Kasus: Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ;
Numerus: Singular, Plural;
Genus: Maskulinum, Femininum,
Neutrum.
Nach der Deklinationsart
ist zwischen starken Substantiven (Gen. Sg. -(e)s, -e oder endungslos,
z.B. Gen. Sg. Mask. des gastes, Gen. Sg. Fem. der kraft) und
schwachen Substantiven (Gen. Sg. -(e)n, z.B. Gen. Sg. Mask. des
boten) zu unterscheiden. Aus den Merkmalen der mhd. Formen ist noch
teilweise eine ältere Einteilung der Substantive in bestimmte
Deklinationsklassen ablesbar. Die Substantive, die im Mhd. stark flektieren,
hatten ursprünglich - noch im Germ. - zwischen Wurzel und Flexionsmorphem
ein vokalisches Element, das sog. Thema oder stammbildende Element, zur
Verbindung von Wurzel und Endung. Man nennt daher die st. Deklination auch
vokalische Deklination. Bei den sw. Substantiven diente ursprünglich ein
konsonantisches Element zur Verbindung von Wurzel und Endung, deshalb sprechen
wir hier im Mhd. noch von der konsonantischen Deklination. Der
Zusammenfall der ahd. Endsilbenvokale a, e, i, o, u zu e bewirkte, daß das
Substantiv im Mhd. einen geringeren Bestand an unterscheidenden
Flexionsendungen aufweist. Dieser Umstand fördert die Entwicklung des Mhd.
zum analytischen Sprachbau hin.
Deklinationsparadigmen im
Mittelhochdeutschen
Klasse |
Maskulinum |
Neutrum |
Femininum |
|||
Singular |
Plural |
Singular |
Plural |
Singular |
Plural |
|
1 |
der bote |
die boten |
daz herze |
diu herzen |
diu zunge |
die zungen |
2 |
|
diu gebe |
die gebe |
|||
3 |
der tac |
die tage |
daz wort |
diu wort |
diu zît |
die zîte |
4 |
der gast |
die geste |
daz blat |
diu bleter |
diu kraft |
die krefte |
Die weitere Entwicklung des Artikels. Der
Anwendungsbereich des bestimmten Artikels erweiterte sich erheblich bereits im
ausgehenden althochdeutschen Zeitalter. Seit Beginn der mittelhochdeutschen
Zeit wird auch der unbestimmte Artikel regelmäßig gebraucht, vgl. im
„Nibelungenlied“:
Ez
wuohs in Burgonden ein viel edel magedîn . . . si wart ein schoene
wîp „Es wuchs in Burgunden eine edle Jungfrau auf . . .
sie wurde zu einer schönen Frau“.
Auf diese Weise entsteht seit Beginn der mhd. Zeit die
Opposition zwischen dem Substantiv mit dem bestimmten Artikel und dem
Substantiv mit dem unbestimmten Artikel, die die grammatische Kategorie der
Bestimmtheit und Unbestimmtheit zu einer vollentwickelten Kategorie der
Substantive prägt.
Das mhd. Adjektiv. Beim mhd. Adjektiv sind
folgende Deklinationsformen zu unterscheiden:
1. starke Deklination: nominale
Formen (z.B. Nom. Sg. Mask. blint), pronominale Formen (z.B. Nom. Sg.
Mask. blinder);
2. schwache Deklination
(z.B. Nom. Sg. Mask. blinde, Gen. Sg. Mask. blinden).
Die nominalen Formen der
st. Flexion stimmen ursprünglich und teilweise noch im Mhd. mit der st.
Flexion der Substantive überein.
Pronominale
und nominale Formen können von ein und demselben Adjektivstamm gebildet
werden. Die Pronominalflexion der Adjektive ist eine germ. Neuerung. Daß
die nominalen Formen mit der Substantivflexion übereinstimmten, hat das
Germ. dagegen mit anderen ide. Sprachen gemein.
Diese Übereinstimmung liegt
vor im Nom. Sg. Mask./Fem./Neutr., im Akk. Sg. Neutr., im Gen. Sg. Mask./Neutr.
und im Akk. Sg. Fem. Jedoch entsprechen die Endungen des Gen. Sg. Mask./Neutr.
und des Akk. Sg. Fem. auch der pronominalen Flexion.
Mittelhochdeutsche Adjektivendungen
|
Maskulinum |
Neutrum |
Femininum |
|||
nominal |
pronominal |
nominal |
pronominal |
nominal |
pronominal |
|
Nom. Sg. |
-e |
-er |
-e |
-ez |
-e |
-iu |
Nom. Pl. |
-en |
-e |
-en |
-iu |
-en |
-e |
Komparation. Im Mhd. wird der Komparativ durch die Endung -er,
der Superlativ durch die Endung -est gebildet:
kreftic - kreftiger - kreftigest
Da im Ahd. der Komparativ
mit –iro/-ôro und der Superlativ mit –isto/-ôsto gebildet
werden konnte, jedoch nur die Formen mit i-Umlaut
des Wurzelvokals hervorriefen, haben nicht alle Komparative und Superlative im
Mhd. Umlaut. So stehen z.B. nebeneinander: alt - alter/elter, junc -
junger(e)/jünger(e) - jung(e)ste/jüng(e)ste, lanc - langer/lenger.
Suppletiv-Steigerung. Einige
Adjektive bilden in fast allen indogermanischen Sprachen die Steigerungsstufen
von anderen Stämmen, es sind die besonders häufig verwedeten gut,
schlecht, groß, klein:
guot |
bezzer(e) |
bezzest, beste |
übel |
wirser(e) |
wirsest, wir(se)ste |
michel |
mêre, mêrer(e), mêrre |
meiste |
lützel |
minner(e), minre |
min(ne)ste, minnest |
Pronomen
Das Personalpronomen der
1. und 2. Person
|
1. Person |
2. Person |
|
Sing. |
Nom. |
ich |
dû |
Gen. |
mîn |
dîn |
|
Dat. |
mir |
dir |
|
Akk. |
mich |
dich |
|
Plur. |
Nom. |
wir |
ir |
Gen. |
unser |
iuwer, iur |
|
Dat. |
uns |
iu, iuch |
|
Akk. |
unsich, uns |
iuch |
Im Mhd. wird im Akkusativ
Plural der l. Person auch die Dativform uns verwendet, im Dativ Plural
der 2. Person auch die Akkusativform iuch. Zum Nhd. hin setzen sich
diese Formen ganz durch: Dat. Akk. Plur. uns, euch.
Das Personalpronomen der
3. Person
|
Maskulinum |
Neutrum |
Femininum |
|
Sing. |
Nom. |
er |
ez |
siu, si, sie |
|
Gen. |
sîn, (es) |
es, sîn |
ire, ir |
|
Dat. |
ime, im |
ime, im |
ire, ir |
|
Akk. |
in |
ez |
sie, si |
Plur. |
Nom. |
sie, si |
siu, sie, si |
sie, si |
|
Gen. |
ire, ir |
ire, ir |
ire, ir |
|
Dat. |
in |
in |
in |
|
Akk. |
sie, si |
siu, sie, si |
sie, si |
Das Reflexivpronomen
Für die 1. und 2.
Person werden im heutigen Deutsch die Formen des Personalpronomens auch als
Reflexivpronomen verwendet. In der 3. Person steht im Nhd. die Form sich für
Dat. und Akk. des Singulars und Plurals in allen Genera. Im Mhd. dagegen wurden
die Numeri und Genera unterschieden: so heißt es etwa im Dat. Sing.
Maskulinum und Neutrum im(e), im Femininum dagegen ir(e).
|
Maskulinum |
Neutrum |
Femininum |
|
Sing. |
Gen. |
sîn |
sîn |
ir |
|
Dat. |
im, ime |
im, ime |
ir, ire |
|
Akk. |
sich |
sich |
sich |
Plur. |
Gen. |
ir, ire |
||
|
Dat. |
in |
||
|
Akk. |
sich |
Artikel und
Demonstrativpronomen. Die bei der Substantivflexion angegebenen Artikelformen der,
daz, diu usw. sind zugleich Demonstrativ- und Relativpronomen. Die Formen
entsprechen in den Endungen weitgehend denen des Personalpronomens der 3.
Person.
|
Maskulinum |
Neutrum |
Femininum |
|
Sing. |
Nom. |
der |
daz |
diu |
|
Gen. |
des |
des |
dere, der |
|
Dat. |
deme, dem |
deme, dem |
dere, der |
|
Akk. |
den |
daz |
die |
Plur. |
Nom. |
die |
diu |
die |
|
Gen. |
dere, der |
dere, der |
dere, der |
|
Dat. |
den |
den |
den |
|
Akk. |
die |
diu |
die |
Das Interrogativpronomen. Das Interrogativpronomen hat dieselben Endungen wie das
Demonstrativpronomen. Es tritt jedoch nur im Singular, und da nur in den Formen
des Maskulinums und des Neutrums auf. Für das Femininum gelten die
maskulinen Formen, also wer, wes, wem(e), wen. Der Form diu beim
Demonstrativpronomen entspricht die Instrumentalform wiu, die fast nur
noch in Verbindung mit Präpositionen vorkommt, z.B. mit wiu 'womit'.
|
Maskulinum/ |
Neutrum |
Femininum |
|
|
Nom. |
wer |
waz |
Gen. |
wes |
wes |
Dat. |
weme, wem |
weme, wem |
Akk. |
wen |
waz |
Das zusammengesetzte
Demonstrativpronomen. Neben dem einfachen Demonstrativpronomen der, diu,
daz, das auch Artikelfunktion übernimmt, steht ein ursprünglich
aus denselben Formen und einer Verstärkungspartikel sa zusammengesetztes
Demonstrativpronomen, das in der Gegenwartssprache als dieser vorliegt.
Im Mhd. sind für manche Kasus viele Varianten vertreten, die auf
Umgestaltungen der ursprünglichen Formen beruhen. Als Haupttonvokal setzt
sich im Mhd. der Vokal i durch. Die Neutrumform diz (Nom. Akk.
Sing.) enthält die Affrikata ts.
|
Maskulinum |
Neutrum |
Femininum |
|||
Sing. |
Nom. Gen. Dat. Akk. |
dise diser dirre |
diz ditze |
disiu |
||
dises |
dises |
diser dirre |
||||
diseme disem |
diseme disem |
diser dirre |
||||
disen |
diz ditze |
dise |
||||
Plur. |
Nom. Gen. Dat. Akk. |
dise |
disiu |
dise |
||
diser, dirre |
||||||
disen |
||||||
dise |
disiu |
dise |
||||
Possessivpronomen. Im Mhd. werden die
Possessivpronomen mîn, dîn, sîn, unser und iuwer gebraucht,
sîn wird bei der 3. Person für Maskulinum und Neutrum Sing.
gebraucht, im Femininum und im Plur. aller Genera steht die Genitivform des
Personalpronomens: ir. Diese wird gewöhnlich nicht flektiert.
Die Possessivpronomina
zeigen die Flexion der Adjektive (pronominal/stark; nominal/schwach). Nach
bestimmtem Artikel findet sich die starke (neben der nominalen/schwachen)
Endung. Ähnlich wie bei den Adjektiven kann auch die endungslose Variante
benutzt werden, und zwar im Nominativ Sing. aller Genera und im Akk. Sing.
Neutrum.
|
1. Person |
2. Person |
3. Person |
Singular |
mîn |
dîn |
Mask.
/ Neutr: sîn [Fem.: ir] |
Plural |
unser |
iuwer |
[alle Genera: ir] |
Syntax. Im mhd.
Schrifttum blieben viele Eigentümlichkeiten des ahd. Satzbaus erhalten,
die der deutschen Gegenwartssprache fremd sind. Zugleich verstärkten sich
auch viele neue Entwicklungstendenzen, die sich bereits im Ahd. bemerkbar
gemacht hatten. Vom Ahd. übernahm das Mittelhochdeutsche folgende
Charakterzüge, die heute als archaisch wirken:
1) In der ritterlichen Dichtung herrscht dieselbe
Freiheit in der Stellung der Attribute, die das Ahd. kennzeichnete; noch
häufiger als im Ahd. werden dabei auch flexionslose Formen des Adjektivs
gebraucht, z.B. „ein vil edet magedîn“ „ein sehr edles
Mädchen“, „ein edel ritter guot“ „ein guter edler Ritter“.
2) Auch der Kasusgebrauch stimmt im wesentlichen mit dem ahd.
Kasusgebrauch überein.
3) Die Stellung des Prädikats im einfachen und im komplexen Satz
blieb, besonders in der ritterlichen Dichtung, trotz verstärkter Tendenz
zur Regelung noch immer verhältnismäßig ungebunden.
Nur die Anfangsstellung des Prädikats im
Aussagesatz war aus dem Gebrauch gekommen. Das Prädikat konnte aber noch
immer nicht nur die zweite Stelle, sondern auch die dritte und manchmal auch
die Schlußstellung einnehmen:
a) das Prädikat steht an der zweiten Stelle:
„Ich weiz hie vil nâhen einen brunnen
kalt“ „lch kenne hier ganz nahe einen Brunnen mit kaltem Wasser“;
b) das Prädikat steht an der dritten Stelle oder
noch weiter vom Satzanfang entfernt:
„Den troum si dô sagete ir muoter Uoten“
„Den Traum erzählte sie ihrer Mutter Ute“;
c) das Pradikat steht am Satzende:
„An dem vierden morgen ze hove si dô
rîten“ „Am vierten Morgen ritten sie zum Hof“.
4) Ebenso wie im Althochdeutschen steht oft die doppelte
Negation:
„Si ne gesach in leider dar nâch nimmer
mêr gesund“ „Sie hat ihn leider nimmer mehr gesund gesehen“.
5) Gebräuchlich sind noch biverbale Wortgruppen sîn
+ 1. Partizip:
„Mit klage ir helfende manic vrouwe was“ „Mit
Klagen halfen ihr (waren helfend) viele Frauen“.
Zur modernen Satzstrnktur leiten folgende
Entwicklungstendenzen hinüber:
1) Es verstärkt sich die Tendenz zum zweigliedrigen
Satzbau, die bereizs das Ahd. kennzeichnete. Die subjektlose Satzform, die im Ahd.
noch vorkam, wurde jetzt Ausnahme. Sie ist nur noch im Briefstil anzutreffen,
dem sie auch in der deutschen Gegenwartssprache nicht fremd ist.
2) Auch die Tendenz zur unterschiedlichen Entwicklung der Wortstellung
im einfachen und im komplexen Satz kommt im Mhd. stärker zur Geltung.
Was die Wortstellung im einfachen Satz anbetrifft, so
waren bereits im Ahd. Ansätze zur Differenzierung der Wortstellung im
einfachen Aussagesatz, einerseits, und im Frage- und Aufforderungssatz,
andererseits, vorhanden. Obwohl die Anfangsstellung des Prädikats im
Aussagesatz im Ahd. ziemlich verbreitet war, bestand noch in jener Zeit die
Tendenz zur „gedeckten Anfangsstellung“ mittels der Adverbien thô
'da' und thâr 'dort' (z.B. Thô nam her skild indi sper
„Da nahm er Schild und Lanze“).
Auf diese Weise wurde das Prädikat auch bei der
Inversion des Subjekts auf die zweite Stelle verschoben, und es wurden die
Voraussetzungen geschaffen für die Spezialisierung der Anfangsstellung des
Prädikats als Prägemittel von Aufforderungs- und Fragesätzen
ohne Fragewort.
Im komplexen Satz ist die Endstellung des Prädikats
im Gliedsatz noch nicht allgemein, obwohl eine solche Tendenz unverkennbar ist.
Häufig steht das Prädikat in der Mitte des Satzes. Auch die verbale
Klammer ist noch nicht die Regel.
Französische Einflüsse
während der höfischen Zeit (1150 - 1250). Das
ständige Bestreben der deutschen Höfe, dem französischen Ideal zu
entsprechen, evoziert auch viele sprachliche Entlehnungen. Das ideale Rittertum
bzw. die Idee vom idealen Rittertum wird zuerst im altprovenzalischen Minnesang
betont. Über das nördliche Altfranzösisch gelangt die neue
Vorstellung von Gesellschaft in den deutschsprachigen Raum. Der rege
Kulturaustausch passiert durch Reisen, Festlichkeiten etc.
Wieder lassen sich verschiedene Bereiche unterscheiden,
denen besonders viele Entlehnungen zugeordnet werden können:
Geselligkeit: amies, amie
'Geliebte(r)', prisant 'Geschenk', Tanz, Reigen, joie 'Freude', Schalmei,
Posaune.
Kampf und Ritterspiel: Turnier, Jost
'Zweikampf', Lanze, gabilôt 'kleiner Wurfspieß', turnzûne
'abgebrochenes Speerstück', Prinz, Baron, chevalier 'Ritter'.
Kleidung: Collier.
Wohnung: Kastell, Kastellan, Erker
'Schießscharte'.
Handel: Juwelen, Rosine, Safran.
Verben: logieren, regieren,
parlieren (später zu Polier!), turnen, feien.
Adjektiva: fein, rund.
Suffixe: -ie > ei (z.B.:
Fischerei, Zauberei), -lei (z.B.: Vielerlei, Allerlei).
deutsche Wortbildungen: z.B. Amourschaft.
Lehnbedeutung: höfisch
< courtois. Roß < mhd. ros, ors < ahd. (h)ros, as. hros aus ger. *hrussa- n. auch: afr. hors,
hars, hers.