ist =
die=20
Sprache der Humanisten. Zudem ist sie institutionalisiert als Sprache =
der=20
Verwaltung und der Rechtssprechung, wodurch sie über die =
Jahrhunderte erhalten=20
blieb. In der Literatur erlebt das Latein im 15. Jh. einen =
Höhepunkt. Um 1500=20
sind 90 Prozent der Bücher in lat. Sprache abgefasst, 1570 sind es =
immerhin noch=20
70 Prozent. (1680 beträgt der Anteil nur noch 50 Prozent und sinkt =
in der Folge=20
weiter auf 28 Prozent 1740 und 17 Prozent 1770.) Latein dient als=20
Unterrichtssprache und wird für die gebildete Schicht beinahe eine =
zweite=20
Muttersprache. (NB: Bis zur Jahrhundertwende 19./20. Jh. finden sich in =
Wien=20
vereinzelt lateinische Dissertationen!) Mit der Einführung des =
Latein als=20
Gelehrtensprache grenzt sich die gebildete Schicht (homines =
literati) von=20
den Ungebildeten (homines illiterati) ab. Die Sprache dient der =
sozialen=20
Differenzierung und als Prestigesymbol.
Die intensive =
Beschäftigung mit=20
und Hochstilisierung des Latein(s) motiviert aber auch eine große =
Anzahl von=20
Übersetzungen aus dem Lateinischen ins Deutsche, um den =
ungebildeten=20
Nichtlateinern die humanistischen Grundideen zu vermitteln. Je nachdem =
ob die=20
jeweilige Übersetzung eine sinngemäße (de sensu) =
oder eine wörtliche=20
(de verbo) ist, entstehen aus den lat. Fachtermini =
Lehnwörter (lat.=20
Wörter werden samt Flexion übernommen, also eigentlich =
Fremdwörter nach Polenz)=20
oder Lehnübersetzungen. Teilweise kommt es zu Zwillingsformen wie =
Red -=20
Oration. Wegen der grundsätzlichen Annahme der Wortarmut und =
der=20
sprachlichen Schwäche des Deutschen sowie der Tendenz zur =
Originaltreue=20
überwiegt die wörtliche Übersetzung. Auch der Satzbau des =
Lateinischen wird z.=20
T. auf das Deutsche übertragen. Im Hintergrund dieser =
Aktivitäten steht also=20
eine Sprachpflege- und eine bildungspolitische Absicht. Besonders =
deutlich=20
erscheint die Sprachmischung bei den Tischreden Luthers: "spiritus =
sanctus=20
setzt mortem ein ab poenam." Auch satirische Texte zur =
Sprachmischung werden=20
verfasst.
Peter von Polenz =
charakterisiert=20
das humanistische Neulatein als Folge einer sprachpuristischen =
Erstarrung. Die=20
Fremdwörter und die zugehörige, beibehaltene Fremdflexion =
werden zur=20
akademischen Statussymbolik. Auch heute noch sind sie Teil des =
bürgerlichen=20
Prestigedenkens. Bsp.: Thema - Themata, Atlas - Atlanten, Tempus - =
Tempora,=20
Index - Indizes, Rhema - Rhemata, Schema - Schemata. Dieses=20
bildungsbürgerliche Privileg blockiert heute die Aufnahme und die =
Eingliederung=20
neuer Fremdwörter ins Deutsche.
Zurück zum =
Humanismus: Bei=20
manchen (lat.) Wörtern kam es zu Mehrfachentlehnungen: So wurde =
lat.=20
marmor bereits im 8. Jh. zu ahd. marmul, murmel =
später mhd.=20
marmel (heute Murme') entlehnt. Im 16. Jh. fand eine=20
Relatinisierung statt zu Marmor. Ähnliches gilt für =
Meister -=20
Magister und Pfalz - Palast - Palais (in dieser Reihenfolge; =
>=20
lat. palatium 'fürstliche Wohnung auf dem röm. =
Hügel palatin').=20
Man spricht von Dissimilation. Eine andere Erscheinung des =
Latein-Euphorismus=20
ist die etwa bei Wimpfeling anzutreffende lat. Flektierung dt. =
Substantive (Ende=20
15. Jh.). Nicolas von Wyle stellt fest, dass nur lat. Formen im Stande =
seien,=20
Zierlichkeit, Höflichkeit usf. wiederzugeben.
Weil die lat. Sprache =
ein=20
Statussymbol ist, werden auch Namen latinisiert bzw. graecisiert: =
Claudius,=20
Julius, Cornelia, Hector, Desiderius, Erasmus von Rotterodamus, aus=20
Jost wird Justus, Martin > Martinus. Wenn =
es=20
möglich ist, wird übersetzt: Weber > Textor, =
Bauer >=20
Agricola, Hund > Canisius. Teilweise werden auch =
nur=20
lat. Suffixe angehängt: Busch > Buschius, =
Vogelius,=20
Käskorb > Cascorbi. Hie und da schleichen sich =
Fehler ein:=20
Schwarzer wird (fälschlich) interpretiert als =
Schwarz-Erd(e) und=20
übersetzt als Melanchthon.
Neben dem =
dominierenden Latein=20
wird auch das Griechische zu einer Sprache der Bildungselite, =
obwohl es=20
im MA fast völlig in Vergessenheit geraten war und erst im 14. Jh. =
teilweise in=20
Italien wieder bekannt wurde. Sprachkenntnisse des Griechischen dienen=20
allerdings in erster Linie dem Verständnis der griechischen Texte. =
Es wird bei=20
weitem nicht so einflussreich wie Latein (Griechisch wird keine =
akademische=20
Amtssprache). Doch auch Griechisch wird ein prestigeträchtiges =
Symbol für die=20
Zugehörigkeit zu einer gebildeten Oberschicht. Aus dem Griechischen =
übernimmt=20
das Deutsche z. B. bestimmte Schreibformen (th, ph, rh; =
wiederholt [und=20
zu Recht!] Angriffspunkt von Rechtschreibreformern. Das h geht =
auf den=20
griech. spiritus asper zurück; die Antike als Statussymbol). =
Hinsichtlich=20
der Aussprache werden griech. Formen assimiliert; Bsp.: =
Hydrozephalus.=20
Dass Latein die bestimmende Sprache ist, zeigt sich nicht zuletzt an der =
Latinisierung von griech. Entlehnungen: griech. anonymos > =
lat.=20
anonymus > frz. anonyme, griech. =
gymnásion 'Übungs- und=20
Ausbildungsstätte' > dt. Gymnasium. Weiters kommt es zu=20
Regraezisierungen; beispielsweise wird frz. fantôme zum =
Phantom,=20
obwohl dieses Wort im Griechischen nicht existent =
ist.
Ein Sprachbereich, =
der besonders=20
viele antike Wörter aufnimmt, wird von den Sprachhandlungsverben =
gebildet:=20
deklamiren, definiren, diktiren, disputiren, memoriren, =
räsonniren,=20
referiren, konferiren. Sie werden aber vorerst in ihrer urspr. =
Bedeutung=20
verwendet.
2. =
Französisch (und=20
Italienisch)
Nachdem während =
der=20
Frühbürgerlichen Zeit kaum frz. Entlehnungen zu verzeichnen =
waren, kommt es ab=20
1500 und verstärkt ab 1560 wieder zu mehr frz. Lehnwörtern im =
Deutschen:=20
Kriegswesen: Admiral, Artillerie, Bresche, Leutnant, =
Kapitän,=20
Truppe; Wirtschaft und Verkehr: Journal etc.; =
Verwaltung=20
und Politik: Pass, Patriot, Renegat, Revolution; =
Geselligkeit und=20
Ethik: Courage, delikat, Diskretion, Lakai, Kurtisane, Rivale, =
Robe;=20
Architektur, Kunst, Literatur, Musik: Farce, Garderobe, =
Klavier,=20
Posamentrie 'Sammelbezeichnung für Waren, die als Besatz =
für Kleidung=20
verwendet werden, z. B. Borten, Schnüre, Quasten, Litzen, =
Bänder' u. v. a.=20
Manche Entlehnungen werden durch die Dominanz des Lateins latinisiert: =
frz.=20
formel > formell > Formalität, =
nervös >=20
Nervosität; die Suffixe der Substantive sollen ans Latein =
erinnern. Aus=20
dem Französischen stammt außerdem die Endbetonung der =
Wörter Herodót, Homér,=20
Kritík und Politík.
Italienische =
Fremdwörter können=20
heute dazu dienen, die österreichischen Eigenheiten im Vergleich zu =
den übrigen=20
dt. Sprachen (bzgl. des Wortschatzes) zu spezifizieren, da sie z. B. in=20
Deutschland nicht vorkommen. Sie stehen oft synonymen frz. Entlehnungen=20
gegenüber, wobei die frz. Varianten meist mehr Prestige offerieren =
und=20
tendenziell die italienischen verdrängen: Kassa - =
Kasse,=20
Pomeranze (< it. pomo 'Apfel' und arancia =
'bitter') -=20
Apfelsine (< frz. pomme de Sine 'Apfel aus China'),=20
Biskotte (< it. biscotte) - Biskuit (< Frz. =
< lat.=20
bis coctus 'zweimal gebackenes Brot'), Marille (< it.=20
armellino 'armenischer Apfel') - Aprikose (< Frz. < =
Span.=20
< Port. < Arab. < Griech. < lat. praecoquum =
'frühreif'),=20
Melanzani - Aubergine (< Frz. < Kat. < Arab. < =
Pers.).
H. Weitere =
Entlehnungen im=20
15., 16. und 17. Jh.
Aus dem =
Italienischen sind=20
entlehnt: Bankwesen (sämtliche 15. Jh.): Konto (< it. conta), Magazin, Bank (< it.=20
banco), brutto (< it. brutto), Kredit =
(< it.=20
credito), Kapital (< it. capitale), =
Bilanz (<=20
it. bilancio 'Waage', 'Gleichgewicht'); Fernhandel: =
Kompass=20
(< it. compasso; 15. Jh.), Post (< it. posta; 16. Jh.), Strapaze (< =
it. strapezzo; 17. Jh.), Pirat (< =
it. pirata; 15. Jh.); Kriegswesen: Alarm =
(< it.=20
alarme; 15. Jh.), Bastei (< it. bastione; 17. Jh.), Proviant =
(< it. provianda; 15. Jh.); Speisen und Küche: =
Bankett=20
(< it. banchetto; 15. Jh.), Kartoffel (< it. tartuficolo; 17. Jh.), Porzellan =
(<=20
it. porzellana; 15. Jh.), =
Marzipan (<=20
it. marzapane; 16. Jh.),=20
Pasta (< it. 'Teig'); Literatur und Musik: =
Satz- und=20
Tempobezeichnungen, z. B.: Pasticco 'zu betrüger. Zwecken in =
der Manier=20
eines Künstlers gemaltes Bild oder aus den Werken verschiedener =
Komponisten=20
zusammengesetztes Musikstück, bes. Oper od. Singspiel (mit neuem=20
Libretto)'.
Die Fremdwörter =
aus dem=20
Spanischen hängen eng mit den Entdeckungen zusammen =
(Columbus ff.):=20
Guerilla (19. Jh.), Liga (15. Jh.), =
Flotille=20
(16. Jh.), =
Kaskot=20
'Schiffsrumpf' (18. Jh.), Kork (16. Jh.), Zigarre (18. =
Jh.). Auch=20
aus dem Spanischen wird die Anrede in der dritten Person =
übernommen;=20
Fachterminus: Lehn-Pragmem.
Wörter aus dem=20
Niederländischen werden v. a. im 17. Jh. ins Deutsche =
übernommen. Meist=20
handelt es sich um Termini der Seefahrt, des Fernhandels oder des =
Wasserbaus:=20
Schleuse, Düne, Werft, Kante, Stoff, =
Niete.
Bei einigen =
Entlehnungen entsteht=20
eine Zweifachsuffigierung: Proportionierung - Proportion (< =
lat.=20
proportio; 15. Jh.), Transportierung - Transport (< =
frz.=20
transporter; 17. Jh.), Spekulierung - Spekulation (< =
lat.=20
speculari), Studierung - Studium (< lat. =
studere),=20
Zitierung - Zitat (< lat. citare). Die letzten drei =
Beispiele=20
zeigen erneut, dass sich die eher ans Latein erinnernde Form=20
durchsetzt.
Im 17., 18., auch =
noch 19. und=20
20. Jh. werden Wörter aus dem Hebräischen (über =
das Jiddische) entlehnt.=20
Sie finden v. a. Eingang in die Sprache der Landstreicher, Hausierer, =
Rechtlosen=20
und der Kriminellen. Die Gaunersprache Rotwelsch besteht z. T. =
aus hebr.=20
Wörtern. Bsp.: chuzbe 'Dreistigkeit', flöten gehen, =
meschugge, mies,=20
schäkern, Schlamassel.
Entlehnungen aus dem=20
Slawischen sind relativ selten trotz des intensiven politischen =
Kontakts.=20
Ortsnamen: Berlin, Feistritz; Familiennamen: Fritsche,=20
Novak.
I. Absolutismus,=20
bildungsbürgerliche Sprachkultivierung (17., 18. =
Jh.)
Französisch wird =
wieder=20
Hofsprache, dementsprechend viele Lehnwörter stellen sich ein. Das =
Deutsche wird=20
sogar vom Preußenkönig Friedrich II. in seinem Buch De la =
litterature=20
allemande verspottet. Latein bleibt weiterhin die (amtliche) =
Wissenschafts-=20
und Rechtssprache. Es herrscht eine alamodische Vielsprachigkeit der=20
Oberschicht, die sich aus Deutsch, Latein, Französisch, Spanisch, =
Italienisch=20
und im NW Europas auch aus Niederländisch zusammensetzt. Je nach =
Situation und=20
Absicht wird eine andere Sprache verwendet. Zudem entsteht eine =
oberschichtliche=20
Dreisprachigkeit, welche die drei Hauptsprachen Französisch, =
Deutsch und Latein=20
umfasst. Durch das Reichssprachenrecht sind Deutsch und Latein seit dem=20
Mittelalter die offiziellen Reichssprachen. Auf Reichstagen wird daher =
verlangt,=20
dass anderssprachige Texte (so auch franz.) ins Lateinische oder ins =
Deutsche=20
übersetzt werden. Bei zwei Reichstagen im 17. Jh. führt dies =
zu Streitigkeiten=20
und Konflikten. Später nehmen die Bemühungen um die dt. =
Sprache zu: Von allen=20
dt. Beamten wird gefordert, Deutsch zu beherrschen und 1687 wird die =
erste dt.=20
Vorlesung angekündigt. Darin werden die Deutschen u. a. dazu =
ermahnt, die eigene=20
Sprache besser zu erlernen; eine ähnliche Forderung formuliert =
Leibnitz (der=20
selbst alle seine Werke in lat. oder franz. Sprache=20
abfasst).
Trotzdem bleibt =
vorerst=20
Französisch die bestimmende Sprache; Voltaire (um 1750 in Potsdam): =
"Ich bin=20
in Frankreich. Man spricht nur unsere Sprache. Das Deutsche ist nur =
für die=20
Soldaten und die Pferde."
#7, Mi., 10.05.2000, Hörsaal =
30 des Instituts=20
für Germanistik
[Fortsetzung von =
II. Lauf=20
durch die Geschichte des Fremdworts, I. Absolutismus]
Als Gegenpol zum =
Alamode-Wesen,=20
zur alamodischen Vielsprachigkeit und zur Sprachmengerei (v. a. Frz., =
Lat., Dt.,=20
Span., It.), steht der Versuch, Deutsch als Unterrichtssprache =
einzuführen. 1687=20
hält Christian Thomasius eine dt. Vorlesung und Leibnitz betont in =
einer=20
Ermahnung an die Deutschen die Bedeutung der dt. Sprache. 1771 =
erscheint=20
das erste Fremdwörterbuch, der Deutsche Dictionarius von =
Simon Roth. Die=20
dominierende Sprache ist Französisch, sie wird von adeligen =
Erziehern,=20
Briefstellern etc. verwendet. Im 18. Jh. werden mindestens 400 Lehrwerke =
zur=20
frz. Grammatik in Umlauf gebracht. Sämtliche gesellschaftlichen =
Aktivitäten der=20
oberen Gesellschaftsschichten sind eng mit dem Französischen und =
mit Frankreich=20
(als Stilvorbild) verknüpft.
Der Einfluss des =
Französischen=20
wird ebenfalls bestärkt durch die Hugenotten, die in Brandenburg =
leben (20000,=20
7000 allein in Berlin; ein Fünftel der Bevölkerung). Es =
entsteht generell ein=20
partieller Bilingualismus, je nach Situation wird eine andere Sprache =
verwendet.=20
Französisch nimmt insbesondere eine bedeutende Rolle in der =
Diplomatie ein. Erst=20
in heutiger Zeit wird es aus dieser Position langsam aber doch vom =
Englischen=20
verdrängt.
1. Funktionale =
Felder der=20
französischen Lehnwörter
=95 Lehnwörter füllen oft eine =
Lücke im=20
Wortfeld. Bsp.: Süßigkeiten: Praline, Likör; =
Kleider: Bluse,=20
Plüsch; Farbadjektive: lila, violett, orange (Problem =
der Flexion;=20
heute: Flexion eher möglich > oranges Kleid); sonstige: =
Balkon,=20
Allee, Massage.
=95 Ein Fremdwort kann auch eine =
semantische=20
Differenzierung offerieren: Resultat (institutionale =
Zusammenhänge,=20
technisch-wissenschaftlicher Bereich; Bsp.: Resultat einer =
Rechnung) zu=20
Ergebnis (eher nicht formale Zusammenhänge; Bsp.: =
Ergebnis einer=20
Diskussion).
=95 Das Lehnwort bezeichnet einen =
engeren=20
Bedeutungsgehalt als die dt. Entsprechung: Anekdote =
(spezifische Form=20
der Geschichte, nämlich ohne erfundene Personen), =
servieren (in=20
weniger Fällen möglich als bedienen), Gage =
(bestimmte Form des=20
Gehalts), Atelier (nur =
Künstlerwerkstätten), Chanson=20
(Liedgattung). Die Fremdwörter umfassen einen stärker =
eingeschränkten=20
Bedeutungsbereich.
=95 Fremdwörter mit pejorativem =
Beigeschmack=20
im Vergleich zum dt. Wort: miserabel zu elend, =
ordinär zu=20
unfein bzw. gewöhnlich, Visage zu =
Gesicht,=20
Bourgeoisie zu Bürgertum.
Lehnwörter sind =
also oft der eher=20
wertende Terminus im Gegensatz zu den meist relativ neutralen dt.=20
Entsprechungen. Ergo: Es gibt keine nicht notwendigen Fremdwörter! =
Die Funktion=20
des Fremdworts kann unterschiedlicher Natur sein. Beispielsweise kann es =
der=20
sozialen Maskierung dienen: Desert zu Nachspeise, =
Service=20
zu Geschirr. Manchmal fällt es schwer, den Unterschied in =
Worte zu=20
fassen: flanieren zu bummeln (während =
flanieren eher=20
Freizeitverhalten, Relaxing, Auszeit, Zeitverschwendung impliziert, wird =
bummeln mit trödeln assoziiert; meint=20
Schrodt).
Ebenfalls der =
sozialen Maskierung=20
könnte man das Paar Parterre (in Bürgerhäusern, =
Universität usf.) -=20
Erdgeschoß zuordnen. Warum überhaupt nicht 1. =
Stock statt=20
Erdgeschoß oder Parterre gesetzt wird, erklärt =
sich (vermutlich)=20
aus Bauvorschriften früherer Zeiten: Häuser in der Innenstadt =
sollten nicht mehr=20
als drei oder vier Stockwerke hoch sein. Bsp.: Tiefparterre - =
Parterre -=20
Mezzanin - Hochparterre usf. > kein Stockwerk statt vier=20
Stockwerke.
2. =
Bedeutungsveränderungen bei=20
der Entlehnung
Eine Statistik gibt =
726=20
Entlehnungen (frz.???) für das 17. oder 18. ??? Jh. an. Nur bei 190 =
bleibt die=20
ursprüngliche Wortbedeutung erhalten. Bsp.: Adresse =
(eigentl. 'Richtung',=20
als FW nur 'Anschrift' u. a.), adrett ('gefällig', eigentl. =
adroit=20
'passend'), Karriere (eigentl. 'Rennbahn'; 'Fahrt'; < frz.=20
carrière < it. carriera 'Fahrstraße' < =
mlat. carraria=20
'Fahrstraße' < gallolat. [Kluge: lat.] carrus =
'Wagen',=20
'Karre'), Etüde (eigentl. 'Studie'), Tournee (< =
frz.=20
tour 'Drehung'; 'Wendung'), blond, Esprit (eigentl. =
'Geist', als FW mit intellektuellem Konnotat), Liaison (eigentl.=20
'Verbindung', als FW 'erotische Verbindung').
Mehrere frz. =
Entlehnungen=20
bekommen ein Konnotat, das auf die Oberschicht (die Französisch =
spricht)=20
verweist; Französisch als Prestigesprache: Bonvivant, Affaire, =
Etablissement,=20
frivol. Eine Bedeutungsverbesserung ist festzustellen bei =
Collier=20
(nicht irgendeine Kette), Restaurant (nicht irgendein Gasthaus, =
sondern=20
ein gehobenes), Malheur, Filou (beide=20
verharmlosend).
Eine eigenartige=20
Bedeutungsverschiebung ist bei folgenden Wörtern zu beobachten:=20
Souterrain (eigentl. 'unter der Erde', im Frz. als 'Stollen', =
'Tunnel',=20
'Durchstich'; als FW 'Kellergeschoß'), prägnant =
(eigentl. 'schwanger',=20
'befruchtet', 'trächtig'), Vatermörder (frz. =
parasite 'Mitesser',=20
auch verwendet für steifen Stehkragen mit Ecke (Essen kann =
hineinfallen oder=20
hängen bleiben) > Misserverständnis > parricide =
>=20
Lehnübersetzung zu Vatermörder).
3. Aussprache - =
Grad der=20
Integration von Fremdwörtern, =
Betonungsverhältnisse
An der Aussprache der =
Fremdwörter=20
ist im Allgemeinen der Grad der Integration ablesbar. Ein =
Beispiel wäre=20
die frz. Nasalierung, die in Österreich kein Problem für den =
Sprecher darstellt.=20
Deutsche Bundesbürger hingegen haben mit diesem für sie =
unüblichen=20
Sprachgebrauch zu kämpfen. Man unterscheidet bzgl. der Integration =
in Nicht-,=20
teilweise und totale Integration. Beispiele für totale Integration =
wären:=20
blond, Tampon, Rampe, Balkon. Partiell integriert ist Gage =
als;=20
der stimmhafte Sibilant entspricht nicht der korrekten frz.=20
Aussprache.
Die =
Betonungsverhältnisse=20
in Fremdwörtern stellen oft Ausnahmen zu den Betonungsnormen im =
Deutschen dar.=20
Es gilt: Die letzte schwere Silbe erhält den Hauptton, wobei eine =
schwere Silbe=20
entweder sein kann ein Langvokal, ein Diphthong oder ein Kurzvokal mit =
zwei=20
Konsonanten. Man erhält daher: Amnestíe, Horizónt, =
Álibi. Ein etwas=20
komplizierterer Fall ist das Wort Ingenieuer. Das aus it.=20
ingegnere 'Kriegsbaumeister' stammende Wort lautet im =
Französischen=20
ingénieur (vgl. lat. ingenium 'Fähigkeit', =
'Talent', 'geistreiche=20
Erfindung' usf. < ingignere 'hervorbringen'). Trotzdem ist die =
frz.=20
Aussprache unüblich. Der Duden schlägt vor, das =
Österreichische=20
Wörterbuch "scheniör" (doch das apikale r scheint =
eher=20
unwahrscheinlich).
4. =
Sprachpuristische Haltung=20
zu den frz. Einflüssen
Besonders kritisiert =
wurden (und=20
werden) die hybriden Bildungen bei Fremdwörtern, die als =
unrechtmäßig=20
abgetan werden. Hybride Bildungen sind Zusammensetzungen, deren =
Einzelteile aus=20
verschiedenen Sprachen stammen. Diese Kritik wirkt aber wenig sinnvoll, =
weil=20
hybride Bildungen zum Wesen einer jeden Sprache gehören. Bsp.: =
unmodern,=20
übersensibel, Exgatte, entmilitarisieren, Abendtoilette, =
Nationalgefühl=20
("das Nationalgefühl ist eine hybride Bildung"); besonders =
beliebter=20
Verbsuffix ier: hofieren, hausieren, integrieren, =
parlieren usf.,=20
wobei durch weitere Suffixe wieder neue Wörter entstehen =
können. Bsp.:=20
Hausierer.
Ebenfalls ein =
sprachpuristischer=20
Begriff ist der der Scheinentlehnung. Bsp.: (heutiges Deutsch)=20
Handy; (damals) Blamage, Exporteur, Installation, Raffinesse,=20
Adressat, bandagieren, Dressur. Das Vorbild für die Entlehnung =
ist in der=20
anderen Sprache nicht existent. Ein etwas komplizierter Fall ist der=20
Friseur: coiffeur ist das frz. Wort für diesen Beruf. =
Frz.=20
friser hingegen meint 'kräuseln', 'eine Kleidung mit =
Rüschchen oder=20
Krausen versehen'. Diese Bedeutung erinnert an eine Bilanz =
frisieren im=20
Sinn von 'beschönigen'. Die übliche Etymologie für =
frisieren (von Haaren)=20
verweist über nndl. friseren auf frz. friser [so auch =
im=20
Kluge]. Vom frz. Wort aus kann eine germ. Wurzel angenommen =
werden. Auch=20
coiffeur stammt vielleicht aus dem Germanischen. Weiters gibt es=20
gewissermaßen ein mögliches lat. Vergleichswort in lat. =
frigere 'backen',=20
'braten' (Fleisch "kräuselt" sich möglicherweise beim Backen). =
Jedenfalls gibt=20
es Ende 17. Jh. zwei Formen: Friseur und Frisierer; die =
frz. setzt=20
sich durch. Friseur könnte auch mit Fries 'krauses =
Wollzeug', auch=20
'Wandverputz' etymologisch verwandt sein. Sogar ein Zusammenhang mit den =
Friesen (Haben Friesen gekräuseltes Haar?) kann nicht =
ausgeschlossen werden, scheint aber doch eher sehr=20
unwahrscheinlich.
Kritik am =
Alamode-Wesen kommt auf=20
jeden Fall von verschiedenen Seiten und auf verschiedene Arten. Johann =
Rist=20
beschwert sich über die Fremdwörter, die sogar von =
Spinnmägden und Knechten=20
statt dem Deutschen verwendet würden. Christian Thomasius =
argumentiert ähnlich:=20
Das ganze niedere Volk, Schuster, Schneider, Kinder, Gesinde, spricht =
bereits=20
französisch. Herder äußert sich 1793 in seinen =
Briefen zur Beförderung=20
deutscher Humanität etwas differenzierter zur Problematik: =
Nicht die Sprache=20
ist für die politischen Verhältnisse verantwortlich, sondern =
sie ist nur eine=20
Folge (nicht die Ursache!) der kulturellen =
Zustände.
5. Exkurs: =
Integration von=20
Fremdwörtern
Diese nimmt im Lauf =
der Zeit zu.=20
Während im 17. Jh. etwa noch piquant geschrieben wird, =
heißt es heute=20
pikant. Ähnlich: süffisant, schikanieren. Die =
originale Schreibung=20
hat sich aber bewahrt in beispielsweise Voyeur, Redactrice und=20
OEvre. Verschiedene Möglichkeiten der Realisierung bieten =
Parvenü=20
oder (österr.) Parvenu und die Konfitüre. Vor =
der=20
Rechtschreibreform standen Dekolleté und Komitee =
einander=20
widersprechend gegenüber. Zuletzt wird noch Belletristik =
erwähnt; ein=20
Wort, das eigentlich falsch geschrieben wird (frz.=20
lettres).
J. Entlehnungen =
aus dem=20
Englischen
Die Fremdwörter, =
die aus dem=20
Englischen übernommen werden, hängen eng mit den dortigen =
politischen=20
Verhältnissen zusammen: 1649 wird Karl I. im Zuge der Revolution =
hingerichtet,=20
es folgt ein kurzer Abschnitt unter Oliver Cromwell, eine freiheitliche=20
politische Struktur entsteht. Die ersten Fremdwörter stammen oft =
aus dem=20
Wortfeld des Empirismus oder des Manufakturwesens. Bis ins 18. Jh. =
allerdings=20
nimmt Englisch eine eher nebenrangige Stellung in der europäischen=20
Sprachlandschaft ein. Sprechen Engländer mit Gelehrten, so wird =
Latein=20
gesprochen, sprechen sie mit Hofleuten, so wird dem Französischen =
der Vorzug=20
gegeben. Göttingen und Hamburg sind die Zentren des englischen =
Sprachkontakts.=20
Zum Englischen erscheinen weit weniger Grammatiken als zum =
Französischen (s.=20
o.). Goethe konnte relativ gut Englisch, weil er und seine Schwester =
einen=20
vierwöchigen Intensivkurs bei einem vorbeiziehenden Englischlehrer=20
nahmen.
Bedeutend wird die =
engl. Sprache=20
erstmals zur Zeit der Empfindsamkeit durch den Ossian, Goldsmith, =
Milton,=20
Fielding u. a. Im Wörterbuch von Adelung (1780er) gibt es aber noch =
kein=20
einziges engl. Wort. Früh entlehnt (vor 1740) werden Akte, =
Plantation,=20
Puritaner, Parlament, Punsch, Komitee, Rum, elektrisch, zwischen =
1740 und=20
1750 Nonsense, Pantheismus, Ticket, ab 1750 folgen City, Club, =
Closet,=20
Bankomat, Meeting, Mob, Nationalcharakter, negativ, positiv, Roastbeef,=20
Ventilator, Virtuose. Die meisten Entlehnungen fallen somit in den=20
Bereich der Politik, der Technik und des Handels. Unter den =
Fremdwörtern=20
finden sich zahlreiche einsilbige Wörter, die auf Grund ihrer =
Prägnanz einen=20
Vorteil gegenüber komplizierten längeren Wörtern haben. =
Ebenfalls viele=20
Entlehnungen fallen in den Bereich Schifffahrt: Brise, Stuart, =
Log,=20
Schoner; hier gibt es bereits sehr frühe Entlehnungen: =
Boot (< 13.=20
Jh.), =
Lootse=20
(< 14. Jh.), Dock (<=20
1436).
Häufig sind auch =
Lehnprägungen (=3D Lehnformungen): Lehnübersetzungen: =
Blitzableiter=20
< lightning conductor, Freimaurer < free =
mason,=20
Kaffeehaus < coffee house, Volkslied < =
popular=20
song, Zeitgeist < genius of the time; =
Lehnübertragung:=20
Tatsache < matter of fact; auch einzelne =
Wendungen:=20
Zahn der Zeit, tote Sprache, zweites Gesicht (viele von =
Shakespeare);=20
Lehnbedeutungen: Held 'Hauptperson eines Dramas' < =
hero,=20
Blaustrumpf 'gelehrte Frau' (< 17. Jh.; vorher 'Spitzel'),=20
Magazin als 'Zeitschrift', Laune 'Heiterkeit' (vorher=20
'Gemütszustand', 'Temperament') < engl. humour (vgl. lat. =
'Feuchtigkeit', mal. Säftelehre); Plurale von Abstrakta:=20
Empfindlichkeiten, Zärtlichkeiten, Artigkeiten; =
Bildungen mit=20
selbst-: Selbstbedauern, Selbstgenügsamkeit; =
ganz in=20
der Bedeutung "Sie war ganz Goethe".
III.=20
Sprachpurismus
A. Bewegungen zur =
Sprache=20
historisch betrachtet
1. 17.=20
Jahrhundert
Das Ziel, das sich =
sämtliche=20
Sprachvereine u. a. setzen, ist die Kultivierung der dt. Sprache. Die zu =
Grunde=20
liegende Überzeugung ist, dass auch das Deutsche als Literatur- und =
Nationalsprache seine Geltung hat. Der Sprachpurismus richtet sich daher =
nicht=20
nur gegen Fremdwörter, sondern gegen sämtliche =
anstößige, veraltete und=20
regionale Formen. Betrachtet wird neben dem Wortschatz auch die =
Grammatik, die=20
Schreibung von Wörtern, die Aussprache usf. Frühe Formen des =
Sprachpurismus sind=20
nicht unbedingt nationalistisch orientiert. Im Zentrum steht der=20
Kulturpatriotismus, der aber zuerst mit einem antikaiserlichen Aspekt =
verbunden=20
ist; z. B. wegen der Ablehnung des Lateins.
Grundsätzlich =
wird die=20
Grundrichtigkeit der dt. Sprache angenommen und die Fähigkeit des =
Deutschen zur=20
Haupt- und Heldensprache. Schottelius meint, eine Änderung der =
Sprache evoziere=20
zwangsweise eine Änderung der Sitten. Er verkehrt somit das =
tatsächliche=20
Kausalitätsverhältnis (das Herder richtig erkannt hat, s. o.) =
ins Gegenteil. Die=20
dt. Sprache jedenfalls soll nützlich sein für Konversation und =
Politik und wird=20
wegen ihrem Wortreichtum den drei heiligen Sprachen (Hebräisch, =
Griechisch,=20
Latein) als gleichwertig angesetzt. Der große Wortschatz =
resultiert aus den eben=20
zu dieser Zeit entdeckten =
Wortbildungsmöglichkeiten.
Es kommt zu =
Versuchen, das hohe=20
Alter der dt. Sprache zu belegen; z. B. von Gueintz (Aussprache mit =
w) in=20
seiner Sprachlehre von 1641: Das Deutsche stamme direkt aus dem =
Hebräischen und=20
sei nach der babylonischen Sprachverwirrung von Tuiscon, dem =
ersten dt.=20
König, und dessen Sohn Mannus nach Deutschland gebracht =
worden. Gueintz=20
bezieht sich dabei auf eine These des bayerischen Hofhistoriographen =
Johannes=20
Aventinus (eigentl. Turmair) von ca. 1520. Dieser wiederum scheint die =
germ.=20
Entstehungssage, wie sie Tacitus in seiner Germania beschreibt, =
zu ernst=20
genommen zu haben. Tacitus nimmt die Germanen als Ureinwohner an und =
impliziert=20
somit ein "reines Germanentum". (Der Name Germanien bedeutet =
'trostlos'.)=20
Tuisto ist der Gott, der quasi aus sich den Sohn Mannus, =
den=20
Stammesvater aller Germanen, gebirt. Mannus hat selbst wieder =
drei Söhne,=20
aus denen die Stämme Ingaevones, Istaevones und =
Herminones=20
hervorgehen. Dem Entstehungsmythos liegt ein archetypisches Schema zu =
Grunde,=20
wonach ein Gott aus sich einen Sohn gebirt, der Gott also ein Zwitter =
ist. Vgl.=20
Tuisto und die etymologisch verwandten Wörter Zwitter, =
Zwist,=20
zwei.
#8, Mi., 17.05.2000, Hörsaal =
30 des Instituts=20
für Germanistik
[Fortsetzung von =
III.=20
Sprachpurismus, A. Bewegungen zur Sprache historisch betrachtet, 1. 17.=20
Jahrhundert; teilweise WH von #7]
Justus Goerg =
Schottel(ius) war=20
einer der bedeutendsten Vertreter der puristischen Strömungen des =
17. Jh. U. a.=20
vertritt er seine Ansichten in dem Werk Ausführliche Arbeit von =
der teutschen=20
HaubtSprache (1663). Das Deutsche wird (durch den Ausbau der Ideen =
Tacitus')=20
als eine Art reine Ursprache betrachtet. Ein weiterer Bezugspunkt neben =
der=20
Germania ist Karl der Große, der eine dt. Grammatik in =
Auftrag gegeben=20
hatte. Alle diese Überlegungen sind natürlich in Hinblick auf =
die Sprache der=20
Meister der Dichtkunst und der Gelehrten entstanden. Vom allgemeinen=20
Sprachgebrauch sind sie denkbar weit entfernt. Außerdem ist zu =
beachten, dass=20
Schottel nicht nur Fremdwörter aus dem Deutschen verbannt sehen =
will, sondern=20
generell Beliebigkeiten, Unregelmäßigkeiten und =
Undeutlichkeiten der Sprache=20
ablehnt. Der Grund, dass der dt. Sprache plötzlich die =
Fähigkeit zugestanden=20
wird, als vollwertige Sprache auch Gelehrten und den oberen=20
Gesellschaftsschichten zu dienen, ist die Entdeckung der=20
Wortbildungsmöglichkeiten des Deutschen. Der Vorwurf an die dt. =
Sprache=20
(beispielsweise zur Zeit des Humanismus), sie könne die vielen =
feinen=20
Bedeutungsnuancen etwa des Lateinischen nicht wiedergeben, verliert =
seine=20
Relevanz. Mit dem Deutschen ist man nun im Stande, nach Belieben und =
nach=20
Notwendigkeit Wörter zu erzeugen.
Im 17. Jh. entstehen =
zahlreiche=20
Sprachgesellschaften, die sich der Pflege der dt. Sprache widmen. Die=20
bedeutendste ist die Fruchtbringende Gesellschaft (1617-1680; =
auch=20
Palmenorden), gegründet in Weimar von Fürst Ludwig von =
Anhalt-Köthen nach=20
dem Vorbild der italienischen Accadèmia della Crusca. =
Mitglieder sind u.=20
a. Schottel, Martin Opitz, Georg Philipp Harsdörffer, Friedrich von =
Logau,=20
Andreas Gryphius und Philipp von Zesen (s. u.). Weitere =
Sprachgesellschaften des=20
17. Jh. sind: die Teutschgesinnte Gesellschaft (1643-1708; =
gegründet von=20
Zesen; Harsdörffer, Moscherosch), der Pegnesische =
Blumenorden (auch=20
Pegnitzschäfer u. a.; gegründet 1644 von =
Harsdörffer und Klaj; Katharina=20
Regina von Greiffenberg; besteht angeblich noch), der =
Elbschwanenorden=20
(gegründet 1658 von Johann Rist als Konkurrenz zur =
Teutschgesinnten=20
Gesellschaft), die Aufrichtige Tannengesellschaft =
(gegründet 1633 in=20
Straßburg; Weckherlin). Die Mitglieder der Sprachgesellschaften =
stammen meist=20
aus der Schicht des Bildungsbürgertums, viele werden im Verlauf =
ihres Lebens=20
geadelt. Es finden sich keine Geistlichen in den Sprachgesellschaften, =
womit=20
konfessionelle Streitigkeiten ausgeklammert wurden. Die Mitglieder =
wurden mit=20
sprechenden Vereinsnamen (der Suchende, der Nährende, der =
Schmackhafte u.=20
v. a.) versehen. Vorbilder der Sprachgesellschaften waren ähnliche =
Vereine in=20
den Niederlanden und in Italien. Die Sprachgesellschaften verpflichteten =
sich=20
der Förderung der dt. Sprache (z. B. des Obersächsischen) und =
damit auch der dt.=20
Tugenden. Die Leistungen der Sprachgesellschaften fallen aber weniger in =
den=20
spezifisch sprachwissenschaftlichen Bereich.
Philipp von Zesen ist =
(ein=20
Vielschreiber und) einer der extremsten Fremdwortpuristen dieser Zeit. =
Einige=20
Bsp. seiner Vorschläge zur Eindeutschung von Fremdwörtern: =
Distanz - Abstand,=20
Adresse - Anschrift, Moment - Augenblick, Bibliothek - Bücherei, =
Projekt -=20
Entwurf; es zeigt sich bereits: die Fremdwörter sind im Lauf =
der Zeit nicht=20
ersetzt worden, sondern das dt. Pendant erlaubte eine zusätzliche =
semantische=20
Differenzierung. Die Fremdwörter haben sich oft im Bereich der =
Verwaltung=20
durchgesetzt. Die Liste wird fortgesetzt: Horizont - Gesichtskreis,=20
Konfession - Glaubensbekenntnis, Fundament - Grundstein, Passion - =
Leidenschaft,=20
Dialekt - Mundart, Orthographie - Rechtschreibung; weitere Bsp. (nur =
noch=20
der Eindeutschungsvorschlag) Tagebuch, Trauerspiel, Verfasser,=20
Wahlspruch. Neben diesen erfolgreichen Eindeutschungsversuchen =
stehen nicht=20
geglückte: Altar - Gottestisch, Rauchtisch, =
Räuchertisch (vermutlich=20
nicht durchgesetzt, weil mehrere Vorschläge), Anatom - =
Entgliederer,=20
Botaniker - Krautbeschreiber, Natur - Zeugemutter, Nase - Gesichtserker, =
Fenster=20
- Tageleuchte, Kloster - Jungfernzwinger; Gründe für das =
Misslingen dieser=20
Versuche: s. u. (pejorativer Charakter des Ersatzwortes, Versuch, ein =
bereits=20
ins Deutsche eingegliedertes Wort zu ersetzen). Zesen erregt mit seinen=20
Ambitionen Aufsehen, evoziert aber auch Ermahnungen (z. B. von Ludwig =
von=20
Anhalt-Köthen) und Spott (Rist).
Historisch betrachtet =
liegt der=20
Verdienst der Bestrebungen des 17. Jh. im Erwecken des sprachkritischen=20
Bewusstseins und in der Entdeckung der=20
Wortbildungsmöglichkeiten.
Der Aufklärung =
wird kein eigenes=20
Kapitel gewidmet. Erwähnt werden lediglich Leibnitz, der sich zum =
Thema dt.=20
Sprache in der Ermahnung an die Deutschen (1682/83) und anderen =
Werken=20
äußert, und Friedrich I., der um 1700 eine (deutsche) =
Sozietät der=20
Wissenschaften gründen will, jedoch =
scheitert.
2. Johann Heinrich =
Campe, sein=20
Verdeutschungswörterbuch und warum bestimmte Verdeutschungen nicht =
angenommen=20
wurden (nach Daniels)
Neben einigen anderen =
Werken=20
Campes zur dt. Sprache erscheint 1803 in zwei Bd. das Wörterbuch =
zur=20
Erklärung und Verdeutschung der unserer Sprache aufgedrungenen =
fremden=20
Ausdrücke (2. Aufl. 1813). Einige Wörter als Bsp.: =
altertümlich,=20
auswerten, befähigen, dienstunfähig (statt =
invalid),=20
einschließlich, Erdgeschoß, fortschrittlich, =
Gewaltherrschaft, Kerbtier=20
(statt Insekt), Kleinhandel, Lehrgang, Mannweib (statt=20
Amazone), Örtlichkeit, Randbemerkung (statt =
Glosse),=20
Verweltlichung, Zartgefühl, Zerrbild (statt=20
Karikatur).
Doch auch von seinen =
Vorschlägen=20
haben sich viele nicht im Sprachgebrauch behaupten können. Daniels =
hat sie in=20
acht Kategorien eingeteilt:
(1)=20
Fremdwörter, die längst eingebürgerte Lehnwörter =
sind, lassen sich nicht mehr=20
verdrängen. Daher scheitert: Dame - Ehrenfrau, Kanal - =
Kunststrom, Altar -=20
Kirchentisch, Pore - Schweißloch, Kultur - Geistesanbau, Zensur -=20
Zeitschriftenschau.
(2)=20
Fremdwörter, die als Fachtermini verwendet werden, können nur =
unzureichend durch=20
eine dt. Entsprechung ihrer ursprünglichen Bedeutung ersetzt =
werden, weil sie=20
semantisch modifiziert worden sind. Bsp. aus dem heutigen Dt.: =
Subjekt=20
und Prädikat sind nicht: 'was der Aussage zu Grunde liegt' =
und=20
'Rangbezeichnung' (Wahrig. Fremdwörterlexikon. - München: =
Bertelsmann 1999),=20
sondern Satzglieder. Die Etymologie ist unbrauchbar und irreführend =
und kann=20
nicht als Grundlage für die Konstruktion eines dt. Pendants =
herangezogen werden.=20
Bsp. aus Campes Wörterbuch: Revisor - Nachrechner, Repertoire -=20
Schauspielsammlung, Anatomie - Zergliederungskunst. =
(3)=20
Fremdwörter, die bestimmte Dinge/Sachen aus der fremden Kultur =
bezeichnen,=20
besitzen fast (nicht ganz) Eingennamencharakter: Harem - Weiberhof, =
Amulett -=20
Zaubergehänge, Pyramide - Spitzgebäude, Mumie - =
Dörrleiche.=20
(4)=20
Tendenziöse Ersatzwörter werden abgelehnt: Katholik - =
Zwangsgläubiger,=20
Protestant - Freigläubiger (unschwer zu erraten ist Campes =
Konfession),=20
Soldat - Menschenschlachter, Dialektiker - Streithold.=20
(5) Das=20
Ersatzwort (das auf die ursprüngliche Bedeutung des Fremdworts =
Bezug nimmt) ist=20
fehlmotiviert wegen einer Veränderung des Sachbereichs, den das =
Fremdwort=20
abdeckt: Ingenieur - Kriegsbaumeister, Chemie - Scheidekunst, =
philologisch -=20
altgelehrt.
(6)=20
Ersatzwörter, die "Zerbesserungen" sind, weil bereits übliche =
Verdeutschungen=20
bestehen. Bsp. (in der Reihenfolge: FW - übliche Verdeutschung - =
Zerbesserung=20
Campes): Pendant - Gegenstück - Seitenstück, Kontinent - =
Festland - Erdfeste,=20
Omen - Vorbedeutung - Vordeutung.
(7) Die=20
Ersatzwörter sind zu lange und daher nicht praktisch. Heute trifft =
dies für=20
viele Eindeutschungsversuche zu Anglizsmen zu, weil letztere durch =
Kürze=20
bestechen. Bei Campe: Charakteristik - =
Persönlichkeitsbezeichnung, Parodie -=20
Spottnachahmung, Elektrisierung - Blitzfeuererzeugung, Missionar -=20
Belehrungsgesandter, Obelisk - Denkspitzsäule. =
(8) Der=20
Begriffsinhalt des Ersatzworts ist entweder zu eng oder zu weit im =
Vergleich zu=20
dem des Fremdworts: Hypothese - Vagesatz, Quarantäne - =
Gesundheitsprobe,=20
Logik - Denkkunst, Katechismus - Fragebuch.
B. Sprachpurismus =
heute -=20
Gegenwart und Zukunft
Die diesem Kapitel zu =
Grunde=20
liegende Fragestellung ist, welche heutigen Fremdwörter durch =
vorgeschlagene dt.=20
Wörter ersetzt werden könnten und welche Vorschläge zur =
Ersetzung wohl eher=20
fehlschlagen werden. Als Parole formuliert beschäftigt sich dieser =
Abschnitt der=20
Vorlesung mit der Situation im Jahr 2010. Es bietet sich dabei an, auf =
die=20
verschiedenen Vorschläge die Kategorisierung Daniels' anzuwenden. =
Wenn sie=20
zutrifft, wird die vorgeschlagene Entsprechung wohl eher nicht wirksam=20
werden.
1. Einige =
Beispiele aus=20
Vorschlägen der Zs. Muttersprache
Bei den meisten=20
Eindeutschungsversuchen werden mehrere Vorschläge angegeben. Die =
Eindeutschungen=20
werden sich daher wohl nicht (vgl. Zesen) halten können. =
Außerdem haftet -=20
vorsichtig formuliert - manchen Eindeutschungen ein wohl nicht =
beabsichtigtes=20
humoristisches Konnotat an. Sie können nur beschränkt =
ernstgenommen=20
werden.
=95 E-mail > E-Post, Emil=20
(elektronische Mitteilung), Kabelschreiben,=20
Netzpost.
=95 easy > leicht, =
einfach;=20
Bedeutungsinhalt der dt. Wörter zu weit.
=95 Editorial > =
Leitartikel;=20
Entsprechung besteht bereits und weicht semantisch vom FW leicht=20
ab.
=95 Edutainment > =
unterhaltsame=20
Erziehung, Vergnügungsbildung, Spaßunterricht, fröhliche =
Wissenschaft;=20
Bedeutung nicht korrekt wiedergegeben (zu weit, zu eng),=20
umständlich.
=95 Egghead > Intellektueller, =
Eierkopf,=20
Wolkenwandler, Obergescheiter; Bedeutungsverschiebung,=20
tendenziös.
=95 Engagement > =
Einsatzfreude,=20
Sich-Einlassen-Auf; Bedeutungsverschiebung,=20
umständlich.
=95 Eroscenter > Freudenhaus,=20
Lusthölle; bereits existent, zweites: zu stark. Die Frage wird =
in den Raum=20
gestellt, ob sich nicht die griech.-lat. Form Erotikzentrum =
durchsetzen=20
könnte. [Kommt ganz darauf an, wer hingeht, würde ich=20
meinen.]
=95 Evaluation > =
Bewertung;=20
Bedeutungsverschiebung: nicht jede Bewertung ist eine =
Evaluation;=20
daher: Bedeutung von Bewertung zu weit.
2. =
Wörterbuch überflüssiger=20
Anglizismen von Pogarell/Schröder
Das =
Wörterbuch überflüssiger=20
Anglizismen von Reiner Pogarell und Markus Schröder (1. Aufl. =
09/1999, 2.=20
Aufl. bereits 01/2000; also eine scheinbar große Nachfrage) und v. =
a. Pogarell=20
selbst stehen in Zusammenhang mit den Bemühungen des Vereins zur =
Wahrung der=20
deutschen Sprache. Das Wörterbuch umfasst ca. 4000 =
Einträge, doch viele=20
davon wirken, als seien sie nicht wirklich gebräuchlich (s.=20
u.).
Als beliebiges =
Beispiel wird der=20
Inhalt einer Seite besprochen, um zu kontrollieren, ob die Wörter =
des=20
Wörterbuchs tatsächlich gebraucht werden. Das Problem einer =
solchen Untersuchung=20
ist, dass sie, auch wenn sie mit größerem Aufwand betrieben =
wird, keine=20
eindeutigen Ergebnisse bringen kann. Das Ziel müsste sein, die =
Wörter mit dem=20
Korpus der dt. Alltagssprache zu vergleichen. Ein solcher existiert zwar =
als=20
Liste des Instituts für deutsche Sprache und ist über =
Internet=20
zugänglich; doch auch diese Sammlung muss nicht mit dem =
tatsächlichen Korpus=20
übereinstimmen. Die Sprache ist ein komplexes Konglomerat und =
lässt sich=20
eigentlich nicht durch Grammatiken und Wörterbücher fassen, =
weil sie aus=20
unzähligen soziologischen Sprachschichten [und letztlich aus =
selbständigen=20
Idiolekten] besteht. Der Korpus des Instituts für deutsche =
Sprache=20
versucht, die Nähe zum tatsächlichen Sprachgebrauch durch =
Heranziehen von=20
(hauptsächlich) Zeitschriften zu erreichen bzw. zu wahren. Die =
Zeitschriften=20
sind aber zumeist Qualitätszeitschriften (z. B. Die Zeit). =
"Subversive=20
Elemente" fehlen daher z. T. gänzlich, weil Jugendzeitschriften,=20
Fachzeitschriften, Zeitschriften von und für Randgruppen, =
Zeitschriften ohne=20
Lektor usf. nicht berücksichtigt werden. Die folgende Bewertung der =
Bsp. aus dem=20
Anglizismenwörterbuch ist also bis zu einem gewissen Grad intuitiv =
und=20
idiolektabhängig. Schrodt unterscheidet Fremdwörter, die er =
gebrauchte, die er=20
nicht gebrauchte (weil sie seinem Verständnis nach nicht in den =
Bereich der=20
Alltagssprache gehören) und die er nicht kennt. Eine Ersetzung =
macht freilich=20
nur Sinn, wenn das Fremdwort gebräuchlich =
ist.
=95 smart > =
geschäftstüchtig;=20
gutaussehend. Dieses Wort würde in der Alltagssprache =
vermutlich eher nicht=20
gebraucht, weil die Fiktion der Alltagssprache, der dt. Sprache, eine=20
weitgehende emotionslose Standardsprache betrifft. Wie viele =
Fremdwörter ist=20
aber auch smart charakterisiert durch eine spezifische =
Konnotation, die=20
dem Gebrauch in einer neutralen Sprache entgegensteht. Solche =
Fremdwörter werden=20
nur in bestimmten Domänen der dt. Sprache verwendet, nicht im=20
alltagssprachlichen Bereich, wobei eine Domäne die (dt.) =
Sprache einer=20
konkreten kommunikativen Situation benennt. Daher: bekannt, aber kein =
Gebrauch.=20
=95 Smartshop: unbekannt.=20
=95 Smile > Lächeln; =
kein Gebrauch.=20
=95 Smiley > =
Grinsegesicht. Schrodt=20
kennt das Wort als Bezeichnung für Symbole im Internet und in =
dieser Funktion=20
würde er es auch verwenden. Dann ist aber der Vorschlag =
Grinsegesicht=20
unpassend, weil er in seiner Bedeutung der ursprünglichen Bedeutung =
von=20
Smiley entspricht, aber nicht der Verwendung als Computerterminus =
[nach=20
Daniels: Kategorie 2].
=95 Smog > Dunstglocke; =
bereits=20
vorhanden [andere Bedeutungsnuance?].
=95 Smoke > Rauch; kein =
Gebrauch.=20
=95 Smoke-In > =
Rauchkneipe; wirkt=20
ungewöhnlich, eher nicht im alltäglichen Sprachgebrauch. =
=95 smoothen: ein denglisches Wort.=20
=95 Snack > Imbiss, =
Zwischenmahlzeit=20
[nach meinem Verständnis gebräuchlich; deutsche Entsprechungen =
ohnehin existent,=20
FW zur semantischen Differenzierung].
=95 Snack-Bar > =
Imbissstube;=20
unbekannt [finde ich nicht].
=95 Snap-Shot > =
Schnappschuss;=20
ungebräuchlich.
=95 Snail-Mail: eine (ironische?) =
Bildung zu=20
E-Mail, die domänenspezifisch (in der Computersprache) =
verwendet wird,=20
also nicht zum Wortschatz der Alltagssprache gezählt werden kann. =
Dies zeigt=20
sich daran, dass ein dt. Sprecher, der kein Interesse für den =
Computer-Bereich=20
aufbringt, dieses Wort wahrscheinlich nie gebrauchen oder verstehen =
müssen wird.=20
=95 sniefen: denglisch; rauchen, =
Einnahme=20
von Drogen; ungebräuchlich.
=95 Snob: nicht neutral, also nicht=20
Alltagssprache, also nicht gebräuchlich.
=95 Snobiety > Schickeria; =
eher=20
nicht gebräuchlich.
=95 Snowboard > Schibrett. =
=95 soap: warum sollte jemand (in =
der=20
Alltagssprachlich) soap statt Seife sagen?
=95 Soap Opera. =
=95 soccer: eher nicht =
gebräuchlich; in=20
speziellen Zusammenhängen (also Domänen): street =
soccer.=20
Im Großen und =
Ganzen könnte man=20
sagen: Von den 4000 Wörtern bleiben nur ca. 450, die im aktiven =
Sprachschatz der=20
Alltagssprache verankert sind und dem dt. Sprecher im Alltagsleben =
ständig=20
begegenen (können); z. B. in Annoncen, Zeitungen, Zeitschriften,=20
Werbeaussendungen. Der eigentliche Verdeutschungsbedarf ist daher =
wesentlich=20
geringer als der von den Autoren dieses Buchs =
angenommene.
Bis zum Ende der =
Vorlesung wird=20
mit dem Besprechen einiger Wörter fortgefahren. Es empfiehlt sich, =
die=20
Kategorien Daniels' an ihnen zu erproben [denn meine Einschätzung =
ist vielleicht=20
völlig falsch]!
=95 abgefuckt > =
heruntergekommen,=20
verwahrlost; lustlos, gelangweilt; [1: zu weit; 2: eher falsch weil =
viel zu=20
weit].
=95 Abstract > Kurzfassung,=20
Zusammenfassung; zu weit: ein Abstract ist nicht irgendeine =
Kurz-=20
oder Zusammenfassung, sondern eine vollständige Kurzfassung, =
[vorzugsweise bei=20
wissenschaftlichen Werken].
=95 abturnen > anwidern, =
lästig=20
sein; [dt. Termini neutral, FW domänenspezifisch; wegen Verlust =
des=20
Konnotats bei den Entsprechungen: zu weit; außerdem =
Bedeutungsunterschied].=20
=95 anturnen: Ggs. zu =
abturnen.=20
=95 Account: Fachwortschatz.=20
=95 Action > Handlung, =
Bewegung [die=20
Entsprechungen sind wörtliche Übersetzungen und stimmen mit =
der Bedeutung des=20
Fremdworts nicht überein; daher: Kategorie 2 oder 5]. =
=95 Actionfilm > =
Abenteuerfilm,=20
Reißer; Bedeutungsunterschied [Abenteuerfilm: ist kein=20
Actionfilm (siehe Kino- oder Fernsehprogramme, in denen die Filme =
meist=20
klassifiziert werden); Reißer: tendenziös]. =
=95 Advertainment > =
unterhaltende=20
Werbung [umständlich], Spaßwerbung (entspricht =
nicht dem Wortethos=20
von Advertainment).
=95 Aerobic > =
Tanzgruppengymnastik;=20
könnte sich durchsetzen.
=95 After-Shave-Lotion >=20
Rasierwasser; dt. Entsprechung besteht bereits. =
=95 Airbag > Luft- oder=20
Prellsack; [wörtliche Übersetzung; Kategorie 2]. =
=95 Airline: im Flugwesen, das =
generell=20
englisch ist und es daher wohl bleiben wird.
=95 Alien > Fremder, =
Ausländer,=20
Außerirdischer; falsch [denn hier wurde wieder übersetzt; =
vgl. die=20
Übersetzung von ne. alien in: Pons. Globalwörterbuch. =
Englisch-Deutsch. -=20
Wien: ÖBV Pädagogischer Verlag 1995: I. Ausländer(in); =
außerirdisches Wesen. II.=20
1. (foreign) ausländisch; außerirdisch. 2. =
(different) fremd. 3.=20
(Comput) fremd. Kategorie 2 oder 5.]
=95 American Way of Life: schwierig=20
einzudeutschen.
=95 Amplifier: kein Fall für =
die=20
Alltagssprache.
=95 Asphaltcowboy > Streuner,=20
Herumtreiber; Bedeutungsnuance geht verloren.
=95 ausflippen > aus sich=20
herausgehen; denglisch; kann nicht mehr übersetzt werden, weil =
es schon im=20
Deutschen verankert ist.
=95 ausknocken > =
kampfunfähig=20
machen; [dt. Begriff zu neutral].
=95 Austria > =
Österreich.=20
=95 Autocross > =
Geländerennen,=20
Querfeldeinrennen u. a.; zu viele; zudem wird der Bedeutungsinhalt =
trotzdem=20
nicht exakt getroffen.
=20
=20
#9, Mi., 24.05.2000, Hörsaal =
30 des Instituts=20
für Germanistik
[Fortsetzung von =
III.=20
Sprachpurismus, B. Sprachpurismus heute, 2. Wörterbuch =
überflüssiger=20
Anglizismen von Pogarell/Schröder]
[Da es sich um =
Fremdwörter=20
handelt, werde ich sie im Folgenden groß schreiben. Denn es ist =
anzunehmen, dass=20
Wörter wie Barkeeper oder Booklet, so sie in dt. =
Texten vorkommen,=20
als Hauptwörter gebraucht werden und deshalb im Gegensatz zur =
englischen=20
Kleinschreibung mit einem Großbuchstaben beginnen. Die Beispiele, =
welche während=20
der VO an die Tafel geschrieben werden, beginnt Schrodt allesamt mit=20
Kleinbuchstaben.]
=95 Barcode > =
Streifenerkennung; z.=20
T. Übs. bereits gebräuchlich.
=95 Barkeeper > Kneipier=20
(ungewöhnlich), Barmann.
=95 Beat > Schlag, =
Rhythmus; aber:=20
die musikalische Gattung Beat wird hier nicht berücksichtigt.=20
=95 Bike > Zweirad; teilw. =
gebräuchlich.
=95 Bingo! > genau!, du sagst =
es!,=20
volltreffend!; das FW Bingo scheint eher als Slang-Wort =
vorzukommen.=20
Deshalb ergeben sich bei den Eindeutschungsversuchen Bedenken. =
[Außerdem wird=20
das Spiel Bingo hier nicht berücksichtigt.] =
=95 Blackout > Aussetzer, =
Filmriss,=20
Denkloch (wirkt komisch [weil tendenziös]). =
=95 Blister: eine Verpackung aus =
Karton und=20
Kunststoff (z. B. bei Batterien). Übs.-Vorschlag: transparente=20
Kunststoffverpackung; zu umständlich.
=95 Booklet > =
Werbebroschüre=20
(falsch), Heft, Beiheft; ebenfalls nicht korrekt, denn ein =
Booklet=20
ist eine besondere Form des Hefts oder Beihefts; nämlich das einer =
CD.=20
=95 Bookmark > Lesezeichen =
(könnte=20
sich durchsetzen), Merker.
=95 Booten und Boss werden =
nur erwähnt.=20
=95 Brainstorming > =
Gedankensammlung,=20
Ideensammlung; der engl. Terminus bedeutet aber eher =
"flüchtiges=20
Vorübergleiten-Lassen von Gedanken".
=95 Brainwashing > =
Gehirnwäsche (hat=20
sich bereits durchgesetzt).
=95 Bubble Gum: bestimmte Art von =
Kaugummi.=20
=95 Bungalow > flachedachiges=20
Einfamilienhaus mit gehobenem Standard; falsch, denn ein Bungalow =
ist v. a.=20
ein Haus, das nur aus einem Stockwerk besteht.
=95 Bungee-Jumping > =
Tiefseilspringen,=20
Sprung am Seil; [diese Versuche verbreiten allenfalls Heiterkeit].=20
=95 Bunny > Hase; nicht =
jeder Hase=20
ist ein Bunny.
=95 Bypass > Umleitung der =
Blutbahn am=20
Herzen; zu umständlich.
=95 Callgirl > =
Prostituierte; [das=20
FW fungiert als Euphemismus, weshalb es wohl bleiben wird].=20
=95 Carwash: wird später =
besprochen werden=20
(andere VO).
=95 Channel-Hopping >=20
Senderspringen. Vgl.:=20
Zapping > Durchschalten (zu weit, denn nicht jedes=20
Durchschalten ist ein Zapping).
=95 Zombie > Untoter, =
willentlich=20
wanderende Leiche; [ein weiteres Bsp. für den beeindruckenden =
Humor der=20
Verfasser des Wörterbuchs].
=95 clever > klug, gescheit, =
begabt,=20
pfiffig, gewitzt; während der VO fallen noch die =
Vorschläge schlau=20
und gerissen. Ergo: Das Wörtchen clever vereint in =
sich die=20
Bedeutungen mehrerer dt. Wörter. Eine eindeutige und exakte =
Entsprechung gibt es=20
jedoch nicht.
=95 Cowboy > Rind- =
od. Viehhüter.=20
=95 Couch-Potatoe > =
Stubenhocker.=20
=95 Don't worry be happy! > Sorge dich nicht, sei =
glücklich!;=20
[humoristisch].
=95 easy > unbeschwert, =
unbekümmert,=20
angenehm, gefällig; auch simpel, einfach; ein Fall wie =
clever.=20
=95 Hostess > (1) =
Messebegleiterin,=20
Messebetreuerin, Gastgeberin; (2) Edelhure; zu (2): Edelhure =
ist kein=20
Euphemismus (im Ggs. zu Hostess).
=95 Hardcore > Hartgesottenes, =
Schockierendes; auch: harter Pornofilm; nicht deckungsgleich =
bzgl.=20
der Bedeutung.
=95 Groupie > Popschlampe; =
tendenziös.
=95 Shaver: ein Damenrasierer; kaum =
zu=20
übersetzen. Offensichtlich kann aber Shaver nicht einfach =
durch=20
Rasierer oder Rasierapparat ersetzt werden. Weiters ist =
auch eine=20
Übersetzung als Damenrasierer nicht optimal. =
Von den rund 450 =
Wörtern, die=20
Schrodt als zumindest in seinem passiven Wortschatz (als Sprecher der=20
Alltagssprache) befindlich einordnet, bleiben letztendlich nur ca. 50, =
bei denen=20
die Übersetzung des Wörterbuchs überflüssiger =
Anglizismen sinnvoll=20
erscheint, also die Eindeutschung angenommen werden=20
könnte.
C. Sprachpurismus =
im 19.=20
Jahrhundert
Aus dem 19. Jh. =
stammen erste=20
Belege für das Wort Fremdwort. Turnvater Friedrich Jahn =
behauptet:=20
Fremdwörter gehen als solche, und wenn sie 100.000mal =
eingedeutscht werden,=20
nicht in Gut und Blut ein. Sie besitzen keine Zeugungskraft. =
Die=20
Tendenz, biomorphe Metaphern zu verwenden, sollte die =
Fremdwortdiskussion lange=20
Zeit [bis zum heutigen Tag] bestimmen. Auch Jean Paul bezieht in der =
Vorrede zum=20
Hesperus oder 45 Hundsposttage Stellung zum Fremdwort: es =
wäre nur als=20
Flugsame aufgekeimt; wieder eine biomorphe Metapher. Doch das 19. =
Jh. ist=20
nicht nur bestimmt von sprachpuristischen Tendenzen: Jacob Grimm =
schreibt=20
beispielsweise 1847 in seinem Aufsatz über das pedantische der =
deutschen=20
Sprache über die (vielen) Puristen in Deutschland, die sich =
gleich=20
Fliegen an den Rand unserer Sprache setzen und mit [...] Fühlern =
sie=20
betasten.
Nach der =
Reichsgründung 1871=20
kommt es zu bewusst geplanten Fremdwortverdeutschungen (wovon =
Österreich, die=20
Schweiz und Luxemburg nicht betroffen sind, weshalb sich viele =
Fremdwörter hier=20
viel länger oder überhaupt bis heute behaupten können). =
Schon 1874/75 schlägt=20
Reichspostmeister Heinrich von Stephan ca. 800 Verdeutschungen vor, die =
v. a.=20
das Postwesen betreffen. Viele davon sind tatsächlich in die dt. =
Sprache=20
eingegangen, wie z. B. Kuvert > Briefumschlag,=20
Korrespondenzkarte > Postkarte oder Telefon > =
Fernsprecher. (Nebenbei erwähnt, ist das Postwesen bis zur =
Gegenwart=20
traditionell französisch.) Ebenfalls amtliche Eindeutschungen =
geschehen im=20
Heereswesen (Avancement > Beförderung, =
Anciennetät >=20
Dienstalter, viele Dienstgrade < Charge) und in =
der=20
Verwaltung (Kopie > Abschrift, Pension >=20
Ruhegehalt). 1890 übersetzt der Oberbaurat Otto Sarrazin =
fast 1.300=20
Fachtermini ins Deutsche. Darunter Velo > Fahrrad,=20
Perron > Bahnsteig, Retourbillet >=20
Rückfahrkarte. Ein großer Teil dieser Eindeutschungen =
(z. B. das=20
Bahnwesen betreffende Verdeutschungen) setzten sich in Österreich =
erst=20
Jahrzehnte später durch. Durch den Deutsch-französischen Krieg =
von 1870/71=20
steigt der Nationalismus und das bewusste Festigen des =
Nationalgefühls.=20
Englisches, Französisches, Katholisches, Jüdisches, =
Sozialdemokratisches usf.=20
(Was bleibt dann noch über als "deutsch"?) wird (auch wenn es sich =
um Wörter=20
handelt) abgelehnt, die Eindeutschungen nehmen zu.
D. Allgemeiner =
deutscher=20
Sprachverein
Er wird 1885 von =
Hermann Riegel=20
gegründet unter den Leitsatz: "Gedenke auch, wenn du die =
deutsche Sprache=20
sprichst, daß du ein Deutscher bist!" (zit. n. tribüne =
(1998), H. 3, S. 4).=20
Deutsche Wörter sollen überall, wo es möglich ist, den =
Fremdwörtern vorgezogen=20
werden. Der Sprachverein gibt eine eigene Zeitschrift heraus, die ab =
1925=20
Muttersprache heißt und unter diesem Namen noch heute =
erscheint. Viele=20
Verdeutschungswörterbücher erscheinen; z. B. das von Hermann =
Dunger, einem=20
Dresdner Germanisten, von 1885, welches noch heute als Nachdruck =
erhältlich=20
ist.
Im Lauf der Jahre =
entstehen=20
verschiedene Zweigvereine; um 1915 sind es bereits 327. Die =
Mitgliederzahl=20
steigt rasant an: nach anfänglichen 6.500 Mitgliedern zählt =
der Sprachverein=20
1915 ganze 37.790. Über 50% der Mitglieder stammen aus der =
Berufsgruppe Handel-=20
und Gewerbe, weitere 20% sind Lehrer. Die Zweigvereine unterscheiden =
sich=20
gelegentlich ziemlich stark vom Hauptverein. So wird etwa von einem =
Verein die=20
Einführung eines Sprachzolls gefordert, der bei der Verwendung =
eines Fremdworts=20
zu entrichten sei. Der Grund für die Popularität solcher =
Bewegungen ist, dass=20
die Schicht des dt. Bürgertums fremde (v. a. frz.) Elemente nicht =
in ihrer=20
Sprache verwendet. Der Sprachkampf erscheint somit als eine =
Äußerung eines=20
Kulturkampfs.
Die Germanistik =
dieser Zeit tritt=20
dem Sprachverein mit unterschiedlichen Einstellungen entgegen: Friedrich =
Kluge,=20
Otto Behagel und Theodor Siebs (Sprachwissenschaftler) befürworten =
die Ideen der=20
Sprachpuristen, während Gustav Röthe und Erich Schmidt=20
(Literaturwissenschaftler) ihn leidenschaftlich bekämpfen. 1889 =
verfassen=20
Theodor Fontane und Gustav Freytag eine Erklärung gegen den =
Allgemeinen=20
deutschen Sprachverein, die gleichwohl nicht viel =
nützt.
Die Aktivitäten =
des Sprachvereins=20
nehmen bis und während des Ersten Weltkriegs beständig zu =
("Der Krieg reinigt=20
die Sprache."). Die Eindeutschungsversuche betreffen nun auch Orts-, =
Straßen- und Flurnamen, die Speisekarte usf. (z. B. gegen =
Restaurant,=20
Hotel). Einige Eindeutschungsversuche sind aus heutiger Sicht nahezu =
ein=20
Kuriosum, weil die Verdeutschung durch ein Kunstwort erfolgt bzw. =
erfolgen soll.=20
Bsp.: Das FW Lokomotive soll eingedeutscht werden. Offensichtlich =
fährt=20
die Lokomotive zu Lande und sie ist ein künstliches Gebilde. Analog =
dazu, als=20
künstliches Gebilde im Wasser, gibt es das Schiff. =
Natürlich und im=20
Wasser aber ist der Fisch, der dem umgekehrten Schiff (von =
hinten=20
gelesen) entspricht. Natürlich am Land ist nun das =
Roß. Statt=20
Lokomotive müsste es also Roß von hinten =
gelesen heißen, nämlich=20
Sor. Weil aber das Geschlecht (Lokomotive f.) beibehalten =
wird,=20
lautet das Ersatzwort schließlich die =
Sorre.
Ein besonders =
engagierter=20
Sprachpurist vor und während des Ersten Weltkriegs ist Eduard =
Engel, der mehrere=20
Verdeutschungswörterbücher verfasst. Peter von Polenz schreibt =
über ihn in=20
seinem Aufsatz Fremdwort und Lehnwort sprachwissenschaftlich=20
betrachtet:
Gegen=20
das akademische 'Welsch' im allgemeinen und Roethe im besonderen ist in =
der Zeit=20
vor und während des l. Weltkrieges der Publizist Eduard Engel zu =
Felde gezogen.=20
Schon bei ihm zeigt sich ein militant-chauvinistischer Purismus, der in =
der=20
Tonart selbst von den nationalsozialistischen Sprachreinigern nicht mehr =
überboten werden konnte. Engel ereiferte sich über die =
"grenzenlose ausländernde=20
Sprachsudelei", über die "sprachliche Entvolkung Deutschlands", =
über das=20
"Krebsgeschwür am Leibe deutscher Sprache, deutschen Volkstums, =
deutscher Ehre",=20
über die "Schändung der schönsten Sprache der Welt". Er =
bezeichnete den=20
Fremdwortgebrauch als "geistigen Landesverrat" und forderte: "Nur ein=20
deutschsprechendes deutsches Volk kann Herrenvolk werden und bleiben.'=20
Doch auch kritische =
Stimmen zu=20
den vielfachen Eindeutschungsversuchen ertönen: Leo Spitzer spricht =
sich 1918=20
eindeutig gegen die Fremdworthatz und den Fremdworthass =
aus;=20
gleiches gilt für Karl Kraus.
Nach dem Ersten =
Weltkrieg nimmt=20
der Sprachpurismus bzgl. der Eindeutschungsversuche (kurzfristig) ein =
wenig ab.=20
Man konzentriert sich auf die Entwicklung der dt. Schrift und =
Rechtschreibung.=20
Trotzdem folgen auch immer wieder neue Verdeutschungsversuche, z. B. der =
Monatsnamen: Heuerth - Juli, Aust - August, Wonnemonat - Mai, =
Scheidung -=20
September, Gilbhart - Oktober, Nebenhart - November, Christmond -=20
Dezember.
Mit der =
Machtübernahme der=20
Nationalsozialisten kommt es zur Gleichschaltung des Sprachvereins mit =
den=20
politischen Machthabern. Der Sprachverein wird zur SA unserer=20
Muttersprache und (in Folge) wird seine Zeitschrift =
Muttersprache in=20
anderen (noch) nicht nationalsozialistischen Ländern wie =
Österreich (1936)=20
verboten. Doch der Verein kritisiert auch die Verwendung vieler =
Fremdwörter=20
durch die Nazi-Führer. Z. B. sollte Propagandaminister durch =
Werbeminister ersetzt werden, nach dem Motto: "Wer Deutsche =
führen=20
will, muß deutsch zu ihnen reden." Damit gerät der =
Sprachverein in immer=20
größere Distanz zu den führenden Nationalsozialisten. Um =
die weitere Entwicklung=20
der Fremdwort-Frage während des Dritten Reichs zu diskutieren, =
wieder der=20
Aufsatz (s. o.) von Polenz:
Die=20
Aufrufe zur allgemeinen Sprachreinigung, die der Vorstand des =
Sprachvereins im=20
Jahre 1933 in der Muttersprache und in der Tagespresse ergehen =
ließ, waren in=20
der Tonart zunächst noch recht maßvoll, verglichen mit jenen =
chauvinistischen=20
Formulierungen Eduard Engels aus der Zeit des l. Weltkrieges. Der =
Vorsitzer,=20
Richard Jahnke, und einige Beiträger der Zeitschrift brachten sogar =
den Mut auf,=20
auch den fremdwortreichen Redestil der obersten Naziführer und vor =
allem Hitlers=20
zu kritisieren. Man richtete aus "heißer Vaterlandsliebe" Bitten =
an den 'Führer'=20
und die Partei, Fremdwörter wie Propaganda, Organisation, =
Garant, avisieren,=20
Konzen'trationslager, Sterilisation usw. zu vermeiden. Man hoffte =
mit dieser=20
Sprachkritik dazu beitragen zu können, "daß die Gedanken =
unserer Führer dem=20
Volke immer klarer erkennbar werden". Daß der Gebrauch bestimmter =
Fremdwörter in=20
politischer Agitation oft absichtlich dazu dient, die Gedanken der =
Herrschenden=20
gerade nicht für alle erkennbar zu machen, davon ahnten die =
deutschtümelnden=20
Sprachreiniger offenbar nichts. Man war in der Illusion befangen, den=20
Nationalsozialismus mit dieser Fremdwortkritik fördern zu =
können, weil man in=20
der rechtsradikalen Diktatur nichts anderes als die Erfüllung =
romantischer=20
Deutschtumsträume sah.
Die=20
politisch naive Sprachkritik dieser Vereinsmitglieder wurde in den =
Jahren 1934=20
und 1935 allmählich zurückgedrängt, nicht zuletzt durch =
die recht sophistischen=20
Erklärungen der beiden akademischen Philologen unter den =
Vorstandsmitgliedern,=20
in denen der Fremdwortgebrauch des 'Führers' und der Partei =
entschuldigt wurde.=20
Der Berliner Germanist Arthur Hübner gestand Hitler den "genialen =
Gedanken" zu,=20
mit dem Gegner in dessen eigener Sprache zu reden, nämlich in der =
"entdeutschten=20
und verausländerten Sprache des marxistischen und demokratischen=20
Parlamentarismus"; und der Gießener Germanist Alfred Götze =
wollte den=20
Fremdwortgebrauch "unserer vaterländischen Bewegung" von der =
Sprachreinigung=20
ausgenommen wissen, da er "wohlerwogener staatsmännischer Absicht" =
entspringe.=20
Nach=20
dieser Ausklammerung der obersten Naziführer und der Partei kam der =
Purismus des=20
Sprachvereins zu aktivistischer Wirkung in der Öffentlichkeit, vor =
allem nach=20
der Wahl des neuen Vorsitzers Rudolf Buttmann, der sich als alter=20
Nationalsozialist darum bemühte, "den Deutschen Sprachverein in =
dieser=20
Kampffront an der richtigen Stelle einzuschalten". Der Sprachverein =
wurde zur=20
"SA unserer Muttersprache", wie es ein Autor der Muttersprache einmal=20
ausdrückte. Man wandte sich mit Denkschriften, Empfehlungen und =
Aufrufen an die=20
Behörden des Reiches und der Länder und an die Presse: Die =
Schriftstücke der=20
Ämter und Gerichte sollten künftig nur noch in einer =
"volksnahen",=20
fremdwortfreien Sprache abgefasst werden; Vortragende im Rundfunk, die =
zu viele=20
Fremdwörter gebrauchen sollten "belehrt" und widrigenfalls "nicht =
mehr=20
zugelassen werden" deutsche Waren sollten nur noch mit deutschen =
Bezeichnungen=20
patentiert und angeboten werden; Undeutsche Ladenschilder und =
fremdsprachlicht=20
Bezeichnungen auf Speisekarten hätten zu verschwinden; Gasthofnamen =
und die=20
Platzbezeichnungen in Theatern sollten verdeutscht werden. Sportvereine, =
die=20
"nicht deutsch sprechen wollen", dürften keine Förderung =
erhalten. Für all das=20
und noch mehr forderte der Sprachverein Verordnungen und bot dafür =
unentgeltlich=20
sprach- und sachkundige Helfer an. Das Echo bei den angesprochenen =
Stellen kam=20
schnell und war positiv. Von den Nazigrößen haben sich =
Göring, Frick und Darre=20
offenbar persönlich für diese amtliche Verdeutscherei =
eingesetzt. Aber von=20
Hitler, Goebbels und Himmler verlautete zu dieser Frage zunächst =
nichts.=20
Auch=20
auf einer höheren Ebene, der akademischen, wurde in den Jahren nach =
1933 in der=20
Muttersprache eine Sprachreinigungskampagne geführt. In =
hochtönenden Aufrufen=20
wandten sich Alfred Götze und der Gießener Soziologe=20
('Gruppgeistwissenschaftler') Hans L. Stoltenberg an die deutschen=20
Hochschullehrer. Die 'Entwelschung' der deutschen Wissenschaftssprache, =
die=20
Eduard Engel so leidenschaftlich gefordert hatte, glaubten sie jetzt=20
verwirklichen zu können. Sie hatten aber keinen nennenswerten =
Erfolg damit.=20
Es handelte sich =
beispielsweise=20
um Eindeutschungsversuche wie Rektor > =
Hochschulführer,=20
Dekan > Lehrschaftsführer, Ordinarius >=20
Amtshochlehrer, akademisch > hochschulhaft,=20
Institutionalisieren > Anstaltsamung. Man forderte =
einen=20
Sprachberater für jede Hochschule. Aus diesen Versuchen gingen die =
(heute=20
gebräuchlichen) Eindeutschungen Leideform (Passiv), =
s-Fall=20
(Genitiv) und Hauptwort (Substantiv)=20
hervor.
Der=20
deutsche Sprachpurismus hat dann noch eine höchste, letzte Stufe =
erreicht: die=20
antisemitische, und zwar erst seit dem Jahre 1936. Bis dahin wollte man =
die=20
Fremdwörter aus der deutschen Sprache entfernen, weil man darin =
Überreste=20
einstiger Fremdherrschaft über die Deutschen zu sehen glaubte oder =
ein Zeichen=20
unwürdiger Unterwerfung der Deutschen selbst. Dieser Kampf um =
'deutsche Art' und=20
'deutsches Wesen' richtete sich gegen die alte kulturelle Übermacht =
des Lateins,=20
des Griechischen und des Französischen. Das waren Ziele und Motive, =
die sich=20
noch kaum von dem unterschieden, was die deutschen Puristen seit der =
Alamodezeit=20
des 17. und 18. Jahrhunderts getan hatten. Nun kam aber seit Anfang 1936 =
-also=20
bald nach dem Inkrafttreten der 'Nürnberger Gesetze' - ein neuer =
Gesichtspunkt=20
hinzu: die rassistische Motivierung aus dem Antisemitismus.=20
Der=20
erste, der diesen neuen Ton in die Spalten der Sprachvereinszeitschrift=20
hineingebracht hat, war der Germanist Alfred Götze. Ausgehend von =
der Etymologie=20
des Wortes keß, eines von Berlin ausgehenden Modewortes der =
zwanziger=20
Jahre, das aus der Gaunersprache und weiterhin aus dem Jiddischen =
stammt,=20
beklagt er sich über den Gebrauch von Wörtern jiddischer =
Herkunft: "Gottlob=20
haben wir wieder gelernt, daß wir Germanen sind. Wie verträgt =
sich damit die=20
Pflege einer im jüdischen Verbrechertum wurzelnden Unsitte? Auch =
auf die=20
Herkunft von Wörtern wie berappen, beschummeln, Kittchen, =
Kohldampf, mies,=20
mogeln, pleite, Schlamassel, Schmu, Schmus, schofel, Stuß und =
ihresgleichen=20
sollte sich der Deutsche nachgerade besinnen. Es ist seiner nicht =
würdig, seinen=20
Wortschatz aus dem Ghetto zu beziehen und aus der Kaschemme zu =
ergänzen." -=20
Götze wollte diese Wörter nicht etwa bekämpfen, weil sie =
gegenwärtig einen=20
niedrigen Stilwert haben und niedere Dinge bezeichnen, sondern weil sie=20
jüdischer und gaunerischer Herkunft seien.
Damit=20
hat ein deutscher Sprachgelehrter als erster die Forderung nach =
Sprachreinigung=20
auf Wörter ausgedehnt, die im Bewusstsein des philologisch nicht =
vorgebildeten=20
Teils der Sprachgemeinschaft zwar als 'unfeine' Wörter der =
Umgangssprache=20
empfunden wurden, aber nicht als Fremdwörter oder jüdische =
Wörter. Die Deutschen=20
jüdischer Abkunft haben seit der Judenemanzipation um 1800 kaum =
mehr Jiddisch=20
gesprochen, und die meisten dieser (z. T. sogar irrtümlich) aus dem =
Jiddischen=20
hergeleiteten Wörter waren seit dem 18. oder 19. Jahrhundert in der =
Umgangssprache aller Deutschen geläufig. Der methodologische Irrtum =
eines=20
Philologen, man brauche zur Beurteilung des gegenwärtigen Zustandes =
einer=20
Sprache nur die Etymologie anzuwenden, d. h. die Frage nach der Herkunft =
der=20
Wörter, ohne Rücksicht auf ihren gegenwärtigen =
stilistischen und=20
sprachsoziologischen Gebrauchswert, hat hier eine politische Wirkung =
gehabt, die=20
uns noch heute Anlaß geben sollte, in der Methodik =
gegenwartbezogener=20
Sprachbetrachtung äußerste Vorsicht walten zu lassen. =
Götzes=20
etymologischer Beitrag blieb in der Sprachvereinszeitschrift nicht ohne =
Folgen.=20
Einige Autoren der Muttersprache versuchten, ihm mit ähnlichen =
Beiträgen=20
nachzueifern. Dies artete bald - großenteils wohl unabhängig =
von Götzes Anstoß -=20
in eine allgemeine rassistische Motivierung der ganzen Sprachreinigung =
aus.=20
Ebenfalls im Jahrgang 1936 führte Walther Linden (Herausgeber der =
Zeitschrift=20
für Deutschkunde und Verfasser mehrerer Veröffentlichungen =
antisemitischer=20
Literaturgeschichte) den fremdwortreichen "geistigen Jargon" der Zeit =
zwischen=20
1919 und 1933 auf jüdische und westeuropäische Einflüsse =
zurück, die die=20
deutsche Sprache "zersetzt" hätten. Und auf der Pfingsttagung des =
Sprachvereins=20
im Jahre 1937 in Stuttgart hielt der Erlanger Sprechkundeprofessor Ewald =
Geissler den Hauptvortrag Sprachpflege als Rassenpflicht, der =
dann als=20
'Flugschrift Nr. l' des Deutschen Sprachvereins wie ein Vereinsmanifest=20
kostenlos angeboten wurde. Darin versuchte er jene 'Zersetzungs'-These =
am=20
Fremdwortgebrauch moderner deutscher Schriftsteller jüdischer =
Abstammung wieTh.=20
Mann, Feuchtwanger, Werfel, Kerr, St. Zweig u. a. nachzuweisen und =
forderte eine=20
"Aufnordung" der deutschen Sprache durch den Kampf gegen "jenes Deutsch, =
das=20
geheimes Jüdisch war".
Inzwischen hatte sich die blamable Krise =
des=20
Sprachvereins schon angekündigt: Die Verknüpfung von =
Sprachreinigung und=20
Antisemitismus war in der "Muttersprache" schon vor Geisslers Vortrag=20
unwillkürlich ad absurdum geführt worden durch einen Beitrag =
eines=20
Vereinsmitgliedes, in dem mit Entsetzen festgestellt wurde, dass jener =
große=20
Vorkämpfer der NS-Puristen, Eduard Engel, ein Jude war. Engel habe =
zu Unrecht=20
die Fremdwortfrage "zum Maßstab vaterländischer Gesinnung" =
und der "Deutschheit"=20
hochgespielt. Jetzt auf einmal wurde nicht mehr der Fremdwortgebrauch, =
sondern=20
die Fremdwortjagd der Puristen selbst als jüdische Angelegenheit =
aufgefasst.=20
Dieser groteske Umfall eines einzelnen Vereinsmitgliedes war nur ein =
Symptom für=20
die nahende Krise des Vereins. Der Sprachverein muss sich in den Jahren =
von 1933=20
bis 1937 eher unbeliebt gemacht haben. Der Propagandaminister Goebbels =
hat auf=20
der Berliner Festsitzung der Reichskulturkammer am l. Mai 1937 die=20
Sprachreiniger öffentlich gerügt. Daraufhin sah sich der =
Vorsitzer des Vereins=20
in der Eröffnungsansprache der Stuttgarter Pfingsttagung zu einem =
Fußfall=20
gezwungen. Er erklärte, der Kampf des Vereins gelte "gar nicht in =
erster Linie,=20
wie es irrtümlich immer wieder heißt, dem Gebrauch von =
Fremdwörtern". Er=20
distanzierte sich von der "haltlosen Verdeutscherei und =
Sprachschöpferei" und=20
von der "Beurteilung vaterländischer Gesinnung nach dem =
Fremdwörtergebrauch".=20
Von da an wurden die Fremdwortpolemiken in der Muttersprache immer =
maßvoller und=20
seltener. Man wagte es bald auch, das "beschränkte Lebensrecht" des =
Fremdwortes=20
zu verteidigen; und im Krieg, als viele europäische Länder von =
deutschen Truppen=20
besetzt waren, besann man sich auf die "übervölkischen =
Aufgaben unserer=20
Sprache". - Offiziell abgeblasen wurde die deutsche Fremdwortjagd =
schließlich=20
durch einen Erlass Hitlers vom 19. November 1940.
Hitlers =
Fremdwortgebrauch war ein=20
Resultat nüchterner, rhetorischer Überlegungen. Nach Viktor =
klemperer und seinem=20
Buch Lingua Tertii Imperii imponieren nationalsozialistische =
Machthaber=20
durch den Gebrauch vieler Fremdwörter. Außerdem =
übertönen sie (mit den nicht=20
verstandenen Fremdwörtern) das Denken. Hitler formuliert diese =
These selbst in=20
Mein Kampf.
Nach dem Zweiten =
Weltkrieg gibt=20
es keine systematische Fremdwortkritik im Stil des Allgemeinen deutschen =
Sprachvereins mehr, wenngleich eher vereinzelt bestimmte =
Fremdwörter (v. a.=20
Anglizismen) angefeindet werden.
IV. Die =
gegenwärtige=20
Situation
Allgemein ist ein =
Rückgang der=20
frz. Fremdwörter zu bemerken. Sie werden oft nur noch als =
Zitatwörter verwendet=20
(Bsp.: Tête-à-tête). Andererseits entsteht ein =
Eurolatein, d. s.=20
Neubildungen, die ans Lateinische erinnern. Beispiele wären die =
Wörter=20
situativ und ultimativ, die Suffixe -ation, -ität, =
-iment=20
(Regeneration, Quantität) und die Lehnpräfixe anti-, =
extra-, pseudo-,=20
trans-, ultra-. Gleichzeitig ergeben sich viele Mischbildungen aus=20
Bestandteilen verschiedener Sprachen (z. B. Latein-Deutsch): =
Exgattin,=20
antiwestlich. Ebenfalls zum Eurolatein gehörig sind die Konfixe =
(d. s.=20
Wortbestandteile, die nicht Präfixe, nicht Suffixe und auch keine =
freien Lexeme=20
sind) wie graph (Monographie, Fotograph), therm, audio, =
tele,=20
bio, euro, geo, öko, phono, video usf.
Besonders häufig =
stößt man in der=20
dt. Gegenwartssprache auf Internationalismen. Dies sind =
Wörter, die in=20
mehr oder minder fast identer Form (lautlich und schriftlich) in =
mehreren, nicht=20
miteinander verwandten Sprachen vorkommen. Bsp.: Tourismus u. v. =
a.=20
[siehe dazu Klaus Heller: Das Fremdwort in der deutschen Sprache der =
Gegenwart.=20
Untersuchungen im Bereich der deutschen Gebrauchssprache. - Leipzig: VEB =
Biographisches Institut 1966. S. 35-41 und Horst Haider Munske: =
Fremdwörter in=20
deutscher Sprachgeschichte: Integration oder=20
Stigmatisierung.]
Der Einfluss des=20
Englischen als Prestige- und Bildungssprache nimmt stetig zu, auch =
im=20
Bereich der Werbungs- und Jugendsprache. Die englischen Entlehnungen =
erfahren=20
heute immer weniger eine Eindeutschung. Sie werden weder im Schriftbild =
(im Ggs.=20
zu früheren Entlehnungen wie Koks aus cokes und =
Streik aus=20
strike, beide 19. Jh.) noch in der Aussprache (im Ggs. zur =
früheren=20
Tendenz, engl. a als ö auszusprechen, wie in =
Curry und=20
Blöff) dem Deutschen angepasst, sondern wortgetreu =
übernommen. Die=20
Aussprache wird heute nur noch selten bei der Entlehnung verändert =
(USA,=20
lynchen). Der Trend, die Aussprache zu belassen, zeigt sich =
einprägsam an=20
der Gegenüberstellung von o. k. (spätere) und k. =
o. (frühere=20
Entlehnung). Einer der größten Vorteile, den die Anglizismen =
mit sich bringen,=20
ist ihre Kürze und Prägnanz. Sie sind handlicher (eigentlich =
sprachlicher) als=20
viele dt. Wörter=20
(fit, boy, sex, box). Oft dienen Anglizismen als Euphemismen:=20
hostess, sex, playboy. Eine große Anzahl von =
Ausdrücken bergen einen=20
stilistischen Effekt, etwa den eines Oxymorons bei Christus-Fan.=20
Letztlich eröffnen Fremdwörter (und eben auch Anglizismen) die =
Möglichkeit zur=20
Begriffsdifferenzierung. So ist ein song weder Lied noch=20
Schlager, Arie o. Ä., sondern eine Form musikalischer =
Darbietung, die=20
durch kein (singuläres) dt. Wort benannt werden kann. Ähnlich =
verhält es sich=20
bei dem Wörtchen job, das dadurch gekennzeichnet ist, dass =
es nicht=20
Arbeit, Tätigkeit, Anstellung meint, sondern eine Art =
Gelegenheitsarbeit,=20
die als einziges Ziel das Geldverdienen verfolgt. Fremdwörter =
machen also=20
Sinn.
#10, Mi., 31.05.2000, Hörsaal =
30 des Instituts=20
für Germanistik
V.=20
Fremdwörter in Fach- und Sondersprachen
Dieses Kapitel =
behandelt das sehr=20
allgemeine und umfassende Gebiet am Beispiel der Fachsprachen (insbes. =
des=20
Fachwortschatzes) im Computer- und Internet-Bereich (Chat-Slang=20
etc.).
A. =
Literatur
Zum Thema empfiehlt =
sicht der=20
Artikel Anglizismen im Internet von Peter Schlobinski. Er findet =
sich auf=20
der Homepage Schlobinskis und kann im pdf-Format gelesen und ausgedruckt =
werden.=20
Den Weg zur Homepage weist jede Suchmaschine. Der Bereich des =
Computerjargons=20
wird behandelt im Aufsatz Wortschöpfung in der Fachsprache der =
EDV, zu=20
erreichen über: http://www.ku-eichstaett.de/SLF/German/wortsch.htm. =
Zum=20
Cyberslang noch zwei Adressen: www.cyberslang.de und=20
www.websprache.uni-hannover.de. Hr. Schrodt legt die Lektüre sehr =
ans=20
Herzen.
B.=20
Problemstellung
unter Referenz auf =
Schlobinski:=20
Anglizismen im Internet
Tatsache ist, dass =
sich die=20
Computertechnologie mit rasender Geschwindigkeit entwickelt und sich =
damit auch=20
die Frage stellt, wie man mit den neuen Fachtermini umgeht. Der =
Ausgangspunkt=20
jeder Diskussion muss sein: "Welche Begriffe sind überhaupt =
notwendig?" bzw.=20
"Welche Begriffe muss ein durchschnittlicher User verstehen, um mit dem =
Gerät=20
Computer hantieren zu können?" und "Was bedeuten die einzelnen =
Termini=20
überhaupt?". Das Verstehens- bzw. Bedeutungsproblem zeigt sich z. =
B. am Wörtchen=20
file. Das Verständnis für einen deutschen Sprecher ist =
vermutlich=20
schneller zu erreichen, wenn der mit Datei konfrontiert wird. =
Soll man=20
also Computer-Fachtermini eindeutschen? Zwei Kriterien stehen in engem=20
Zusammenhang mit der Diskussion der Problematik Computersprache bzw. =
Fachsprache=20
überhaupt:
(1) Stets im =
Hinterkopf muss man=20
die Frage behalten, ob ein Fremdwort überhaupt ein Problem für =
die=20
Alltagssprache darstellt. Ein Beispiel aus dem Autowesen: Die =
Wörter=20
Kardangelenk und Simmering kennen (außer Mechanikern =
etc.)=20
wahrscheinlich nur die wenigsten. Man wird es aber in der Regel auch =
nicht=20
kennen müssen, weil der "normale" Autofahrer mit den damit =
benannten Teilen des=20
Autos ohnehin nicht konfrontiert ist. Es sei denn, er verlangt z. B. vom =
Mechaniker, dass dieser den Grund und den Vorgang der Reparatur genau =
erkläre.=20
In solch einer (eher seltenen) Situation treffen dann Fachsprache und=20
Alltagssprache aufeinander, es entstehen gleichsam =
Interferenzerscheinungen. Nur=20
in solch einem Fall entsteht ein tatsächliches Problem für die =
Sprecher.
(2) Der Sprach- =
und=20
Sachwandel darf nie außer Acht gelassen werden. Wieder ein =
Bsp. aus der=20
Autowelt: Das Fremdwort Choker (ne. choke 'würgen') =
ist ein=20
Ausdruck, der von Jahr zu Jahr immer mehr aus der Sprache verschwindet, =
weil es=20
in neueren Fahrzeugen einfach keinen Choker mehr gibt. Wort und Sache=20
verabschieden sich miteinander aus dem Alltag. Das "Ärgernis mit =
diesem=20
Fremdwort" hat sich also erledigt. Besonders im schnelllebigen =
Computerbereich=20
gibt es eine Unzahl solcher Wörter, die (z. B. wegen der =
Einführung neuer=20
Betriebssysteme) einfach nicht mehr gebraucht =
werden.
C. Netzsprache - =
"E-Mailen"=20
und "CHatten"
Mit dem neuen=20
Kommunikationsmedium Internet entstand eine völlig neue Textsorte: =
das E-Mail.=20
Es ist geprägt von der Auflockerung des gesellschaftlichen =
Reglements. Bei=20
E-Mails werden formale Konventionen weitgehend vernachlässigt, wie =
sie beim=20
Brief üblich sind. Lediglich im Wirtschaftsbereich werden auch =
E-Mails ähnlich=20
strukturiert wie Briefe; eine eher übertriebene formale Strenge, =
die sich -=20
meint Schrodt - in den nächsten Jahren aufhören =
wird.
Merkmale der=20
E-Mail-Sprache sind:=20
Rechtschreibfehler, eine lockere Syntax, Grammatikfehler, oft =
konsequente=20
Kleinschreibung, lockere Interpunktion, einfache Reihung von =
Hauptsätzen,=20
Ausdrücke ohne Verb =3D Setzungen, Nähe zur gesprochenen =
Sprache, Lautwörter (hier=20
häufig Anglizismen; z. B. oops, auch uups), Flexion =
von=20
fremdsprachlichen Lexemen (gechatted, disabled oder auch=20
disabeld). Das letzte Merkmal gilt eigentlich auch für die =
Alltagssprache=20
und ist weniger ein spezifisches Merkmal fürs =
"E-Mailen".
Die Netzsprache=20
(Pidgin-Englisch) ist also unstrukturiert, regellos usf. Ein=20
sprachpuristisches Zitat wird vorgelesen, in dem sich ein nicht =
genannter Autor=20
über die verkommene Internet-Sprache empört. =
Anglizismen allerdings sind=20
seltener als man vielleicht meinen möchte. Bei der Untersuchung von =
Web-Sites=20
wurden nur 4,6% Anglizismen festgestellt, die sich thematisch in die =
Bereiche=20
Werbung (37%), Computer und Internet (32%) und Alltägliches =
gliedern. In den=20
Web-Sites stehen sie meistens isoliert, z. B. als Links wie News, =
Goodies,=20
Software, Download, Specials. Der restliche Text ist kaum von =
Anglizismen=20
überfrachtet.
Dafür setzt sich =
ein für die=20
englische Sprache typisches Element zunehmend auch im dt. Sprachraum, =
und hier=20
zunächst v. a. im Internet-Bereich, durch: die =
Binnenmajuskel. Bsp.:=20
FestSpielHaus (in St. Pölten), BahnCard, WebKatalog, =
InterAktion,=20
CityChat. Im Englischen erfüllen sie eine wesentliche =
semantische Funktion,=20
da viele Zusammenhänge ohne die Binnenmajuskel nicht klar =
würden. Außerdem=20
bieten sie einen Vorteil für Computerprogramme, da diesen das =
Erfassen von=20
Leerzeichen oft nicht leicht fällt. Im heutigen Deutsch sind sie =
teilweise zum=20
Prestigeobjekt geworden, z. B. im genannten FestSpielHaus. Auch =
das=20
E-Mail gibt momentan noch Rätsel auf, wie es geschrieben =
werden soll:=20
E-Mail (Duden), Email, e-Mail, e-m@il oder sonst wie? =
Dieses=20
Problem wird sich im Lauf der Zeit wahrscheinlich von selbst=20
lösen.
Neben dem "E-Mailen" =
steht mit=20
dem Internet noch eine zweite sprachliche Neuerung in Verbindung: das=20
Chatten. Auch hier werden - vielleicht entgegen der Erwartungen =
vieler -=20
relativ wenig Anglizismen verwendet. Sie treten verstärkt =
hauptsächlich bei=20
Begrüßungs- und Verabschiedungssequenzen auf. Weil sich =
Chatter beim Chatten=20
neue Namen geben, entsteht auch hier ein Feld für Anglizismen: =
Netranger,=20
Spacewoman. In Österreich scheint diese Praxis weniger =
üblich zu sein. Es=20
überwiegen dt. Bildungen wie Superfrau o. Ä. Angeblich =
häufig in der=20
Chat-Kommunikation, im Chat-Slang, sind Akronyme. Sie sind =
gewissermaßen=20
das Kennzeichen des Chat-Slangs (vgl. Oliver Rosenbaum: Der =
Chat-Slang=20
[Wörterbuch]). Akronyme werden meistens aus englischen Formen und =
Phrasen=20
gebildet: nbd =3D 'no big deal' =3D 'kein großes =
Geschäft', 'keine große=20
Sache'; NDA =3D 'non-disclosure agreement' =3D 'Vereinbarung der=20
Nichtoffenlegung', mL =3D 'mililapsum' =3D 'Einheit für die =
durschnittliche=20
Sprechgeschwindigkeit von Usern' (Durchschnitt: 200 mL), =
roflol =3D=20
'rolling on the floor laughing out loud'. Siehe zum Cyberslang die unter =
A.=20
angeführten beiden Webseiten.
Betrachtet man den =
Komplex der=20
Netzsprache als Ganzes, so scheint es, als ob eigentlich nicht =
wesentlich mehr=20
oder weniger fremdsprachliche Ausdrücke (speziell Anglizismen) =
vorkämen als in=20
der Alltagssprache. Auch Originalitäten wie die Akronymwörter =
sind in=20
Wirklichkeit nicht besonders weit verbreitet. Bei der Diskussion um die=20
Fremdwörter im Internet scheint viel heiße Luft im Spiel zu =
sein (s.=20
D.).
Dieter E. Zimmer =
vergleicht in=20
seinem Fremdwörter-Buch die Sprachen Englisch, Dänisch, =
Niederländisch,=20
Französisch, Finnländisch, Italienisch, Polnisch, Schwedisch, =
Spanisch und=20
Deutsch bzgl. der Handhabung von Fremdwörtern. Die =
fremdwortfreundlichste=20
Sprache ist Dänisch. Am meisten Anglizismen ersetzt werden (nicht =
im=20
Französischen, sondern) im Finnischen, gefolgt vom Schwedischen, =
dann vom=20
Französischen. Bemerkenswert ist der gravierende Unterschied =
zwischen den beiden=20
skandinavischen Sprachen Dänisch und Schwedisch. Vielleicht gibt =
Schrodt die=20
Tabelle Zimmers als Bilddatei ins Internet.
D. Computerjargon =
und=20
Eindeutschungsversuche dazu
Bei der Frage nach =
der=20
Eindeutschung von Termini aus Fachsprachen, hier aus dem Fachbereich =
Computer,=20
muss man sich zuerst fragen, ob die Begriffe überhaupt Teil der =
Alltagssprache=20
sind. Bsp.: Cache (das eigentlich ausgesprochen werden =
müsste, da es aus=20
dem Frz. stammt) benennt einen Zwischenspeicher, der einen rascheren=20
Datenzugriff ermöglicht; ein Begriff, den man in der =
alltäglichen Kommunikation=20
nicht braucht; ein compiler ist ein Übersetzungsprogramm, =
das=20
Programmierbefehle aus der jeweiligen Programmiersprache in die =
Maschinensprache=20
umsetzt; auch überflüssig in der Alltagssprache. Je =
länger das Computerwesen=20
besteht und je ausgefeilter die Programme von Jahr zu Jahr werden, desto =
weniger=20
gut muss der durchschnittliche Benützer über das Innenleben =
und die tieferen=20
Zusammenhänge des Computers Bescheid wissen. Damit wird auch das =
Ersetzen von=20
Fremdwörtern überflüssig. Untersuchungen aus rezenter =
Zeit haben gezeigt, dass=20
der Wortbestand der Computer-Fachsprache, der auch in der Alltagssprache =
vorhanden ist, erstaunlich klein ist.
Trotzdem: Die =
Bestrebungen zu=20
Eindeutschungen haben seit Leo Weisgerber Bestand, der 1969 vorschlug, =
das Wort=20
Computer selbst durch Verdater zu ersetzen. Seine drei =
Gründe=20
waren: (1) Laut und Betonung des Fremdworts sind schwer einpassbar; (2) =
das=20
Fremdwort ist keine stützende Hilfe für den dt. Wortschatz; =
(3) das Fremdwort=20
offeriert keine Möglichkeiten für weitere Ausprägungen. =
Aus heutiger Sicht kann=20
man sagen: Weisgerber hat sich geirrt. Vielmehr verdienen die =
Eindeutschungen=20
selbst Kritik und sind keineswegs unproblematisch. So ist ein =
Provider=20
nicht irgendein 'Anbieter', sondern umfasst ein geringeres =
Bedeutungsfeld; ein=20
Plotter ist nicht irgendein 'Drucker', sondern ein Gerät zur =
unmittelbaren Darstellung von grafisch fassbaren Informationen. Es sind=20
Zeichenstifte, die elektronisch geführt werden. In =
Wörterbüchern wird das dt.=20
Wort Zeichenmaschine als Erklärung angegeben, was aber =
eigentlich zu=20
ungenau ist. Auch hier ist das semantische Feld des dt. Begriffs zu =
weit. Eine=20
schwierige Frage geben die Begriffe Bildschirm - screen - display =
auf. In=20
den gängigen Fremdwörterbüchern wird Display mit =
Bildschirm=20
übersetzt, doch das dürfte nicht ganz den Punkt treffen. Ein =
Display ist=20
eher zu definieren als LCD-Bildschirm mit einer relativ geringen=20
Auflösung.
Ein Problem, das den =
Anglizismen=20
oft angelastet wird, ist, dass sie sich morphosyntaktisch nicht oder nur =
unzulänglich ins Deutsche eingliedern lassen. Sie entsprechen nicht =
dem=20
"Tiefencode" (ein Ausdruck Dieter E. Zimmers aus seinem Buch zur=20
Fremdwortproblematik, der nichts mit Generativer =
Transformationsgrammatik zu tun=20
hat). Bsp.: backuppt, gebackuppt, upgebackt? Doch die Kritik =
wirkt ein=20
wenig überstürzt, da sich auch diese Fremdwörter im Lauf =
der Jahre=20
morphosyntaktisch ins Dt. eingliedern werden (vgl. Koks und =
Keks).=20
Bei neueren Anglizismen zeigt sich oft das Bedürfnis, bei der dt. =
Flexion das=20
fremdsprachliche Verb zu zerlegen, Distanzbildungen zu verwenden: Ich =
maile=20
e wäre denkbar.
Doch die =
Fremdwortkritik, die mit=20
morphosyntaktischen Problemen argumentiert, ist nicht stichhaltig. Auch =
dt.=20
Wörter wie bausparen geben Fragen bzgl. ihrer Flexion als =
Verb auf.=20
Weiters ist es relativ egal, wie etwa die "richtige" Flexion von =
grabben=20
(einen Screenshot erstellen mit einem dafür konstruierten Programm; =
ne. to=20
grab) lautet, da es nicht sicher und möglicherweise eher =
unwahrscheinlich=20
ist, dass dieses Wort überhaupt Eingang in die Alltagssprache =
findet. Wenn es=20
allerdings grabben als Verb geben wird, ist die Flexion auch klar =
(Auslautverhärtung usf.). Die Gefahr, dass sich Verben nicht =
eingliedern lassen,=20
gibt es nicht.
Schlussfolgerung =
(nach dem=20
Aufsatz von Schlobinski, der zu diesem Thema gelesen werden sollte): =
Deutsche=20
Entsprechungen erfassen den Sinn der Anglizismen großteils nur =
ungenügend und=20
sind nicht besonders brauchbar. Außerdem macht die Ersetzung =
ohnehin wenig Sinn,=20
da (1) die Termini oft nicht der Alltagssprache angehören und (2) =
auch als=20
Fremdwörter ins Dt. eingegliedert werden können. Die =
Argumente gegen die=20
Anglizismen im Computerbereich sind daher weniger =
sprachwissenschaftlich,=20
sondern ideologisch, kultursozioligisch und kulturpolitisch. Eine =
weitere=20
Arbeit zum Thema Computerjargon und Eindeutschung ist =
Wortschöpfung in der=20
Fachsprache der EDV.
E. In welchen =
Bereichen können=20
wirkliche Probleme auftreten?
In Bereichen, in =
denen die=20
Anglizismen vom Fachwortschatz übergehen zur Alltagssprache und es =
daher zu=20
wirklichen Verständigungsschwierigkeiten kommen kann. Im Folgenden =
wird der neue=20
Telekom-Katalog Frühjahr Sommer 2000 besprochen. Zuerst muss =
die Frage=20
gestellt werden, für wen dieser Katalog denn ist und ob er =
überhaupt Teil der=20
Alltagskommunikation ist. Die Antwort resultiert aus einer quasi=20
volksaufklärerischen Situation oder Aufgabe, die mit den neuen=20
Kommunikationsformen erfüllt wird. Daher sollte der Telekom-Katalog =
jeden=20
ansprechen, und vielleicht den mit den modernen Lebensformen nicht =
Vertrauten=20
sogar am meisten (freilich soweit er über die finanziellen =
Möglichkeiten=20
verfügt).
Auf Seite 110 =
schließt der=20
Katalog mit dem Kapitel "Fachbegriffe und Abkürzungen"; =
Erklärungen, die=20
dem Leien das Lesen des Katalogs ermöglichen sollen. Daraus nun =
einige Bsp.:=20
"ADSL (Asymmetric Digital Subscriber Line): Ultraschneller =
Datenhighway":=20
Die dt. Übersetzung stimmt einfach nicht. ADSL meint, dass =
der=20
Datentransfer vom Internet schneller vonstatten geht als zum Internet, =
was bei=20
den meisten Usern vernünftig ist. "GAP (Generic Access Profile): =
Sie können=20
Mobilteile verschiedener Hersteller mit der Basisstation Ihres =
Schnurlostelefons=20
betreiben. Das Mobilteil muß vorher bei der Basisstation =
angemeldet (eingebucht)=20
werden.": Diese Erklärung lässt es allenfalls erahnen, um =
was es geht.=20
"MFV-Nachwahl (Mehrfachfrequenzwahlverfahren-Nachwahl)": ein =
Hinweis,=20
dass es beim Fachwortschatz keinesfalls nur um Anglizismen geht. =
"Paging:=20
Nennt man bei Schnurlostelefonen den internen Ruf von der Basis zum =
Mobilteil=20
(z. B. wenn man vergessen hat, wo der Mobilteil liegt).": =
Paging kann=20
aber auch anderes bedeuten. Z. B. erinnert es an den Pager. =
Drittens (und=20
im eigentlichen Sinn) meint es jedoch 'die Technik des Seitenaustausches =
bei der=20
virtuellen Speicherverwaltung'.
Das Problem aller =
dieser Wörter=20
kommt nicht daher, dass es Anglizismen sind, sondern weil sie zu einem=20
bestimmten Fachwortschatz gehören. Wichtig ist nun, wie man =
Begriffe aus einem=20
Fachwortschatz erklären kann. Die obige Definition von =
Paging kann es=20
nicht sein. Die Fremdwörtbücher, die nur einzelne Wörter =
erklären (oder auch=20
nicht), können die Fachsprache nicht in den Griff bekommen. =
Sinnvoller ist es=20
daher Bücher zu schreiben, die auch den Verwendungszweck der =
Wörter behandeln.=20
Aus einem diesen Ansprüchen genügenden Computerlexikon eines =
Fachverlags wird=20
nun die Erklärung von Paging vorgelesen. Man gelangt so =
wenigstens zu=20
einer vagen Vorstellung, um was es sich handelt. Und Erklärungen - =
auch aus=20
Spezialbereichen - können immer wieder benötigt werden; z. B. =
wenn jemand seinen=20
Computer ausbauen will, und im Geschäft nach der Art der =
Schnittstelle befragt=20
wird (Stichworte USB-Schnittstelle, Bus); also in einer=20
Alltagssituation. Das bloße Verdeutschen genügt aber =
nicht. Zum wirklichen=20
Erfassen des Sinns ist eine Beschreibung, basierend auf dem =
alltagssprachlichen=20
Verhalten, von Nöten.
#11, Mi., 07.06.2000, Hörsaal =
30 des Instituts=20
für Germanistik
[Fortsetzung von: =
V.=20
Fremdwörter in Fach- und Sondersprachen]
Zum Thema Anglizismen =
im=20
Internet: www.et.fh-osnabrück.de/~uklopp/cal-de.htm. Hier findet =
sich u. a. ein=20
Verzeichnis von - angeblich - beim Chatten gebrauchten Abkürzungen; =
z. B.=20
bd 'bis dann', adAadS 'aus den Augen aus dem Sinn', =
iAmiDn=20
'Im Augenblick mag ich dich noch' oder iha 'Ich hasse =
Abkürzungen'.Bzgl.=20
der Neologismen wird ergänzt, dass sie in der Alltagssprache eher =
selten, in=20
Fachsprachen jedoch sehr häufig sein können. Ein =
Paradebeispiel: TWAIN :=20
'toolkit without any interesting name' (ein Scanner-Treiber); ein =
beinahe=20
ironisches Akronym.
F. Anglizismen in =
Mode und=20
Werbung
Schrodt erinnert an =
die erste=20
Vorlesungsstunde (#1) und den damals besprochenen Prospekt des =
Kaufhauses=20
Steffl. Auch an diesem konnte beobachtet werden, dass Anglizismen =
in der=20
Modesprache sehr beliebt sind. Ein Artikel zu Frühjahrstrends wird =
vorgelesen.=20
Einige Anglizismen daraus: Hippie, Sportswear, Netz-Shirts,=20
Trainingsanzug (die letzten beiden sind hybride Bildungen), =
Outfit,=20
Fitness-Jünger, Lycra-Oberteil, T-Shirts (diese sind =
lässig und work;=20
was work hier bedeuten soll, wissen wohl nur sehr wenige),=20
Accessoires (das erste frz. Fremdwort des Artikels),=20
Hype.
Die Frage einer=20
wissenschaftlichen Behandlung des Themas müsste lauten: "Welche =
Funktion=20
erfüllen Anglizismen in der Modesprache?" Jedenfalls scheinen sie =
einen großen=20
Einfluss auf das Konsumverhalten auszuüben, wie ein z. T. =
vorgelesenes=20
Spiegel-Interview mit dem kalifornischen Trendscout Bairech =
dokumentiert.=20
Er betont die Bedeutung des Outfits für die =
Persönlichkeitsbildung und=20
prognostiziert für den Jahrtausendwechsel (das Interview liegt =
bereits einige=20
Zeit zurück), dass die Easy-wear, aufs Praktische =
ausgerichtete Kleidung,=20
sich durchsetzen wird. Dieses Wort[!] wird Europa=20
erobern.
Unter=20
www.snafu.de/~iik/leonardo/de/analyse.ht gibt es ein multimediales=20
Sprachlernprogramm für die Werbesprache zu bestaunen. Als =
Grundsätze für die=20
Verwendung (bzw. deren Ursache) von Fremdwörtern in der Werbung =
gelten hier:=20
Internationalität, Modernität und die Ansprache von =
Zielgruppen. Fremdwörter=20
werden also gezielt eingesetzt, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. =
Näheres=20
dazu in:
VI. Anglizismen in =
Zeitschriftenwerbung und Zeitung
Sechs Motive =
bestimmen und=20
evozieren die Verwendung von Fremdwörtern: Kolorit (Schaffung einer =
- bei=20
Anglizismen: amerikanischen - Atmosphäre, eines bestimmten =
Fachkolorits >=20
Computer oder Sachkolorits > Hippie), Kürze und Präzision =
(Stress, Toast),=20
Verschleierung (Euphemismen), Lebendigkeit (bildhafte Sprache), Ton =
(Sprachstil,=20
Kritik, Humor, Ironie etc. > Intertextualität; z. B.: some =
like it=20
cool als Werbespruch für Leuchtstoffröhren), Variation im =
Ausdruck (Bsp.:=20
Team und Mannschaft im Sport; sonst: Team andere =
Bedeutung=20
als Mannschaft).
Der Vortrag folgt =
nun: Dagmar=20
Schütte: Das schöne Fremde. Anglo-amerikanische =
Einflüsse auf die Sprache der=20
deutschen Zeitschriftenwerbung. Opladen 1996. Das Besondere an =
dieser Arbeit=20
ist, dass Schütte nicht rein sprachhistorisch vorgeht, sondern die =
sprachlichen=20
Entwicklungen in Verbindung mit Werbepsychologie und Alltagskultur =
sieht. Ihre=20
Methode ist dabei deduktiv; d. h., sie formuliert (aus der bisherigen=20
Fachliteratur gewonnene) Hypothesen (insges. 13), um diese an einem =
Korpus zu=20
überprüfen. Die wichtigsten Teile der Arbeit sind im Internet =
abrufbar auf=20
Schrodts Homepage. In der Vorlesung wird im Wesentlichen dieser Teil des =
Artikels referiert, wenngleich in leicht variierter Anordnung der =
einzelnen=20
Teile. Ich werde im Folgenden auf genaue Quellenangaben zu den Zitaten=20
verzichten und nur das jeweilige Kapitel angeben.
Grundlegend für =
die Diskussion zu=20
Anglizismen in der Zeitungswerbung sind die Werte, die eine Gesellschaft =
bestimmen. Schütte unterscheidet fünf Werte: traditionelle, =
hedonistische,=20
gesellschaftliche, individuelle und sonstige. Im Lauf der Jahre =
verschieben sich=20
die Werte einer Gesellschaft (Kap. 7):
"=20
Anhand der in den Anzeigen des untersuchten Samples thematisierten Werte =
können=20
ein Werteumbruch seit den 60er Jahren sowie eine zunehmende=20
Wertepluralisierung nachgewiesen werden. Hedonistische Werte=20
(insbesondere "Individualität", "Freizeitgenuß", "gehobene =
Ansprüche",=20
"Modernität", "Erfolg", "Life-style" und "Trendbewußtsein)" =
sowie die Werte=20
"Umweltschutz" und "Technischer Fortschritt" werden immer wichtiger. =
[Der=20
hedonistische Wert "Schönheit" hingegen kommt nicht besonders =
häufig vor.]=20
Demgegenüber ist bei traditionellen Werten (besonders "Familie" und =
"Sparsamkeit") ein Rückgang der Nennungen zu verzeichnen. Die =
sprachliche=20
Gestaltung von Anzeigen steht in statistisch signifikantem Zusammenhang =
mit der=20
Art der thematisierten Werte. Die Hypothese "Der Anglizismen-Anteil =
ist in=20
Anzeigen, die hedonistische Werte thematisieren, größer als =
in Anzeigen, in=20
denen andere Werte thematisiert werden" kann bestätigt werden (vgl. =
Kap. 6.2).=20
Überdurchschnittlich hoch ist der Anglizismen-Anteil auch in =
Anzeigen mit=20
Nennungen der Werte "Technischer Fortschritt" und =
"Internationalität." Die=20
niedrigsten Anglizismen-Anteile finden sich in Anzeigen ohne explizite=20
Werte-Thematisierungen. Des weiteren lässt sich ein =
überdurchschnittlich=20
schwacher Integrationsgrad der Anglizismen in Anzeigen mit Nennungen=20
hedonistischer Werte feststellet. Anglizismen in Anzeigen, in denen =
diese=20
hedonistischen Werte in englischer Spräche thematisiert werden, =
sind am=20
schwächsten in die deutsche Sprache integriert. Englischsprachige=20
Werte-Thematisierungen finden sich verstärkt in den 80er und 90er =
Jahren und=20
kommen vor allem in Anzeigen für Zigaretten, Autos oder technische =
Produkte=20
sowie in der Imagewerbung vor. Anzeigen mit englischsprachigen=20
Werte-Thematisierungen weisen darüber hinaus einen doppelt so hohen =
Anglizismen-Anteil auf wie Anzeigen der Grundgesamtheit. =
Diese=20
Ergebnisse zeigen, dass Frequenzen und Funktionen von Anglizismen eng =
mit=20
inhaltlichen Aspekten der Anzeigengestaltung verknüpft sind. In =
Anzeigen mit=20
Nennungen traditioneller Werte werden Anglizismen vor allem aus =
Sachzwängen und=20
in erster Linie in Fließtexten eingesetzt. In Anzeigen, die den =
Wert=20
"Technischer Fortschritt" thematisieren steht der hohe =
Anglizismen-Anteil nicht=20
in direktem Zusammenhang mit der Werte-Thematisierung. Vielmehr handelt =
es sich=20
bei diesen Anzeigen häufig um Anzeigen für technische =
Produkte, deren starke=20
Abhängigkeit von englischen Fachwörtern nachgewiesen werden =
konnte. In Anzeigen,=20
die den Wert "Internationalität" nennen, soll diese =
Intemationalität auch durch=20
die Wortwahl dokumentiert werden. Darüber hinaus sind diese =
Anzeigen vielfach=20
für internationale Absatzmärkte konzipiert. Die Verwendung der =
englischen=20
Sprache als wichtiger internationaler Verkehrssprache liegt daher nahe. =
In=20
Anzeigen mit Thematisierungen hedonistischer Werte wird die Orientierung =
an=20
Aspekten der amerikanischen Alltagskultur auch sprachlich umgesetzt. Die =
durch=20
direkten Kulturkontakt, vor allem aber medial vermittelten Konzepte =
vieler=20
Deutscher vom "American Way of Lire" sind eng mit Werten wie =
Freizeitgenuss,=20
Individualität und Fortschritt verknüpft. Lebensstilanalysen =
weisen nach, dass=20
Konsumenten, die sich an diesen Werten orientieren, eine - aufgrund =
ihrer=20
zahlenmäßigen Stärke und ihrer Kaufkraft - relevante =
Zielgruppe darstellen.=20
Sowohl durch die explizite Nennung hedonistischer Werte als auch durch =
die=20
verstärkte Verwendung von Anglizismen erhalten Anzeigen für =
dieses Marktsegment=20
Aktualität. Insbesondere Anglizismen in Slogans fördern die =
Assoziation mit den=20
genannten Werten und dem Produkt, das als Möglichkeit der =
Bedürfnisbefriedigung,=20
d.h. Wertkonkretisierung wahrgenommen wird. Sowohl die Art der =
thematisierten=20
Werte als auch die sprachliche Gestaltung der Anzeigen können daher =
als das=20
Resultat zielgruppenorientierter Werbestrategien betrachtet werden. =
Diese=20
Strategien unterscheiden sich in Anzeigen verschiedener Produktbereiche=20
erheblich voneinander:
[Es=20
folgen verschiedene Anzeigentypen, die deduktiv ermittelt wurden. Das Um =
und Auf=20
des deduktiven Herleitens ist das Vorgehen nach nur einem Kriterium. Als =
sechster Anzeigentyp wäre ein diffuser Typ zu ergänzen, =
der schwer=20
Zuordenbares wie Werbung für Medien oder Möbel enthielte.] Der =
Zusammenhang=20
zwischen der Art des beworbenen Produktes und der Art der thematisierten =
Werte=20
ist statistisch signifikant. Besonders in Anzeigen für Kosmetik, =
Mode, Alkohol,=20
Zigaretten und Reisen sowie in der Imagewerbung dominieren Nennungen=20
hedonistischer Werte sowie des Wertes "Internationalität." In =
Anzeigen für=20
technische Produkte wird der Wert "Technischer Fortschritt" am =
häufigsten=20
genannt. Auch hinsichtlich des Anglizismen-Vorkommens und der =
Integration der=20
verwendeten Anglizismen sind Anzeigen verschiedener Produktbereiche =
signifikant=20
verschieden. Dies zeigt, daß die Variablen =
"Werte-Thematisierung",=20
"Produktgruppe" und "sprachliche Gestaltung der Anzeige" in hohem =
Maße=20
interdependent sind. Die Hypothese "In Anzeigen für Produkte aus =
den Bereichen=20
Mode, Technik, Reisen, Kosmetik, Zigaretten und alkoholische =
Getränke ist der=20
Anglizismen-Anteil größer als in Anzeigen für =
Dienstleistungen, pharmazeutische=20
Produkte und Güter des täglichen Bedarfs" wird bestätigt =
(vgl. Kap. 6.3).=20
Aufgrund der Unterschiede in bezug auf die Frequenzen und den =
Integrationsgrad=20
der Anglizismen können Anzeigen verschiedener Produktbereiche =
einzelnen Typen=20
zugeordnet werden. Zum Typ "deutsche Anzeige" gehören =
Anzeigen für=20
pharmazeutische Produkte, Parteien und Organisationen sowie Güter =
des täglichen=20
Bedarfs. Anglizismen werden hier selten verwendet und sind stark in die =
deutsche=20
Sprache integriert. Der "stilvolle Typ" umfaßt Anzeigen =
für Kosmetik und=20
Mode. Anglizismen haben einen hohen Anteil am Text von Slogans und =
Schlagzeilen.=20
"Wissenschaftliche Anzeigen" werben für technische Produkte, =
Autos oder=20
Dienstleistungen. Trotz hoher Summen von Anglizismen, vor allem in =
Fließtexten,=20
ist hier aufgrund insgesamt umfangreicher Anzeigentexte der =
Anglizismen-Anteil=20
gering. Bei den Anglizismen handelt es sich vorwiegend um =
Fachwörter und somit=20
um stark integrierte Anglizismen. Der "Wenn, dann..."-Typ =
umfaßt Anzeigen=20
für Alkohol und Parfüm sowie Imageanzeigen. Anglizismen kommen =
in weniger als=20
der Hälfte der Anzeigen dieser Produktgruppen vor. Wenn sie jedoch =
verwendet=20
werden, ist ihr Anteil am Gesamttext der Anzeige =
überdurchschnittlich hoch. Es=20
handelt sich zumeist um Anglizismen, die der Unterstützung des=20
produktspezifischen Eriebnis-profils dienen. Anzeigen für =
Zigaretten und Reisen=20
werden dem "Englisch pur"-Typ zugerechnet. In =
überdurchschnittlich vielen=20
Anzeigen kommen Anglizismen vor. Diese haben zudem einen hohen Anteil am =
Gesamttext."
Weiters muss der Sinn =
und Zweck=20
von Werbebotschaften im Auge behalten werden, wenn man sich der =
Fremdwortfrage=20
widmet. S. 56-65:
"Zahlreiche Forscher führen die =
Wahl bestimmter=20
Wörter und rhetorischer Figuren auf verschiedene Grundfunktionen =
von Werbetexten=20
zurück, von denen die folgenden besonders her- =
vorzuheben sind:
-=20
Vermittlung von Images ("The taste of a new generation"); =
-=20
Selbstanpreisung, vor allem durch semantische Aufwertung ("One of the =
most=20
distinguished tobacco houses in the world");
-=20
Anspielung auf den Prestigegewinn für den potentiellen Konsumenten =
durch die=20
Wahl von Wörtern aus gehobenen Sprachschichten oder durch =
Fremdwörter("Die=20
Business-Airline");
-=20
Unterhaltungs- und Erlebnisfunktion ("Come to Marlboro Country");=20
-=20
Andeutung von Wissenschaftlichkeit' ("XY mit dem TAED-System"; "Der =
neue=20
XY mit Hyper-Smoothing-System").
Welche=20
dieser Funktionen im Hinblick auf die sprachliche Gestaltung von =
Anzeigentexten=20
im Vordergrund stehen, hängt von der Art des beworbenen Produktes, =
dem=20
ausgewählten Werbeträger und der anvisierten Zielgruppe ab. =
Generell gilt für=20
die Werbesprache, dass sie sich, einem ständigen =
Kreativitätsdruck folgend, ihre=20
eigenen Codes entsprechend den oben beschriebenen Strategien schafft. =
Dabei ist=20
der pragmatische Charakter dieser Textsorte bestimmend für Wortwahl =
und Satzbau.=20
Dennoch ist die Sprache der Werbung keine Sondersprache, wie etwa =
Römer annimmt.=20
Zwar hat sie aufgrund ihrer spezifischen Funktionen und ihres =
anpreisenden=20
Charakters zumeist keine "Sprechwirklichkeit" im Alltag der Rezipienten. =
Sie=20
beinhaltet jedoch Elemente aus Umgangs-, Hoch- und Fachsprache.' Nicht =
alle=20
Merlanale, die eine Sondersprache kennzeichnen (begrenzter =
Sprecherkreis,=20
besonderer Wortschatz, esoterische Kommunikation und besonderes=20
Ausdrucksbedürfnis), treffen auf die Sprache der Werbung im =
allgemeinen zu,=20
sondern gelten allenfalls für einzelne Werbetexte. Die Sprache der =
Werbung=20
unterscheidet sich von der Umgangssprache vor allem durch besonders hohe =
Frequenzen bestimmter syntaktischer Konstruktionen (etwa Ellipsen oder=20
Imperative) sowie lexikalische Eigenarten, die jedoch oft aus der =
Gemeinsprache=20
oder aus Fachsprachen entlehnt und erforderlichenfalls verfremdet werden =
("porentief rein"; "aprilfrisch"). Nicht selten finden die Ergebnisse =
solcher=20
kreativer Prozesse Eingang in die Alltagssprache, wie sich unter anderem =
an der=20
Integration von Fremdwörtern in die deutsche Alltagssprache zeigen =
läßt."=20
Schrodt bespricht =
anschließend=20
die Kapitel 2.3.3, 3.5, 3.5.1, 3.5.2 und 7, die ich - weil sie ohnehin=20
nachgelesen werden können - hier nicht anführe. Er endet (aus =
Zeitgründen)=20
mitten in Abs. 6. des 7. Kap. Teilweise fügt er Bemerkungen hinzu: =
Vieles (v. a.=20
die Zitate Glasers in Schüttes Arbeit) ist wertend, weil die =
Wertgeschichte=20
zwangsweise nicht neutral betrachtet werden kann. Zu den =
"Werteablehnern" (Kap.=20
3.5): Auch heute hegen manche Menschen eine gewisse =
Technik-Feindlichkeit. Eine=20
Erklärungsmöglichkeit wäre die Orientierungslosigkeit =
angesichts des=20
Wertepluralismus. Zu Kap. 3.5.2, Abs. 1: Der Käufer definiert sich =
selbst durch=20
sein Kauf- und Konsumverhalten. So kommt es, dass manche Produkte =
Freiheit o. a.=20
vermitteln. Vgl. die Autowerbungen, wo Autos in einsamer Wildnis =
präsentiert=20
werden.
Letzten Endes =
formuliert Schrodt=20
seine Ansicht zur Funktion von Fremdwörtern (in der Werbung, aber =
z. T. auch=20
sonst): Die Sprache dient nicht nur dem Kommunizieren, sondern es gibt =
auch ein=20
sprachliches Nicht-Kommunizieren, das der Abgrenzung und =
Individualisierung=20
dient. Anglizismen können Mittel dazu sein.
#12, Mi., 14.06.2000, Hörsaal =
30 des Instituts=20
für Germanistik
[Fortsetztung von: =
VI.=20
Anglizismen in Zeitschriftenwerbung und Zeitung]
Der Auszug aus =
Schüttes Arbeit=20
wird weiter referiert. Zentrale Stellen werden vorgelesen. Im =
Wesentlichen=20
betrifft der Vortrag die Zusammenfassung Schüttes. Einige =
Zusatzbemerkungen=20
Schrodts:
=B7 Ein Slogan ist eine feste, =
fixierte=20
Schlagzeile. [z. B.: Just do it. =
Nike.]
Abschließend =
zeigt Schrodt ein=20
A3-großes Zeitungsinserat, das für einen bestimmten PC wirbt. =
Neben üblichen=20
Fremdwörtern der Computerterminologie und bestimmten Werbeslogans =
und=20
-schlagzeilen (Internet for free, Power-PC) findet sich das Wort=20
Content (groß geschrieben). Es meint hier den Inhalt einer =
Homepage, den=20
persönliche Content. Content ist (noch) nicht in die =
gängigen=20
FW-Bücher aufgenommen, und wenn, dann nicht in dieser Bedeutung. =
Hier entsteht=20
quasi ein Fremdwort unter unseren Augen. Die Frage ist u. a., wie =
Content=20
sinnvoll in einem Lexikoneintrag umschrieben werden=20
könnte.
VII. =
Fremdwörter in der=20
Literatur
A.=20
"Designermineralwasser"
Hierzu gibt es kaum =
Arbeiten,=20
weswegen das Kapitel relativ kurz gehalten wird. Zuerst ein Auszug aus =
einer=20
Arbeit zu Neologismen von Magdalene Matussek; ein Beispiel, in welcher =
Funktion=20
Fremdwörter als Neologismen verwendet werden. Das Beispiel wurde =
einem Magazin=20
der Süddeutschen Zeitung im Jahr 1990 entnommen: "Das =
Design des=20
Seins" lautet die Überschrift; die (für die VO) wichtige =
Phrase:=20
"Designermineralwasser schlürfen". Das Grundlexem =
(Mineralwasser)=20
wird determiniert durch ein Prälexem (Design), das streng =
genommen nicht=20
passt. Mineralwasser kann nicht gestylt werden, es gibt daher kein=20
Designermineralwasser. Ziel der auffallenden Wortneubildung ist =
es, einen=20
bestimmten Lebensstil einer gesellschaftlichen Gruppe auszudrücken. =
Der=20
Neologismus wird gleichsam durch den Kontext bestimmt und wäre =
alleine nicht=20
sinnvoll. Der Text nun lästert in ironischer und satirischer Weise =
gegen den=20
Lifestyle. In solchen Situationen eignen sich Neologismen besonders gut. =
Ebenfalls diese Art der Verwendung von Wortneubildungen behandelt =
Hermann=20
Hunger??? in einer Arbeit zur Wortneubildung bei Nestroy. Auch hier =
dienen=20
Neologismen einem stilistischen, witzigen, satirischen=20
Effekt.
B. =
Fremdwörter im Werk=20
Schillers
Aus dem Jahr 1935 =
stammt eine=20
Dissertation von Fr. Przyklink, die den Fremdwortgebrauch in den Werken=20
Schillers untersuchte. Insgesamt zählte sie ca. 2600 =
Fremdwörter (die einzelnen=20
Varianten eines Fremdworts nicht mitgezählt). Besonders viele =
Fremdwörter fand=20
sie im Jugendwerk Schillers.
Allgemeines zu =
Schiller: Seine=20
Sprache war pathetisch, hochstilisiert, eine Literatursprache. Er =
stammte aus=20
einer kleinbürgerlichen Familie, war geprägt von einer =
strengen Erziehung und=20
später von Krankheit und ständiger Geldnot. Seine Sprache war =
für ihn also z. T.=20
Mittel des sozialen Aufstiegs. Anders als Goethe musste er um =
sprachlichen=20
Ausdruck ringen. Sein affektischer Stil kann (wertend) entweder als=20
revolutionäre Aktivität, aber auch als =
idealistischer Eskapismus=20
umschrieben werden. Mit der gefühlsmäßigen =
Wertsteigerung des Ausdrucks sollte=20
eine Selbsterhöhung einher gehen. Schrodt zitiert einen Germanisten =
der ersten=20
Hälfte dieses Jahrhunderts, der Name wird nicht genannt, der =
Schillers Sprache=20
als undeutsche und hohlklingende Parabelsprache =
herabwürdigt. Von seinen=20
früheren Werken distanzierte sich Schiller später teilweise=20
selbst.
Hinsichtlich der=20
Fremdwortverwendung ergibt sich ein großer Unterschied zwischen =
den Briefen, in=20
denen er v. a. Fremdwörter aus dem frz. Bereich verwendete, und den =
literarischen Werken, wo Schiller lat., frz., griech. u. a. =
Fremdwörter bewusst=20
und gezielt einsetzte. Bsp: Die Vorrede zu den Räubern ist =
in einer=20
humoristischen Passage mit vielen frz. Fremdwörtern durchsetzt, um =
gewisse=20
damalige Gesellschaftsschichten zu karikieren. Besonder gelungen ist =
Schiller=20
die Verwendung der Fremdwörter in Kabale und Liebe: Miller =
verwendet=20
(entsprechend seiner volkstümlichen Natur) Ausdrücke und daher =
auch Fremdwörter=20
aus der Alltagssprache; die Millerin, seine Frau, benutzt "verhunzte"=20
Fremdwörter, die auf ihr beschränktes Wesen schließen =
lassen; deren Tochter, das=20
einfache und schlichte Bürgermädchen Luise, verwendet keine =
Fremdwörter. In=20
einem Gespräch reagiert sich auf viele Fremdwörter der =
Gesprächspartnerin mit:=20
"Das ist mir zu hoch, gnädige Frau." Während Miller von =
Sekretarius spricht, versucht seine Frau Sekertare, Luise =
hingegen=20
Sekretär.
VIII. =
Fremdwörter als=20
Neologismen
Motto: Lassen sich =
sprachliche=20
Erscheinungen voraussehen?
A.=20
"Event"
1. Vorkommen des =
Wortes,=20
verschiedene Kontexte und Bedeutungen
Die Grundfrage ist: =
Was ist=20
eigentlich ein Event? Schrodt referiert aus Material (meist=20
Zeitungsartikel) vom Institut für dt. =
Sprache.
=B7 Ein Artikel der Berliner Zeitung =
von 1997.=20
Der Inhalt ist ein Event der Gruppe Aerosmith. Bereits nach =
wenigen=20
Sätzen erscheint das erste Mal das Wort Event, das mit der =
Apposition=20
"einem Ereignis" glossiert wird. Die Glossierung weist auf die =
Neuheit=20
des Wortes hin. Später im Artikel: "Tyler, der Sänger, war =
ein Event."=20
Das beschriebene Ereignis war eine groß aufgezogene =
Videovorführung mit einem=20
anschließenden Auftritt (nicht musikalisch) der Gruppe (Autogramme =
etc.).=20
Schrodt betont, dass bei einem Event Tickets, nicht=20
Eintrittskarten verkauft werden.
=B7 Ein anderer Artikel verwendet =
Event im=20
Zusammenhang der Beschreibung einer Disco.
=B7 Doch Events gibt es nicht nur =
bei=20
Popkonzerten u. Ä, obwohl Schrodt überzeugt ist, dass der =
Neologismus in diesem=20
Bereich entstanden ist. Eine Weiterentwicklung des ursprünglichen =
Gebrauchs ist=20
daher bereits: "Dadurch ist der Einkauf vor den Toren der =
Großstädte zum=20
Event geworden."
=B7 Ein Text zu Einkaufsfahrten =
("Butterfahrerbusse")=20
von 1997 verbindet Event erneut mit Einkauf: "Die Eltern =
shoppen, die=20
Kinder gehen zum Piratenschiff." NB: Einkauf wird mit Vergnügen =
verbunden,=20
das Shoppen ist ein lustbetontes Einkaufen. Später im Text:=20
"Philosophie vom Event-Shopping", "Hier ist alles=20
Event."
=B7 In einem Artikel zum 'Wort des Jahres =
1998' (von=20
einer Jury gekürt, die in Verbindung mit der Gesellschaft für=20
dt. =
Sprache steht):=20
"Viagra ist das Wort-Event des Jahres."
=B7 Weiterer Artikel: Deutschland ist im=20
Event-Fieber; dann auch: Event-Kultur,=20
Event-Manager.
=B7 Ein Text aus einem Tagesspiegel =
von 1998=20
verbindet Event mit klassischer Musik, und zwar mit =
Veranstaltungen wie=20
die der drei Tenöre.
Generell wird =
Event=20
besonders häufig im Berliner Raum gebraucht.
=B7 Ein für Bayreuth werbender Text =
betont, dass die=20
dortigen Festspiele mehr seien als nur Events; sie seien =
sinnerfüllt usf.=20
Sind Events nicht sinnerfüllt?
=B7 Verwendung von Event auch im =
Bereich des=20
Fußball-Sports.
=B7 Einweihung eines Innovationszentrum =
für=20
Informatik =3D ein Event.
=B7 Eine Reiseveranstaltung als=20
Event.
=B7 Ein Betriebausflug nach Kassel als=20
Event.
=B7 "Berlin braucht Events wie die=20
Reichstagsverhüllung." Das Verhüllen eines Gebäudes =
ist also ein=20
Event, das Malen eines Bildes wohl weniger.
=B7 Aus dem Bereich des Kunstmanagements: =
Die=20
Aufführung der 8. Symphonie von Gustav Mahler wird begründet: =
Sie ist ein großes=20
Werk, da viele Musiker an ihr teilnehmen. Deswegen ist sie ein =
Event.=20
Event steht scheinbar in Verbindung mit der Vielzahl (auch beim=20
Sport).
In den meisten =
Fremdwörterbüchern=20
fehlt Event noch. Nur im Wörterbuch der Szenesprache =
vom=20
Dudenverlag ist es aufgenommen. Das Wörterbuch liefert allerdings =
keine wirklich=20
semantische Beschreibung und keine geglückte Paraphrase [eigentlich =
gar keine=20
versuchte Paraphrase]. Der einzige Vorteil dieses ziemlich miesen Buches =
ist,=20
dass es laufend im Internet unter www.szenesprache.de aktualisiert wird. =
[Hier=20
irrt Schrodt: Event ist - wie auch Body (siehe #13) - im=20
Fremdwörterbuch von Wahrig 1999 [Neuausgabe] und Duden (6)1997=20
enthalten.]
2. Warum=20
Event?
Den Grund für =
den=20
Fremdwortgebrauch, hier für den des Wortes Event, versucht =
Schrodt=20
(wieder; siehe andere VOen) mittels soziolinguistischer =
Umschichtungsprozesse zu=20
erklären. Er ist sich dabei bewusst, dass seine Hypothesen nur auf =
schwachen=20
Boden stehen - schließlich ist er kein Trendforscher oder =
Soziologe -, doch auf=20
das Grundprinzip, Verbindungen zwischen gesellschaftlichen und =
sprachlichen=20
Entwicklungen herzustellen, legt er großen Wert. Es sollte nun =
also versucht=20
werden, soziale Prozesse über den Wortgebrauch zu=20
verfolgen.
In der Schweizer Zs. =
Die=20
Weltwoche wird in der Rubrik Kunst und Kultur ein klassisches =
Konzert=20
und die Festspielthematik im Allgemeinen besprochen. Schließlich =
dreht sich der=20
Artikel um die Shakespeare-Collage Schlachten, aufgeführt =
bei den=20
Salzburger Festspielen 1999. Schrodt verallgemeinert die Beschreibung =
der einen=20
gesamten Tag dauernden Aufführung als Heraustreten des Zusehers aus =
seiner=20
normalen Rolle, v. a. hervorgerufen durch die physische Anstrengung, die =
eine=20
andere (gesteigerte?) Aufmerksamkeit bedingt; ein "gesteuertes=20
Involviertsein". In eine ähnliche Richtung weist eine andere =
Entwicklung im=20
Bühnenwesen der letzten zehn Jahre: Vor ca. zehn Jahren wurde es =
üblich, den=20
Saal zu verdunkeln. Später wurde das Verdunkeln durch ein =
Beleuchten der Musiker=20
mit starken Scheinwerfern ersetzt. Auch dadurch wird die Aufmerksamkeit =
der=20
Zuschauer gesteuert. Hand in Hand mit diesen Phänomenen geht die =
Tendenz, dass=20
Musikfestivals (Schrodt erzählt aus einem Editorial einer =
Klassikzeitschrift von=20
1999) heute nicht mehr Regionen oder Städte vertreten und =
repräsentieren,=20
sondern immer stärker von wirtschaftlichen Überlegungen =
gesteuert werden. Ein=20
Zweck der wirtschaftlichen Ziele und Interessen ist das Kreieren von=20
Events, von herausgehobenen Ereignissen.
Zusammenfassend =
lässt sich=20
folgendes Erklärungsmuster für das Aufkommen von Events =
bestimmen: (1) Die=20
Festivals werden zusehends stärker ökonomisch ausgerichtet. =
(2) Die Bindung an=20
lokale Gegebenheiten ist weniger bedeutend, Events sind eher =
überregionale=20
Ereignisse, die kaum mit einem bestimmten Ort oder Land in direktem =
Zusammenhang=20
stehen. (3) Die Änderung des Lebensstils. Z. B. gibt es heute =
Formen des=20
Extremsports, die früher undenkbar gewesen wären =
(Bungeejumping, Rafting). Ziel=20
ist dabei (und eben auch beim Teilnehmen an Events) das Ausloten der =
eingenen=20
Grenzen. Dieser Trend lässt sich ca. ab 1990 verfolgen, weswegen =
manche von=20
einer zweiten Trendwende sprechen. Die Maxime der VO: =
Sprachgeschichte=20
als Kulturgeschichte.
#13, Mi., 21.06.2000, Hörsaal =
30 des Instituts=20
für Germanistik
[Nachtrag zu V. =
Fremdwörter in=20
Fach- und Sondersprachen, D. Computerjargon und Eindeutschungsversuche=20
dazu]
Das Ergebnis, dass in =
diesem=20
Bereich eigentlich kein tatsächlich greifbares Problem =
bestünde, muss=20
relativiert werden. Schrodt beschreibt eine Aussendung der Telekom =
Austria.=20
Beigelegt ist ein Bestellformular für diverse Angebote der Telekom. =
Dabei wird=20
z. B. im Falle des Bestellens einer Ethernet-Karte (schon diese =
wird=20
vielen ein Rätsel sein und bleiben) eine genaue Spezifikation des =
eigenen=20
Computers, v. a. der Art der Steckkartenplätze am Motherboard, =
verlangt. Die=20
meisten Computerbenützer werden vermutlich kaum auf Anhieb Bescheid =
geben=20
können, ob ihr PC-System USB (universal serial bus), =
PCI=20
(peripheral component interconnect) oder ISA (industry =
standard=20
architecture) verwendet. Es entsteht also ein ernsthaftes=20
Kommunikationsproblem. Zu ergänzen ist, dass dieses Problem weniger =
in den=20
Bereich der Fremdwortproblematik, sondern eher in den des =
Fachwortschatzes=20
fällt.
[Fortsetzung von =
VIII.=20
Fremdwörter als Neologismen]
Als beispielhaftes=20
Neologismen-Wörterbuch nennt und zeigt Schrodt das von Jonathan =
Greene (für die=20
englische Sprache).
B.=20
"Body"
(Dieses Wort fehlt in =
allen=20
gängigen Trendwörterbüchern. [Nicht aber in den =
Fremdwörterbüchern. Siehe=20
#12.])
Die =
Fragestellung für=20
dieses abschließende Kapitel lautet: Wie können sprachliche =
und=20
kulturgeschichtliche Phänomene im gegenseitigen Zusammenhang =
erforscht werden=20
bzw. lassen sich solche Phänomene =
voraussagen?
Zu Beginn ein Artikel =
zur=20
Street-Parade in Berlin. Der Artikel versteht den Techno als =
letzten=20
Triumph des industrialisierten Lebens und der Wirtschaftlichkeit, der=20
Body als Warenzeichen. Mit deutlich kulturkritischem Touch =
umschreibt der=20
Autor die Street-Parade (und was dazu gehört) als =
äußerliche Symbolik, die der=20
Darstellung eines Selbst dient, das es eigentlich nicht gibt. In =
derselben=20
Zeitschrift und zum selben Thema spricht eine Ethnologin (weniger =
wertend) von=20
der hohen Perfektion, die bei solchen Veranstaltungen das =
Präsentieren von=20
ästhetischen Körperpartien erreicht habe. Körper sei =
Mittel des Selbstausdrucks=20
und der Indentitätsfindung; daher Phänomene wie Fitness- und=20
Wellnessbewegungen.
Das Fremdwort steht =
in=20
Zusammenhang mit kulturellen und gesellschaftlichen Phänomenen, es =
sollte daher=20
nicht nur morphosyntaktisch beschrieben werden, sondern man sollte sich =
die=20
Frage stellen, wie es überhaupt zu einem Fremdwort kommt. =
Schrodt referiert zum =
Body=20
aus: Anna Cranny-Frances: The Body in the Text.=20
1995:
Das Aufwerten des =
Körpers ist ein=20
gesellschaftliches Phänomen. Es ist eine Reaktion auf eine lange =
Tradition, auf=20
das Denkmuster der Dualität von Leib - Seele bzw. =
Körper - Geist. Wie=20
auch andere Dualitäten (Geschlecht, Klasse und Rasse: Anglo - =
Nicht-Anglo) ist=20
diese in die westliche Kultur eingeschrieben. Heute brechen diese =
Dualitäten=20
teilweise auf. Bei Magersucht oder Bulimie wird der Körper als =
etwas Fremdes=20
empfunden. Er wird abgelehnt, als Begrenzung, Gefängnis, Feind =
erlebt (so auch=20
schon ansatzweise bei Platon, Augustinus, Descartes u. a., doch wohl =
unter=20
anderen Gesichtspunkten) und somit instrumentalisiert. Die Dualität =
Körper -=20
Geist wird kritisiert.
Diese Tendenz =
lässt sich das=20
erste Mal in der feministischen Kritik der 1970er Jahre verfolgen. Man=20
kritisierte den Anglo, das Männliche, den Durchschnittsbürger =
(mittleres=20
Aussehen und Alter). Schrodt erinnert, für wen Büromöbel, =
Autositze etc.=20
konstruiert und fabriziert werden. Parallel zu dieser Strömung wird =
der Westen=20
stark vom Afro-Look beeinflusst (Dread Locks u. a.), ein z. T. die =
Äußerlichkeit=20
sehr betonender Trend. Der feministischen Kritik der freudschen =
Psychoanalyse=20
(gegen Phallozentrismus) folgte die Wiedergewinnung des Körpers in =
den=20
postmodernen Künsten (Bsp.: Body-Painting, V. Export). Auch in der =
Alltagskultur=20
- die die größte Aufmerksamkeit verdient (siehe vergangene =
VOen) - ist eine neue=20
Betonung des Körperlichen festzustellen; z. B. in einem Musikvideo =
Madonnas, bei=20
dem sie in die Marilyn-Monroe-Rolle schlüpft. In den letzten Jahren =
wird auch=20
der männliche Körper in ähnlicher Weise als Kunstobjekt=20
behandelt.
Es fand (und findet) =
also eine=20
Rekonzeptualisierung des Körpers statt, bei der v. a. die =
Grenzen des=20
Körpers ausgelotet wurden. Die Haut ist zunächst in der =
westlichen Welt tabu=20
(Kleidung). Sie kann jedoch (im weitesten Sinn) markiert werden und so =
soziale=20
Zugehörigkeit ausdrücken. Die Haut und daher der Körper =
bezeichnen die Grenze=20
des Sozialen. Vgl. The Piano =
(1991). Das=20
menschliche Verhalten ist nicht nur biologisch, sondern auch =
soziologisch=20
erklärbar. Am Gang eines Menschen kann oft erkannt werden, woher =
(sozial, nicht=20
geographisch) dieser Mensch kommt. Der Körper unterliegt einer =
sozialen=20
Gestaltung und wird so zum Ausdruck der sozialen Position. Vgl. =
Educating=20
Rita (1985): Körpersymbolik, Kleidung etc. Neben den =
biologischen und den=20
sozialen Körper tritt der technologisierte Körper, der =
Cyborg, der im=20
Prinzip Frankensteins Monster zum Vorläufer hat. Körperwelten =
werden durch=20
Virtualität geschaffen, wodurch gegen das Naturgegebene protestiert =
wird. Dieser=20
Aspekt impliziert eine metaphysische und eine politische Qualität =
der=20
Problematik.
Diese kurze Darlegung =
wäre ein=20
Versuch einer Antowort auf die Frage nach dem Warum des Body. =
Doch die=20
Antwort passierte durch Rückblick. Trotzdem könnte es =
vielleicht möglich sein,=20
solche Entwicklungen zumindest im Groben vorauszusehen. =
Schrodt=20
erzählt dazu aus einem Essay, einem Erlebnisbericht, geschrieben =
1980 und=20
erschienen in der Zs. Kursbuch. Der Autor reflektiert, ausgehend =
von der=20
damaligen Situation in den Berliner Parks, über die ersten =
Anfänge der=20
Körperkultur, die er in den 1970ern beobachtet zu haben glaubt =
(Surfen,=20
Drachenfliegen, Skaten, Rollerskaten etc.). Der Autor vermutet =
Querverbindungen=20
zwischen dem lustbetonten Körperkult und den neuen Sportarten; denn =
diese wären=20
ein narzistisches Spiel mit dem eigenen Körper. Man überwindet =
nicht mehr - wie=20
beim Joggen - den inneren Schweinehund, sondern passt sich mit seinem =
Körper der=20
Materie an und gelangt so zu einem lustvollen Erlebnis. Dieses Essay =
kann fast=20
als Prophezeiung der heutigen Phänomene (wie Love-Parade) gelesen =
werden.=20
Schrodt verweist zudem auf den Werte- und Kulturwandel [hedonistische =
Werte=20
gewinnen seit 1950 immer mehr an Bedeutung; siehe #11], der mit dem =
Besprochenen=20
in engem Zusammenhang steht. Als prägnantes Resümee der =
Entwicklung von ca. 1970=20
bis 2000 ließe sich (bzgl. des Körperkults) postulieren, dass =
Zärtlichkeit und=20
Grausamkeit (> Extremsportarten) vereint =
wurden.
Mit dem =
Prognostizieren von=20
Trends beschäftigt sich das Trend-Büro. Dort werden =
hauptsächlich=20
Zeitschriften exzerpiert und untersucht. Als Ergebnisse stellte man =
für die=20
letzten Jahre fest, dass das Leben operationalisiert wurde; der =
Körperkult=20
(Wellness, Fitness) und die Versinnlichung (v. a. Kosmetikbranche) =
zunahmen;=20
generell einen stärker werdenden Wunsch, verwöhnt zu werden, =
als sich selbst=20
anzustrengen (also weniger die Fitness im konventionellen Sinn). Durch =
eine=20
Analyse der Wörter gelangte man so zu Rückschlüssen auf =
ein posthumanes=20
Körperverständnis. Möglicherweise wird der Körper =
als nostalgische=20
Entdeckungsreise zum Ursprung des Menschen aufgefasst (Versinnlichung)?=20
Festzustellen ist jedenfalls, dass sich bei einer Gegenüberstellung =
von=20
Kontrolle und Lust sowie Harmonie und Konflikt (durch eine =
multidimensionale=20
Skalierungstechnik: Kontrolle - Lust als waagrechte, Harmonie - Konflikt =
als=20
senkrechte Extrema einer Ellipse) die meisten Begriffe um die Lust =
anordnen (im=20
entsprechenden Bereich der Ellipse). Die Frage, wie und ob der =
Körper zum=20
Ursprung des Menschen führen kann, versucht Roland Barthes in dem =
Aufsatz=20
Rasch semiotisch zu fassen. Rasch meint das musikalische =
Tempo,=20
der Aufsatz nähert sich der Thematik über das Singen. Dabei =
ist der Körper das=20
letzte Residuum und daher der letzte Grund der Ordnung. Auch dies =
wäre eine=20
mögliche Erklärung für den zeitgenössischen =
Körperkult.
Schrodts =
Schlussfolgerung=20
[oder sollte man sagen: Hoffnung?] der Body-Thematik ist, dass=20
Voraussagen bis zu einem gewissen Grad möglich sein=20
könnten.
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Kragl