Lektion 3
Die althochdeutschen Verben. Der
neuhochdeutsche Gesamtwortschatz wird mit ca. 500.000 bis 600.000 Wörtern
beziffert, von dem etwa 25% Verben sind. Diese teilen sich auf in zwei Klassen,
die starken Verben, die in ihrer Konjugation einen systematischen
Vokalwechsel (sog. Ablaut) im Grundmorphem (Stamm) haben, und die schwachen
Verben ohne systematischen Vokalwechsel. Der Anteil der starken Verben ist
dabei durchweg der Ältere. Zu den etwa 180 Formen treten keine neuen mehr
hinzu, das System ist abgeschlossen. Neu entstehende Verben haben also immer
eine schwache Flexion (Merkmal: Dentalsuffix im Präteritum).
Das Althochdeutsche kennt zwei synthetische
Tempora, das Präsens und das Präteritum. Die Modi des Ahd. Verbs sind
Indikativ, Konjunktiv und Imperativ. Die Numeri des Ahd. sind Singular und
Plural, die Genera sind das synthetisch gebildete Aktiv und das umschriebene
Passiv, das jedoch noch nicht vollständig ausgebildet ist.
Die ahd. Verben werden nach Jakob Grimm in zwei
Klassen eingeteilt, die Klassen der starken und der schwachen Verben.
Schwache
Verben. Die schwachen Verben bilden ihr Präteritum nicht, wie die starken
Verben, durch die Veränderung ihres Wurzelvokals, sondern durch das
Anfügen des „Dentalsuffixes“ -t-
an den Verbstamm. Das Partizip Präteritum der schwachen Verben endet auf -t: gisalbôt.
Die schwachen Verben sind eine „germanische Neubildung“. Sie sind durch
Ableitungen von starken Verben, Adjektiven und Substantiven entstanden. Sie
werden nach ihren germanischen Ableitungssuffixen in drei Klassen unterteilt:
die -jan-, -ôn- und -ên-
Verben. Das „-j- haltige Suffix“ der
-jan- Verben ist im Ahd. allerdings
nur noch selten erhalten, da es durch Endsilbenreduktion, die im Ahd. bereits
vereinzelt auftritt, geschwunden ist. Die Infinitive der schwachen Verben enden
auf -en: suohen, -ôn:
salbôn und -ên: habên.
Durch das -jan-
Suffix entstanden aus starken Verben schwache Verben mit kausativer Bedeutung.
Kausative Verben bezeichnen den Vorgang des „Verursachens“. Auf diese Weise
sind z.B. schwache Verben wie senken,
sezzen 'setzen' und fuoren 'führen' aus den
starken Verben sinkan 'sinken', sizzan 'sitzen' und faran 'fahren' entstanden. Auch von Adjektiven und Substantiven wurden schwache
Verben der -jan-Gruppe abgeleitet.
Diese Verben haben faktitive Bedeutung, d.h., sie sind gekennzeichnet durch
eine Bedeutungskomponente des „Veranlassens“. So sind z.B. die Verben fullen 'füllen' und wermen 'wärmen' von den
Adjektiven fol 'voll' und warm abgeleitet. Weiterhin gehört
zur -jan- Klasse eine Gruppe von
Intensiva, das sind Verben, die einen Vorgang von erhöhter Intensität
ausdrücken, z.B. nhd. 'bücken', abgeleitet von biogan 'biegen'.
Die zweite Klasse der schwachen Verben wurde mit
dem Suffix -ôn- von
Substantiven oder Adjektiven abgeleitet. Sie haben ebenfalls faktitive
Bedeutung: z.B. lobôn 'loben', abgeleitet von Lop 'Lob'. Auch zu der -ôn-Klasse
gehört eine Reihe von Intensiva, z.B. beitôn
'harren' abgeleitet von bîten 'warten'.
Die Verben, die mit -ên- abgeleitet wurden, sind auch hauptsächlich
Ableitungen von Substantiven und Adjektiven mit inchoativer Bedeutung, sie
bezeichnen also den allmählichen Übergang von einem Zustand in einen
anderen: altên 'altern', fûlên 'verfaulen'.
Es lassen sich also drei schwache Verbklassen
unterscheiden, die jan-, ôn-,
ên-Verben. Die jan-Verben werden danach unterteilt, ob das i im Präteritum erhalten ist oder
nicht.
strangêta: strang-
gifultên: -ful-
woneta: won-
wântun: wân
suohtun: suoh-
frâgêntan: frâg
wuntorôtun: wuntor-
sêrênte: ser-
Einige dieser Grundmorpheme sind im Althochdeutschen als
selbständige Wörter belegt: strang
Adj. 'stark', wân st.M.
'Glaube', sêr st.N. 'Schmerz', sêr Adj. 'schmerzlich'.
Es wird eine direkte Beziehung zwischen schwachen Verben
und Wörtern anderer Wortart sichtbar. Schwache Verben sind im Unterschied
zu starken Verben von anderen Wörtern abgeleitet. Es kommen Ableitungen
von Wörtern verschiedener Wortarten vor. Bei der Ableitung von starken
Verben wird die Ablautstufe der 1. und 3. Person Singular Indikativ
Präteritum zugrundegelegt:
sahhan - suoh:
suohhen.
Semantische
Funktionen der Suffixe -jan, -ôn,
-ên. Ein Vergleich der Bedeutungen von schwachen Verben mit den Bedeutungen
der Wörter, von denen sie abgeleitet sind, führt zu folgendem Befund:
trinkan 'trinken' |
trenken 'tränken' |
leiten 'führen' |
lîdan 'fahren' |
fuoren 'führen' |
faran 'gehen' |
tuomen 'urteilen' |
tuom 'Urteil' |
heilen 'heilen' |
heil 'gesund' |
salbôn 'salben' |
salba 'Salbe' |
lobôn 'loben' |
lob 'Lob' |
Die Wortbildungsparaphrase, das heißt die
Umschreibung der Bedeutung der abgeleiteten Wörter unter Verwendung der
Bedeutung der zugrundeliegenden Wörter, erbringt folgende Ergebnisse:
Bei den jan-Verben ergibt sich in vielen
Fällen eine Umschreibung mit 'machen': tränken = 'trinken
machen'. Verben mit dieser Bedeutungsfunktion nennt man Faktitiva oder
Kausativa.
Die ôn-Verben lassen sich vielfach durch
'versehen mit' wiedergeben: salben = 'mit Salbe versehen'. Diese Verben
nennt man Ornativa.
Bei den ên-Verben ergibt sich oft die
Möglichkeit, mit 'werden' zu umschreiben: faulen = 'faul werden'.
Solche Verben nennt man Inchoativa.
Die Formenbildung der althochdeutschen Verben. Da
es keine einheitliche ahd. Sprache gab, beziehen sich die Untersuchungen des
Ahd. auf Texte in verschiedenen Mundarten. Es werden hier die von Braune, Eggers
ausgewählten Paradigmen verwendet, die unterschiedlichen Dialekten und
Zeitabschnitten zuzuordnen sind.
Das erste Paradigma der starken Verben gibt die
Verbformen bis zum Beginn des 9. Jh. wieder, so wie sie in dem Moonsee Wiener
Fragment (Bairisch), der ahd. Benediktinerregel (Alemannisch), den Murbacher
Hymnen (Alemannisch), den ahd. Glossaren und dem ahd. Isidor (bairische
Abschrift) vorkommen. Das zweite Paradigma zeigt die Flexionsformen der ahd.
Tatianübersetzung (ca. 825, Ostfränkisch), das dritte Paradigma gibt
die Formen Otfrieds von Weißenburg (ca. 865, Südrheinfränkisch)
wieder. Das vierte Paradigma zeigt die Formen bei Notker Labeo (ca. 1000, Alemannisch).
Die Paradigmen der schwachen Verben geben die „Normalformen
des 9. Jh.“ wieder. Mit dem Begriff „Normalalthochdeutsch“ werden die Formen
bezeichnet, die sich an der ahd. Tatianübersetzung orientieren. Die
älteren Formen sind bei den schwachen Verben an den Anfang gestellt.
Indikativ Präsens:
Starke Verben
|
Älteste Form(stark) |
Tatian |
Otfrid |
Notker |
|
Beginn d. 9. Jh. |
825 |
ca. 865 |
ca. 1000 |
|
neman 'nehmen' |
ziohan 'ziehen' |
faran 'fahren' |
râten 'raten' |
|
||||
1. Sg. |
nimu |
ziuhu |
faru |
râto |
2. Sg. |
nimis |
ziuhis(-t) |
ferist(-is) |
râtest |
3. Sg. |
nimit |
ziuhit |
ferit |
râtet |
1. Pl. |
nemumês(-amês-emês) |
ziohemês(-en) |
farên |
râten |
2. Pl. |
nemet |
ziohet |
faret |
râtent |
3. Pl. |
nemant |
ziohent |
farent |
râtent |
Schwache Verben
|
schwach I |
schwach II |
schwach III |
suohen, zellen, nerien Ableitungssuffix
–j- 'suchen', 'erzählen', 'füttern' |
salbôn Ableitungssuffix –ô- 'salben' |
habên Ableitungssuffix –ê- 'haben' |
|
1. Sg. |
suochu, zellu, neriu (nerigu), nerru |
salbôm(-ôn) |
habêm(-ên) |
2. Sg. |
suochis, zelis, neris (-ist) |
salbôs(-ôst) |
habês(-êst) |
3. Sg. |
suochit, zelit, nerit |
salbôt |
habêt |
1. Pl. |
suochemês, zellemês,
neriemês (-amês, -ên) |
salbômês, salbôn,
(-ôen) |
habêmês,
(habên,-êên) |
2. Pl. |
suochet, zellet, neriet, nerret(-at) |
salbôt |
habêt |
3. Pl. |
suochent, zellent, nerient, nerrent (-ant) |
salbônt |
habênt |
Die 1. Sg. Ind. Präs. endet bei den starken
und schwachen Verben I (der ersten Klasse) im 9. Jh. auf -u: ziuhu, suochu. Nach dem 9. Jh. wird aus dem -u ein -o wird: râto. Diese
Entwicklung setzt vereinzelt schon im 9. Jh. ein. Die Endung der 1. Sg. Ind.
Präs. der schwachen Verben II und III ist -ôm, bzw. -êm,
aus dem -m wird im 9. Jh. -n. Seit dem 11. Jh. wird die –n-Endung teilweise auf die starken
Verben und die schwachen Verben I übertragen, aus gihu wird z.B. gihun.
Gleichzeitig gehen die Endungen der starken Verben und der schwachen Verben I
auch auf die schwachen Verben II und III über. Bei Notker endet die 1. Sg.
Ind. Präs. noch auf -o, bei den
anderen Formen ist der Bindevokal bereits zu -e- abgeschwächt, was im folgenden bei den einzelnen Formen
nicht jedesmal hervorgehoben wird.
Die 2. Ind. Präs. der starken und schwachen
Verben endet in den ältesten Quellen noch auf -is, -ôs und -ês, z.B.
nimis. Im 9. Jh. wird ein -t angefügt, aus salbôs wird z.B. salbôst und aus habês – habêst. Die –st-Endung ist aus der Verschmelzung des
Personalpronomens thu, du mit dem
Verb entstanden, die falsch wieder aufgelöst wurde: gilaubistu - gilaubist thu. Bei Tatian kommen -s und -st Endungen
nebeneinander vor. Die 1. Pl. Ind. endet bei den schwachen Verben II und III
auf -ômês und -êmes, bei den starken Verben und
den schwachen Verben I kann der Bindevokal zwischen a-, -e-, -u- oder -i- schwanken. Die -mes
Endung der 1. Pl. Ind. Präs. (salbômes)
geht in die 1. Pl. Ind. Prät. (salbôtum)
und die Konjunktivformen (salbôn,
salbôtîm) ein.
Gleichzeitig gehen teilweise die Formen der 1. Pl. Konj. Präs. (salbôn) in die 1. Pl. Ind.
Präs. ein: salbôn anstatt salbômes.
Schon in den ältesten Quellen tritt daher
vereinzelt die ursprüngliche Konjunktivendung -m oder seit dem 9. Jh. -n als
Endung der 1. Pl. Ind. Präs. auf. Es findet also eine Vermischung der
Konjunktiv- und Indikativformen statt. In den Handschriften ist der Gebrauch
der Endungen nicht einheitlich. Wenn das Verb auf -m oder -n endet, steht
hinter diesen Verben meistens das Personalpronomen wir, was bei den Formen auf -mês
nicht der Fall ist. Im Laufe der Zeit setzt sich in der 1. Pl. Ind. Präs.
die eigentliche Konjunktivendung (-m,
-n) durch. Die Endung der 2. Pl. Ind.
Präs. ist -et bei den starken
Verben und den schwachen Verben I, -ôt
und -êt bei den schwachen
Verben II und III. Bei den schwachen Verben I kann der Bindevokal auch -ie- oder -a- sein. Im späteren Alemannisch wird aus der -t Endung -nt: râtent. Die 3.
Pl. Ind. Präs. endet auf -ônt,
-ênt und -ent, bei den
schwachen Verben I und den starken Verben auch -ant. Bei den schwachen Verben I ist der Bindevokal in den
ältesten Quellen -e- und bei den
starken Verben -a-, die Formen
vermischen sich jedoch später.
Indikativ Präteritum
Starke Verben. Die starken Verben bilden ihr
Präteritum und ihr Partizip Präteritum durch eine Veränderung
ihres Stammvokals, den Ablaut zwischen Präsens- und Präteritumstamm.
Die starken Verben sind nach ihrer Stammbildung in sieben Klassen eingeteilt:
Ablautreihen der ahd. starken Verben
|
Infinitiv 1. Sg. Ind. Präs |
1. Sg. Ind. Prät. |
1. Pl. Ind. Prät. |
Partizip Prät. |
I |
grîfan, grîfu |
greif |
griffum |
gigriffan |
|
dîhan, dîhu |
dêh |
digum |
gidigan |
II |
biogan, biugu |
boug |
bugum |
gibogan |
|
biotan, biutu |
bôt |
butum |
gibotan |
III |
bintan, bintu |
bant |
buntum |
gibuntan |
|
helfan, hilfu |
half |
hulfum |
giholfan |
IV |
neman, nimu |
nam |
nâmum |
ginoman |
V |
geban, gibu |
gab |
gâbum |
gigeban |
VI |
graban, grabu |
gruob |
gruobum |
gigraban |
VII |
haltan, haltu |
hialt |
hialtum |
gihaltan |
|
loufan, loufu |
liof |
liofum |
giloufan |
Flexion der ahd. starken Verben
|
Älteste Form(stark) |
Tatian |
Otfrid |
Notker |
Anfang des 9. Jh. |
ca. 825 |
ca. 865 |
ca. 1000 |
|
1.+3. Sg. |
nam |
zôh |
fuar |
riet |
2. Sg. |
nâmi |
zugi |
fuari |
rieti |
1. Pl. |
nâmum, (-umês) |
zugumês, (-un) |
fuarun |
rieten |
2. Pl. |
nâmut |
zugut |
fuarut |
rietent |
3. Pl. |
nâmun |
zugun |
fuarun |
rieten |
Die 1. und 3. Sg. Ind. Prät. hat bei den starken
Verben keine Endung: zôh, fuar, die 2. Sg. Ind. Prät. endet
auf -i: zugi. Die älteren Formen der 1. Pl. Ind. Prät. der
starken Verben enden auf -um, woraus
im 9. Jh. -un wird: nâmum, fuarun. Auch in die Formen der starken Verben ist die
Präsensendung -mês
eingegangen, sie enden also auf -umês.
Die 2. Pl. endet bei den starken Verben auf -ut, woraus im späten Alemannisch -ent wird. Die 3. Pl. endet auf -un:
zugun.
Schwache Verben
|
schwach I |
schwach II |
schwach III |
1.+3. Sg. |
suohta, zalta, zelita, nerita |
salbôta |
habêta |
2. Sg. |
suohtôs, (-ôst) |
salbôtôs, (-ôst) |
habêtôs, (-ôst) |
1. Pl. |
suohtum, (-un, -umês) |
salbôtum (-un, -umês) |
habêtum (-un, -umes) |
2. Pl. |
suohtut |
salbôtut |
habêtut |
3. Pl. |
suohtun |
salbôtun |
habêtun |
Die schwachen Verben bilden ihr Präteritum
dadurch, daß ein -t- an den
Verbstamm angefügt wird: neri-t-a,
salbô-t-a, habê-t-a. Die
1. und 3. Sg. Ind. Prät. endet bei den schwachen Verben auf -a: habêta,
die 2. Sg. Ind. Prät. endet auf -ôs,
woraus später -ôst wird: salbôtôs, salbôtôst. Die Flexionsendung
der 1. Pl. Ind. Prät bei den schwachen Verben ist -um, woraus später -un
wird. In manchen Texten aus dem 9. Jh. hat die 1. Pl. Ind. Prät allerdings
auch die -mês Endung der 1. Pl.
Ind. Präs.. Die 2. Pl. endet auf -ut
und die 3. Pl. auf -un.
Konjunktiv Präsens
Starke Verben
|
Älteste Form (stark) |
Tatian |
Otfrid |
Notker |
Anfang des 9. Jh. |
ca. 825 |
ca. 865 |
ca. 1000 |
|
1.+3. Sg. |
neme |
ziohe |
fare |
râte |
2. Sg. |
nemês |
ziohês, (êst) |
farês |
râtêst |
1. Pl. |
nemêm, (-amês, -emês) |
ziohemês(-ên) |
farên |
râtên |
2. Pl. |
nemêt |
ziohêt |
farêt |
râtênt |
3. Pl. |
nemên |
ziohên |
farên |
râtên |
Schwache
Verben
|
Schwach I |
schwach II |
schwach III |
|
1.+3. Sg. |
suoche,
zelle, nerie, nerre |
salbo |
salbôe |
habe,
habêe. |
2. Sg. |
suochês, -êst |
salbôs
(-t) |
salbôês(t) |
habês,
(-êst), habêês(t) |
1. Pl. |
suochêm, -en, -emês, -amê |
salbôm,
-ôn, ômês |
salbôêm |
habêm,
(-ên), (-êmes), (-êêm) |
2. Pl. |
suochêt, |
salbôt |
salbôêt |
habêt,
(-êêt) |
3. Pl. |
suochên |
salbôn |
salbôên |
habên, (-êên) |
Die Konjunktivendungen der starken und schwachen
Verben unterscheiden sich nicht. Die 1. und 3. Sg. der schwachen Verben I und
III und der starken Verben enden im Konjunktiv auf -e. Die schwachen Verben II enden auf -o. Allerdings können bei den schwachen Verben II und III lange
und kurze Formen vorkommen: salbôê,
habêê und salbo, habe. Bei starken und schwachen Verben endet die 2. Sg. in den
älteren Quellen hauptsächlich auf -ôs und -ês.
Seit ca. dem 10 Jh. wird oft ein -t angefügt:
ratêst. Allerdings tritt die -t Endung im Konjunktiv vereinzelt auch
schon im 9. Jh. auf. Dieser Vorgang vollzieht sich im Anschluß an das
Anfügen der -t Endung in der 2.
Sg. Ind.
Die ursprünglichen Endungen der 1. Pl. Konj.
sind -ôm bei den schwachen
Verben II und -êm bei den
restlichen Klassen. Im Abschnitt zum Indikativ Präsens wurde bereits
angemerkt, daß die Konjunktivformen seit dem 9. Jh. zum Teil durch
Indikativformen der 1. Pl (salbômes)
ersetzt werden. Daher hat der Konjunktiv in manchen Quellen die
ursprüngliche Konjunktivendung (salbôm),
in anderen Quellen steht dagegen eine Indikativform für den Konjunktiv (salbômês). Bei Tatian kommt
beides vor: ziohemês und ziohên. Im Alemannischen endet die
2. Pl. Konj. Präs. auf -ênt
wie bei Notker: râtênt,
ansonsten nur auf -ôt bei den
starken Verben II und êt bei
den anderen Verbklassen. Die 3. Pl. endet bei den starken Verben II auf -ôn, die anderen Klassen enden auf
-ên.
Konjunktiv Präteritum
Starke Verben
|
Älteste Form(stark) |
Tatian |
Otfrid |
Notker |
Anfang des 9. Jh. |
ca. 825 |
ca. 865 |
ca. 1000 |
|
1.+3. Sg. |
nâmi |
zugi |
fuari |
riete |
2. Sg. |
nâmîs |
zugîs (-îst) |
fuarîs |
rietîst |
1. Pl. |
nâmîm, (-îmês) |
zugîmês (-în) |
fuarîn |
rietîn |
2. Pl. |
nâmît |
zugît |
fuarît |
rietînt |
3. Pl. |
nâmîn |
zugîn |
fuarîn |
rietîn |
Schwache
Verben
|
schwach I |
schwach II |
schwach III |
1.+3. Sg. |
suohti, zalti, zeliti, neriti |
salbôti |
habêti |
2. Sg. |
suohtîs, (-îst) |
salbôtîs |
habêtîs |
1. Pl. |
suohtîm, (-în,
.-îmês) |
salbôtîm |
habêtîm |
2. Pl. |
suohtît |
salbôtît |
habêtît |
3. Pl. |
suohtîn |
salbôtîn |
habêtîn |
Die 1. und 3. Sg. Konj. enden auf -i. Die 2. Sg. endet in älteren
Quellen auf -îs, später
wird dieser Form ein -t angefügt:
nâmîs, rietîst. Die 1. Pl. endet
zunächst auf -îm und
später auf -în, allerdings
geht im 9. Jh. genau wie im Indikativ Präteritum und im Konjunktiv
Präsens die -mes Endung in die
1. Pl. Konj. Prät. ein: zugîmês.
Die 2. Pl. endet auf -ît,
spätalemannisch jedoch auf -înt:
rietînt. Die 3. Pl. endet auf -în.
Partizip Präsens
Von starken Verben
Älteste Form (stark) |
Tatian |
Otfrid |
Notker |
Anfang des 9. Jh. |
ca. 825 |
ca. 865 |
ca. 1000 |
nemanti, (-enti) |
ziohenti, (-anti) |
farenti, (-annti) |
râtente, (-ende) |
Von schwachen Verben
schwach I |
schwach II |
schwach III |
suochenti, zellenti, nerienti, nerrenti,
(-anti) |
salbônti |
habênti |
Die Endung des Partizip Präsens ist in allen
Verbklassen -ônti und -ênti bei den schwachen Verben II
und III, die starken Verben und die schwachen Verben I enden auf -enti. Später wird das -nt der Endung zu -nd abgeschwächt. Bei den schwachen Verben I und den starken
Verben schwanken die Bindevokale.
Partizip Präteritum
Von starken Verben
Älteste Form (stark) |
Tatian |
Otfrid |
Notker |
Anfang des 9. Jh.s |
ca. 825 |
ca. 865 |
ca. 1000 |
ginoman |
gizogan |
gifaran |
gerâten |
Von schwachen Verben
schwach I |
schwach II |
schwach III |
gisuochit |
gisalbôt |
gihabêt |
Das Partizip Präteritum wird dadurch
gebildet, daß bei den schwachen Verben ein -t an den Verbstamm angefügt wird, bei den starken Verben
findet Ablaut statt, und es wird das Suffix -an an den Stamm gefügt.
Konjugation
der Wurzelverben (athematische Verben)
|
Infinitiv |
|||
tuon |
gân gên |
stân stên |
sоn wesen 1) |
|
Indikativ Präsens |
||||
Sg. 1 2 3 Pl. 1 2 3 |
tuon, tuo tuost tuot tuon tuot tuont |
gân, gâ gên, gê gâst gêst gât gêt gân gên gât gêt gânt gênt |
stân, stâ stên stâst stêst stât stêt stân stên stât stêt stânt stênt |
bin wise bist wisest ist wiset birn, sоn, sint wesen birt, sоt weset sоn,
sint wesent |
Konjunktiv Präsens |
||||
Sg. 1 2 3 Pl. 1 2 3 |
tuo tuost tuo tuon tuot tuon |
gâ gê gâst gêst gâ gê gân gên gât gêt gân gên |
stâ stê stâst stêst stâ stê stân stên stât stêt stân stên |
sî wese sîst wesest sî wese sîn wesen sît weset sîn wesen |
Indikativ Präteritum |
||||
Sg. 1 2 3 Pl. 1 2 3 |
tet,
tete taete tet,
tete tâten,
toeten tâtet tâten |
gienc, gie gienge gienc, gie giengen gienget giengen |
stuont stüende stuont stuonden stuondet stuonden |
was waere was wâren wâret wâren |
Konjunktiv Präteritum |
||||
Sg. 1 2 3 Pl. 1 2 3 |
taete,
tete taetest taete taeten taetet taeten |
gienge giengest gienge giengen gienget giengen |
stüende stüendest stüende stüenden stüendet stüenden |
waere waerest waere waeren waeret waeren |
Partizip |
||||
Präsens Präteritum |
tuonde getân |
gânde gênde (ge)gân, (ge)gangen |
stânde stênde gestanden,
gestân |
sînde
wesende gesîn
gewesen, gewest |
Anm. 1: "wesen" ist
kein Wurzelverb, sondern ein starkes Verb der Ablautreihe V mit grammatischem
Wechsel.
Präterito-Präsentien. Ausgangspunkt ist die Bestimmung der Verbformen in den
Versen:
Lesên vuir, thaz fuori ther heilant
fartmuodi. |
Wir lesen, daß der Heiland von der Reise ermüdet einherzog. |
ze untarne, vuizzun thaz, er zeinen brunnon kisaz. |
Gegen Mittag setzte er sich, das wissen wir, an einen Brunnen. |
(Aus
dem Gedicht „Christus und die Samariterin“)
Die Form lesên
ist als 1. Person Plural Indikativ Präsens des starken Verbs lesan zu bestimmen. Die Endung -ên ist Abschwächung aus -emês. Die Form vuizzun (= wizzun) zeigt mit dem Vokal u
in der Endung ein charakteristisches Merkmal althochdeutscher
Präteritumformen. Da vor der Endung -un
kein Dentalsuffix steht, ist die Form als starke Verbform zu bestimmen. Der
Wurzelvokal i im Präteritum
Plural führt auf die I. Ablautreihe. Der Form wizzun entspricht die Form ritun.
Die zu wizzun gehörige
Singularform muß entsprechend ih
reit also ih weiz lauten. Diese
Form ist in demselben Gedicht in Vers 49 belegt: Vueiz ih, daz dû uâr segist.
Die Übersetzung der Textstellen erbringt folgenden
Befund: die Präteritumformen weiz -
wizzun haben präsentische Bedeutung: „ich weiß“ – „wir wissen“.
Ein starkes Verb, dessen Präteritumsform Präsensbedeutung hat,
heißt Präterito-Präsens (Plural: die
Präterito-Präsentien). Da das Präteritum des Ahd. aus
sprachhistorischen Gründen auch als Perfekt bezeichnet wird, werden die
Präterito-Präsentien teilweise auch als Perfekto-Präsentien
bezeichnet.
Verbklasse |
Form |
Bedeutung |
starke Verben |
Präteritum: reit
– ritun |
Präteritum: 'ich ritt - wir ritten' |
Präterito-Präsentien |
Präteritum: weiz
– wizzun |
Präsens: 'ich weiß - wir wissen' |
Die besonderen Bedeutungsverhältnisse dieser Verben
können durch einen Vergleich mit lat. vidêre
'sehen' verdeutlicht werden, das mit ahd. weiz etymologisch verwandt ist. Der Präteritumsform weiz hat ursprünglich eine
Bedeutung „ich habe gesehen“ entsprochen. Sie bezeichnet einen Vorgang, der vom
Standpunkt des Sprechers aus gesehen abgeschlossen ist, dessen Ergebnis aber in
seine Gegenwart hineinwirkt.
Präterito-Präsentien
im Ahd.
Ablaut-reihe |
Präsens Indikativ |
Infinitiv
|
Präteritum
Indikativ
|
Bedeutung
|
||
1. u. 3.
Pers. Sing. |
2. Pers.
Sing. |
1. u. 3. Pers. Plur. |
1.
u. 3. Pers. Sing. |
|||
I. |
weiz |
weist |
wizzun eigun |
wizzan |
wissa |
wissen,
erkennen, haben, besitzen |
II. |
toug |
|
tugun |
|
tohta |
taugen,
sich eignen, nützen |
III. |
an kann darf gitar |
kanst darft gitarst |
unnun kunnun durfun giturrun |
unnan kunnan durfan |
onda konda dorfta gitorsta |
gönnen
kennen, können bedürfen, brauchen wagen |
IV. |
scal ginah |
scalt |
sculun |
sculan |
scolta |
sollen,
müssen, im überfluss haben |
V. |
mag |
maht |
magun mugun |
magan mugan |
mahta mohta |
können,
vermögen |
VI. |
muoz |
muost |
muozun |
|
muosa |
können,
dürfen |
Der Gebrauch der Tempusformen im Althochdeutschen. Das
Ahd. kennt die synthetisch gebildeten Tempora Präsens und Präteritum,
die schon die Tempora des Germanischen waren. Die zusammengesetzten Zeiten
entwickeln sich in ahd. Zeit erst ganz allmählich und behalten noch lange
Zeit „den Beigeschmack des fremdartig Ungewohnten“. Die Entwicklung der
umschriebenen Zeitformen wird zum großen Teil durch die Sprachstruktur
des Lateinischen beeinflußt. Da die Schreiber der ahd. Zeit in
„lateinisch-antiker beziehungsweise lateinisch-christlicher Bildungstradition“
standen, befanden sie sich in engem Kontakt mit der lateinischen Sprache.
Dementsprechend bilden „Übersetzungen aus dem Lateinischen und die
poetische Bearbeitung lateinischer Vorlagen“ ihren Schwerpunkt innerhalb der
volkssprachlichen Literatur.
So war der Übersetzer in der Situation, das
differenzierte Tempussystem des Lateinischen mit den Mitteln, welche die ahd.
Sprache ihm zur Verfügung stellte, auszudrücken. Dieser Umstand gab
für den Übersetzer vermutlich an einigen Stellen den Anlaß,
nach differenzierteren Tempusbezeichnungen zu suchen. Die Probleme, die sich
beim Übersetzen lateinischer Texte ins Ahd. ergaben, sind nicht der
einzige Grund, warum sich das ahd. Tempussystem veränderte, denn
ähnliche Veränderungen sind auch in anderen germanischen Sprachen,
die wahrscheinlich nicht in der Weise wie das Ahd. durch das Lateinische
beeinflußt wurden, feststellbar.
Die synthetisch gebildeten Tempora
Indikativ Präsens. Der
Indikativ des Präsens kann im Ahd. sowohl die Gegenwart bezeichnen als
auch die Zukunft, er kann auch ohne Zeitbezug auftreten:
Tho antuurtanti der
heilant in quad iru giuuelih de dar trinkit fon uuazzare thesemo thurstit inan
abur de dar trinkit fon thesemo uuazzare thaz ih gibu ni thurstit zi euuidu...
„Da antwortete der Heiland und sprach (zu) ihr: "Wer
immer da trinkt von diesem Wasser, ihn dürstet abermals. Der aber von dem
Wasser trinken (wird), das ich geben (werde), ihn dürstet nicht in
Ewigkeit...“
Dieses Beispiel verdeutlicht, daß die
einfache Präsensform Gegenwarts- und Zukunftsbedeutung haben kann. Im
folgenden Beispiel drückt das Präsens einen zeitlosen Sachverhalt
aus, der schon in der Vergangenheit so war, in der Gegenwart so ist und in der
Zukunft so sein wird:
Ter terni máchont nouem, ter nouem máchont
XXVII. Dáz sínt ter terni ter.
„Dreimal drei ergibt neun,
dreimal neun 27. Das sind dreimal drei mal drei.“
Indikativ Präteritum. Die einfache
Imperfektform kann alle Stufen der Vergangenheit ausdrücken. Das
Präteritum kann die einfache Vergangenheit bezeichnen. Die Imperfektform
ist im Ahd. als Perfekt zu verstehen, wenn ein Geschehen bezeichnet wird, das
abgeschlossen in der Vergangenheit liegt, aber bis in die Gegenwart wirkt. Wenn
eine Handlung, die vor der Vergangenheit stattgefunden hat, bezeichnet wird,
ist die Imperfektform als Plusquamperfekt zu verstehen. Der ahd. Sprecher bzw.
Schreiber wußte wahrscheinlich aufgrund des Zusammenhangs, in dem die
Imperfektform auftrat, welche Stufe der Vergangenheit sie bezeichnete:
quam tho uuib fon samariu sceffen
uuazzar Tho quad iru der heilant gib mir trinkan sine iungoron giengun in burg
thaz sie muos couftin
„(Es) kam da (ein) Weib aus Samaria Wasser zu
schöpfen. Da sagte der Heiland: „Gib mir (zu) trinken“. Seine Jünger
(waren) in die Stadt gegangen, daß sie Speisen kauften.“
Hier hat die einfache Imperfektform die Bedeutung
der Vorvergangenheit und der Vergangenheit, im folgenden Beispiel drückt
es dagegen das Perfekt aus:
tho quad iru der heilant
uuola quadi thaz thu ni habes gomman thu habetos finf gomman inti den thu nu
habes nist din gomman...
„Da sagte ihr der Heiland: „(Du) hast gut gesagt,
daß du nicht einen Ehemann hast, du hattest fünf Männer und den
du jetzt hast, (der) ist nicht dein Ehemann...“
Der Gebrauch des Konjunktivs. Mit
dem Konjunktiv können im Ahd. „Zweifel, Unsicherheit, Vermutung, Wunsch
[und] irreales Geschehen“ ausgedrückt werden. Der Konjunktiv bezeichnet
demnach den Modus und nicht das Tempus einer Verbalform. Insofern gehört
der Konjunktiv eigentlich nicht in den Themenbereich Tempus.
Die Konjunktivformen werden hier behandelt, weil
sich im Ahd. der Konjunktiv im Nebensatz oftmals nach dem Tempus des
Hauptsatzes richtet. Auf eine Imperfektform folgt also der Konjunktiv
Präteritum und auf eine Präsensform der Konjunktiv Präsens.
Obwohl der Konjunktiv keine temporale Bedeutung hat, richtet er sich nach der
Tempusform im Hauptsatz, sein Gebrauch wird also durch die Wahl des Tempus
beeinflußt, was im Nhd. nicht der Fall ist:
Siu quat, sus libiti,
commen ne hebiti, - „sie sprach, sie lebe so, einen Gatten habe sie nicht.“
Da im Ahd. quat
eine Imperfektform ist, folgt im Nebensatz der Konjunktiv Präteritum, der
an der -i- Endung zu erkennen ist.
Zusammengesetzte Formen. Die
zusammengesetzten Tempusformen des Perfekts, Plusquamperfekts und des Futurs
beginnen sich im Ahd. erst allmählich zu entwickeln. Eggers stellt die
Entstehung der Perfektformen mit wesan
an einem Beispiel aus der ahd. Isidorübersetzung (8. Jh.) dar. Im 8. Jh.
hatte das Ahd. noch keine festgelegten Perfektformen herausgebildet. Trotzdem
treten im Isidortext Formen wie „ist
quhoman“ auf. Diese Zusammensetzung
unterscheidet sich nicht von den Formen des Zustandspassivs transitiver Verben,
die ebenfalls im Isidortext vorkommen, es kann sich hier jedoch nicht um eine
Passivform handeln, da quhoman ein
intransitives Verb ist. Nach Eggers muß diese Konstruktion daher die
Bedeutung: „ist ein Gekommener“ haben, und zwar deshalb, weil die Verben wesan und werdan im Ahd. noch Vollverben sind und das Partizip im Ahd.
zunächst ein reines Verbaladjektiv ist. Erst später durch die
„gewohnheitsmäßige Bildung der umschriebenen Tempus- und
Passivformen [wird] aus der adjektivischen ein partizipiale Funktion“. Das
Partizip hat hier also weniger die Funktion einer Verbform, sondern vielmehr
die Funktion eines „Prädikatsnomens“. Daß das Partizip in zusammengesetzten
Formen noch anders empfunden wurde als im Neuhochdeutschen, zeigt sich auch
daran, daß es oft flektiert auftritt.
Auch wenn diese Formen noch nicht die Bedeutung
und die Funktion der heutigen Perfektformen haben, erweitern sie doch die
Ausdrucksmöglichkeiten, denn die Konstruktion „er ist ein Gekommener“ hat
eine andere Bedeutung als ein einfaches quham
„er kam“, weshalb Eggers hierin eine „Bereicherung des deutschen Formensystems“
sieht. Wolf bezeichnet diese Konstruktionen als „Ansätze zu einer
Perfektbildung“. Hinzu kommen später Zusammensetzungen mit habên 'haben' und eigan 'besitzen'. Die Formen mit habên
und eigan treten zuerst bei Tatian
und Otfried auf, und auch hier hat das Partizip zunächst noch rein
verbaladjektivische Funktion. Auch Umschreibungen des Plusquamperfekts mit habên treten nach Eggers bereits
im 9. Jh. auf, sie sind jedoch noch sehr selten, wogegen die Formen mit wesan, habên und eigan
schon regelmäßig vorkommen.
Um zukünftiges Geschehen zu bezeichnen,
treten anstatt der Präsensformen selten auch Umschreibungen des Futurs mit
den Verben sculan 'sollen' und wellen 'wollen' auf. Belege der
Zukunftsbezeichnungen durch sculan
kommen bereits im Isidor vor: er sculut
bichennen (cognoscetis) „ihr
sollt (werdet) erkennen“. Eggers vermutet hier, daß „diese Entwicklung
[...] durch das Vorkommen der lateinischen Futurpartizipien [...]
veranlaßt sein“ könnte, für die der Übersetzer nach einer
passenden Übersetzungsmöglichkeit suchte.
Das System der zusammengesetzten Tempusformen ist
im Ahd.. mit diesen Ansätzen noch keinesfalls vollständig
ausgebildet. Erst im späten Mittelalter gelangt es zu der „systematischen
Ausgewogenheit“, die das Neuhochdeutsche kennt.